gesendet am 6. Januar 2006 von Dr. Hans Frisch |
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Wir sind gekommen, um ihn anzubeten - so klang es im Sommer in Köln
bei dem Weltjugendtreffen, als eine Million Menschen mit dem neuen Papst das
Treffen der katholischen Jugend aus aller Welt feierten. Die meisten werden
gewusst haben, dass dieser Satz ein Zitat aus der Geschichte von den Weisen
aus dem Morgenland ist und, dass er als Motto gewählt wurde, weil dort
im Kölner Dom der Dreikönigsschrein steht, wo die Gebeine der "Heiligen
Drei Könige" verehrt werden.
Heute ist "Heilige Drei Könige" als Festtag und wie selbstverständlich denkt man dabei an die Weisen aus dem Morgenland und den Stern der Weisen - Sternensinger gehen durch die Straßen und sind im Fernsehen präsent, sie schreiben ihr C+M+B 2006 über die Türen und sammeln für gute Zwecke. Auch die Namen der drei Könige sind allgemein bekannt: Caspar, Melchior und Balthasar - zumindest von einem kennt man auch die Heimat - Balthasar, der Schwarze kommt aus Afrika.
Insider wissen, dass C+M+B aber nicht die Namenskürzel meint, sondern "Christus Mansionem Benedikat" - " Christus segne dieses Haus"! Und damit ist endlich Der benannt, den sie anbeten wollten: Jesus Christus. Das kann fast verschwinden hinter soviel Brauchtum, hinter der Pracht des Dreikönigsschreins in Köln, und hinter vielen Geschichten und Legenden.
Die Geschichte beginnt mit der Geschichte der römisch-katholischen Kirche: Im Jahr 313 verkündet Kaiser Konstantin in Mailand das Toleranz-Edikt, wodurch die christliche Kirche gleichberechtigt unter den damaligen Kulten steht. Viele einflußreiche Personen werden Christen, allen voran die Mutter des Kaisers, Helena. Sie reist nach Jerusalem, durchstöbert die Stadt und ihre Umgebung nach Plätzen und Gegenständen, die mit Jesus zu tun hatten und entdeckt nicht nur das Grab - über das sie eine große Kirche bauen ließ, unter deren Dach gleich noch der Kreuzigungshügel Golgatha Platz fand - auch das Kreuz, das später in unzähligen "Splittern vom Heiligen Kreuz" als Reliquien in alle Welt ging.
Irgendwie fand sie auch die Gebeine der Weisen aus dem Morgenland. Die brachte sie nach Konstantinopel. Dort blieben sie nicht lange - ein Sohn des Kaisers Konstantin gab sie seinem Botschafter in Mailand mit. Die Bewohner der Stadt waren von dem so begeistert, dass sie ihn zu ihrem Bischof machten; und gewissermaßen als Einstandsgeschenk bekamen sie die damals bedeutendsten Reliquien, die Gebeine dreier Männer in einem marmornen Sarg, extra für sie angefertigt.
Ein Wagen, gezogen von jungen Kühen, soll die kostbare Fracht nach Mailand gebracht haben - eine ganz schöne Strecke von Istanbul nach Milano! Eigentlich ist es bei so viel kaiserlichem Einfluss nicht verwunderlich, dass die drei zu "Königen" befördert wurden. Für alles - die Dreizahl, die Geschenke, den Königstitel fanden sich Hinweise in der Bibel.
Und nun waren sie in Mailand gelandet, der damaligen Hauptstadt des römischen Reiches, und warteten, wie ihre Geschichte weitergehen sollte. Da mussten sie eine Weile warten, annähernd 700 Jahre.
* * * Musik * * *
700 Jahre warteten die Heiligen Drei Könige schon in ihrem Marmor Sarg in Mailand; da kam plötzlich Bewegung "in ihr Leben" möchte man fast sagen. Und wieder sind ein Kaiser und ein Bischof dabei. Diesmal ist es Kaiser Friedrich I, Barbarossa, und Reinald von Dassel, der Erzbischof von Köln. Nach Mailand kommt der nicht als Botschafter, er begleitet den Kaiser als dessen Reichskanzler und Truppenführer, denn die Mailänder waren frech geworden. Sie zerstörten einige Nachbarstädte; diese riefen den Kaiser zu Hilfe. Als der mit seinen Truppen anrückte, da wurden unsere drei Könige aus ihrem Marmorsarkophag herausgenommen, der in einer Kirche vor der Stadtmauer stand, und in der Stadt versteckt.
