gesendet am 09.04.2006 von Dr. Hans Frisch |
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"Palmsonntag, das ist so ein christlich-heidnisches Fest" meinte einer, der Weihnachten und Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten recht genau kennt. "Frühlingsfest" war der nächste Erklärungsversuch - da waren wohl die "Palmzweige" mit den Weidenkätzchen dran Schuld. Längst nicht alle kennen die Geschichte von diesem Sonntag - eine Woche vor Ostern. Hier ist sie.
Die Geschichte von Palmsonntag nach dem Matthäus-Evanglium
Als sie nun in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betphage an den Ölberg, sandte Jesus zwei Jünger voraus und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt, und gleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; bindet sie los und führt sie zu mir! Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen. Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht:
»Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers. Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider darauf, und er setzte sich darauf.Aber eine sehr große Menge breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg.Die Menge aber, die ihm voranging und nachfolgte, schrie: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe! Und als er in Jerusalem einzog, erregte sich die ganze Stadt und fragte: Wer ist der? Die Menge aber sprach: Das ist Jesus, der Prophet aus Nazareth in Galiläa. (Matthäus 21, 1-12 Jesu Einzug in Jerusalem)
Was sagen die anderen Evangelium zum Palmsonntag ?
So ähnlich steht es auch in den anderen Evangelien. Johannes hat natürlich wieder seine eigene Sicht der Geschichte. "Jesus aber fand einen jungen Esel und setzte sich darauf' heißt es hier kurz und schlicht. Als Grund für die Begeisterung nennt er die Auferweckung des Lazarus. Die war erst wenige Wochen zuvor geschehen, hatte viel Aufsehen erregt und den Zulauf zu Jesus vergrößert.
Der "Hohe Rat der Juden", das Synhedrium hatte daraufhin den offiziellen Todesbeschluss über Jesus verhängt. Ob Jesus nun "prophetisch vorausschauend" oder beiläufig den Esel gefunden hatte - er reitet jedenfalls vom Ölberg runter nach Jerusalem auf einem Esel. Das war im Orient kein seltener Anblick - für die Geschichte von Jesus, aber war es ein Schlüsselereignis. Um das zu verstehen, müssen wir das geographische, das politische und das religiöse Umfeld etwas anschauen. Zuerst die Geographie.
Das politische und das religiöse Umfeld
Geographie
Ein altes Kirchenlied singt "Jerusalem du hochgebaute Stadt,
wollt Gott, ich wär in dir". Fast 1.000 Meter hoch liegt Jerusalem
im Bergland von Judäa. Im Osten (direkt hinter dem Tempelberg) trennt ein
Tal die Stadt vom Ölberg, das Kidrontal. Zwei Dörfer liegen dort oben
auf dem Ölberg, Bethanien und Betphage. Auf der Rückseite vom Ölberg
geht es runter in den Jordangraben - tiefer und tiefer bis nach Jericho, der
ältesten und am tiefsten gelegenen Stadt der Erde, 250 Meter unter dem
Meeresspiegel. "Palmenstadt" hieß diese Stadt, denn 20 km lang
war der Palmenwald von Jericho. Durch den Jordangraben kommt von Norden die
Straße aus Galiläa - auf der anderen Seite des Jordan, im heutigen
Jordanien, lag "Peräa", eine Provinz die zu Galiläa gehörte.
Damit wird es schon politisch:
Politik
Galiläa im Norden, im Süden Judäa und noch einige
Gebiete im Nordosten, wo die Golanhöhen liegen - das war die römische
"Provinz Judäa". Der südliche Teil mit Jerusalem wurde verwaltet
von einem römischen Statthalter (damals war das der römische Ritter
Pontius Pilatus - der soll aus Forchheim stammen). In Galiläa herrschte
der König Herodes, ein Sohn von Herodes dem Großen. Der war Herrscher
"von Roms Gnaden" - und der Landesherr von Jesus aus Nazareth.
Die wichtigste Aufgabe des Statthalters und des Königs war, für Ruhe
und Ordnung zu sorgen (und für die reichlichen Abgaben nach Rom). Das war
gar nicht so leicht.
Besonders die Galiläer im Norden galten als aufsässig. "Zeloten" - die Freiheitskämpfer und "Sikkarier" - die Dolchmänner machten den Römern zu schaffen. Damit nicht religiöse Momente ins Spiel kommen und es außer Kontrolle gerät, hatten die Römer sich mit der Priesterschaft arrangiert - und Kaiphas, der Hohe Priester verstand sein Geschäft (er hat wohl auch gute Geschäfte dabei gemacht).
Damit sind wir beim religiösen Umfeld - und das brauchte eigentlich eine eigene Sendung. Einen kurzen Blick darauf wollen wir nach der Musik versuchen.