Man gelobte dem Kaiser Besserung, und er zog ab. Sein Reichskanzler, Erzbischof von Dassel blieb zurück, um die politischen Angelegenheiten im Sinne des Kaisers und des geschlossenen Vertrags zu regeln - doch konnte er nicht viel ausrichten und war froh, dass er lebendig aus der Stadt herauskam. "Wir haben dem Kaiser zwar geschworen, doch haben wir nicht versprochen, den Eid zu halten", war die einfache Argumentation der Mailänder. Da kam der Kaiser mit seinen Truppen zurück, belagerte die Stadt bis die vom Hunger geplagt aufgab. Die Mailänder fürchteten die Rache ihrer italienischen Nachbarn - zu Recht. Barbarossa ließ denen freie Hand, und nur 2% von Mailand sollen den Zerstörungen entgangen sein. Besondere Angst hatte natürlich der Bürgermeister der Stadt. Seine Schwester war die Äbtissin des Frauenklosters, in dem die Gebeine der drei Könige versteckt waren. Die ging zu dem Erzbischof und Reichskanzler und versprach ihm die inzwischen als hochheilig angesehenen Knochen, wenn er den Bruder rettete. Und Reinald von Dassel hatte eine Idee.
"Majestät, darf ich das behalten, was die Äbtissin des Frauenklosters nach dem Fall der Stadt auf ihren Schultern heraus trägt?" An den Reichtümern eines Klosters war der Kaiser nicht interessiert, und seinem Kanzler war er zu Dank verpflichtet - so sagte er "Ja". Da brachte die Nonne ihren Bruder angeschleppt - Barbarossa stand zu seinem Wort, Reinhard von Dassel schenkte dem Bürgermeister das Leben und erhielt dafür die Heiligen Drei Könige.
Für die wurde es erst einmal ganz ungemütlich. Jeder für sich bekam einen ganz gewöhnlichen Sarg, sie wurden wie gefallene Ritter, die in ihre Heimat zurückgebracht werden, transportiert. Zur Sicherheit diente die Behauptung, sie seien dort an der Pest gestorben, damit niemand den Sarg öffnete. Denn das wäre eine lohnende Beute gewesen für jeden Fürsten oder jede Stadt. Sie sollen sogar den Pferden die Hufeisen verkehrt herum aufgenagelt haben, damit mögliche Verfolger getäuscht würden, doch das dürfte (wie manches andere) Legende sein.
Köln empfing seine neuen Dauergäste festlich, und das ist amtlich. Das kleine Stadttor, durch das sie in die Stadt gebracht wurden, heißt heute noch "Dreikönigspförtchen".
Dreikönigenschrein
im Kölner Dom
Quelle: www.koelner-dom.de |
Ihr Marmorsarg steht noch in Mailand, doch werden die Drei Könige kaum Umzugspläne haben, denn die Kölner stellten ihnen nicht nur ihren Dom zur Verfügung, sie ließen im Dom einen kleinen Dom eigens für sie anfertigen, den "Dreikönigsschrein"- die herausragendste europäische Goldschmiedearbeit des Mittelalters: eineinhalb Meter hoch und über zwei Meter lang, mit 74 getriebenen Figuren, 1.000 Edelsteinen, 300 antiken Gemmen (von denen eine handtellergross war und von schwarzer Farbe, was mit Balthasar dem Schwarzen zu tun haben könnte).
Auch die Wissenschaft hat sich inzwischen um die Drei Könige bemüht. Die Stoffe, die ihre Gebeine einhüllen, sind antik, der Farbstoff ist echter Purpur, das Gold in den Geweben entspricht in der Zusammensetzung dem Gold aus der Zeit Christi.
Worauf die Wissenschaft keine Antwort hat, ist die Frage, ob die Skelette, welche die fromme Kaiserin Helena aufgelesen hat, tatsächlich etwas mit den Weisen zu tun haben, da könnte selbst eine DNA-Analyse nicht weiterhelfen. Doch wozu auch? So viel Verehrung, wie ihnen in den Jahrhunderten zuteil wurde, die könnten sie sowieso nicht los werden - von dem Gewinn, den sie der Stadt Köln gebracht haben, ganz zu schweigen.
* * * Musik * * *
Es wäre interessant, darüber nachzudenken, was die Reliquien im Allgemeinen und die Gebeine dort im goldenen Schrein des Kölner Doms im Besonderen so wertvoll macht - besser: machte. Denn heute ist uns der Zugang dazu kaum noch möglich.
Doch, wir haben über die Geschichten von den heiligen Knochen die Personen, von denen sie stammen sollen, ganz aus dem Blick verloren. Aus dem Morgenland kamen sie, aus dem Osten waren sie westwärts gezogen bis nach Bethlehem - und hier waren sie am Ziel. Ihre Fragen und ihre Hoffnungen aus dem Lauf der Sterne hatten Antwort und Bestätigung gefunden in dem Kind, das dort geboren war.
Die Reise der "Drei Könige" geht von der Gegend um Bethlehem aus ins Abendland.
Die Geschichte von den "Weisen aus dem Morgenland", die zunächst wie eine Legende aussieht, erweist sich beim genauen Betrachten als präziser Bericht mit astronomisch, historisch und psychologisch begründeter Glaubhaftigkeit. Unsere Beiträge dazu können auf der AREF Homepage im Internet nachgelesen werden. Dagegen wird die Geschichte der "Drei Könige" zunehmend legendär in ihren Verlauf.
Der griechische Philosoph Platon hat das berühmte Höhlengleichnis gefunden: Menschen gleichen Wesen, die in Höhlen angekettet sind und auf der Höhlenwand nur die Schattenbilder der wirklichen Welt sehen. Es gilt, daß der Mensch sich frei macht, sich dem Licht zuwendet und die Wirklichkeit sieht.
So haben sich die Weisen aus dem Morgenland von dem Sternzeichen dem wirklich verheißenen Kind zugewandt - und "sie wurden froh in großer Freude gar sehr", wie der Bericht im Matthäusevangelium es ausdrückt.
Johannes schreibt am Anfang seines Evangeliums: "Das Licht scheint in der Finsternis, doch die Finsternis hat's nicht ergriffen." Es ist als ob die Menschen, denen das Licht gezeigt wurde, wieder in ihre Höhle zurück kriechen und gebannt die Schattenspiele auf der Wand betrachten - damals im finsteren Mittelalter und durch die Jahrhunderte hindurch bis in unsere Tage.
Das Leuchten von Edelsteinen auf Gold- und Silberbehältern der Reliquien ist längst abgelöst von den leuchtenden Bildern einer virtuellen Welt mit Fantasie- und Magiebildern - ein lohnendes Geschäft ist das seit jeher.
Dort wo heutzutage jedes Jahr das Christkind den Christkindelmarkt eröffnet, da geschah im alten Nürnberg jedes Jahr einmal die Weisung der "Heiltümer". Deren prächtigstes Stück war die Reichskrone, deren heiligstes Stück aber war die Reichslanze mit einem eingearbeiteten Nagel vom Kreuz Christi. Verbunden war die Weisung mit einem großen Fest und einem Markt über 14 Tage auf dem damals neuen Marktplatz. Erst damit hat Nürnberg wohl dem viel älteren Markt in Fürth den Rang abgenommen. So sehr waren damals Wunderkraft und Geschäft verquickt - wobei im Hintergrund Machtfragen mitentschieden wurden. Gemessen an dem Umsatz der Fantasie- und Magieprodukte unserer Zeit dürfte der Markt von Nürnberg aber sehr bescheiden wirken - schon gegen den Ersttagsumsatz eines neuen Harry Potter.
Es bedarf direkt einer Anstrengung, den Blick wieder hinzuwenden auf das Ereignis, von dem aus das Licht strahlt, welches die Weisen aus Babylon suchten und fanden. Wer das einmal wirklich entdeckt hat, so daß es hell wurde in ihm, wer den Knaben von Weihnachten begleitet hat bis er als Mann am Kreuz starb, aus Liebe zu uns, wer die Osterfreude wirklich erlebt hat, daß dieser Tod nicht das Ende, sondern der Anfang, war, der Anfang einer völlig neuen, befreiten Beziehung zu Gott, der braucht keine Reliquien und Heiligtümer mehr. Der starrt nicht mehr fasziniert auf die Schattenspiele und die virtuellen Lichtspiele um Wunderbares zu erleben, weil das Licht von Gottes Liebe es hell macht in ihm und um ihn.
So werden es wohl auch Jugendliche erlebt haben, die nach Köln pilgerten, nicht um die Gebeine der Drei Könige zu besuchen, sondern um den anzubeten, den die Weisen damals gefunden hatten.
Dr. Hans Frisch
mehr bei uns :
Wie fanden die Weisen den weiten Weg nach
Bethlehem?