* * * Musik * * *
Religion
Das religiöse Umfeld des Palmsonntag ist natürlich eng verwebt mit dem politischen. Mehrere Stränge verknoten sich hier zum dramatischen Geschehen. Der älteste Strang hat prophetischen Ursprung: Mehr als 500 Jahre früher hatte Sacharja seine Schau über Jerusalem verkündet. Die zerstörte Stadt sollte Heilsmittelpunkt der Welt werden.
"Juble laut, Tochter Zion, jauchze Tochter Jerusalem! Siehe dein König kommt zu dir, gerecht und siegreich. Demütig ist er und reitet auf einem Esel, auf dem Füllen einer Eselin. Er gebietet Frieden den Völkern und seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer, vom Strom bis zu den Enden der Erde. Siehe, ich lasse meinen "Sproß" kommen und ich werde die Schuld des Landes fortnehmen an einem Tage."
Noch ältere Wurzeln hat der Brauch mit "Hosianna" und mit Palmzweigen. Bei der Passah-Liturgie im Tempel ruft das Volk "Hoscha na" - hilf doch - gesegnet, der da kommt im Namen des Herrn" Darauf antworten die Priester. "Reiht euch ein in den Zug mit Zweigen in den Händen, bis zu den Hörnern des Altars."
Palmzweige - Symbol der Befreiung
Palmzweige hatte auch der Festzug in den Händen, als nach dem siegreichen Befreiungskampf der Juden zur Zeit der Makkabäer der Tempel gereinigt wurde von der Entweihung und Schändung durch die griechischen Besatzer - das war fast 200 Jahre vor unserem Palmsonntag. Jedes Jahr wird dieses Fest wieder gefeiert, bis heute.
So wurden Palmzweige auch ein Symbol der Befreiung. Wahrscheinlich war deshalb die Stimmung so kämpferisch zur Passahzeit, wenn die Pilgermassen mit ihren Zweigen zum Tempel zogen. Zwei Jahre vor diesem Passahfest hatte es im Tempelhof einen Tumult gegeben, weil galiläische Pilger zum Aufstand aufriefen - sie meinten, der Messias wäre angekommen. Schnell und hart hatten die Römer zugeschlagen - das Blut der Pilger mischte sich mit dem Blut der Opferlämmer.
Hoffnung auf Befreiung, als Jesus nach Jerusalem reitet
Jetzt war Jesus auf dem Weg zum Passahfest in Jerusalem. In Jericho war er mit seinen Jüngern zu dem Pilgerstrom gestoßen, der durchs Jordantal aus Galiläa kam und nun den Aufstieg nach Jerusalem begann. Wahrscheinlich haben Straßenhändler unten im Tal sie mit Palmzweigen versorgt. Viele von seinen Landsleuten kannten Jesus - sie waren voller Erwartung und meinten "das Reich Gottes werde gleich erscheinen". Zusammen mit ihm zieht die Schar der Anhänger den Weg hinauf bis auf den Ölberg - und da liegt Jerusalem vor ihnen - drüben auf der anderen Seite des Kidrontals. Der Tempel, strahlend weißer Marmor mit goldenen Zinnen; ein herrlicher Bau auf dem heiligen Platz. Die Stadt überfüllt mit Pilgern aus aller Welt - schon werden Zelte außerhalb der Mauern errichtet.
Und jetzt geschieht das Schlüsselereignis auf dem Weg Jesu. Es ist sein
letzter Weg, der Weg in die Passion, der Weg ans Kreuz. "Saget der Tochter
Zion: Siehe, dein König kommt zu dir, demütig und reitet auf einem
Esel, dem Füllen der Eselin" So hatte der Prophet verkündet.
Da ist ein Esel, ein junges Tier - und Jesus weiß: Ich bin der verheißene
Messias. Er nimmt das prophetische Zeichen an, steigt auf und reitet vom Ölberg
hinab nach Jerusalem - mitten hinein und durch die begeisterte Menge mit ihrer
Hoffnung auf einen politischen Messias, auf einen militärischen Führer,
auf einen König wie David. Die Palmwedel für die Prozession im Tempel
werden zu Fahnen der Freiheitshoffnung. Aber Jesus sieht klar: Die Makkabäer
konnten damals die Griechen aus dem Land jagen - gegen die Weltmacht Rom hat
Jerusalem keine Chance! Ein Aufstand muß zur Katastrophe führen.
Jesus weint über die Stadt: "Wenn du doch auch an diesem Tage erkannt
hättest, was zu deinem Frieden ist" klagt er und sagt Belagerung und
Zerstörung voraus.
* * * Musik * * *
Auch die Jünger hatten sich anstecken lassen von der Begeisterung - sie hatten immer noch nicht begriffen, auf welchem Weg ihr Meister ging. Jetzt wurde es ernst. Mit dem zeichenhaften Ritt hatte Jesus seinen Anspruch öffentlich kundgetan:
"Ich bin's, von dem der Prophet spricht!"
Handlungsbedarf für die Obrigkeit
Er hat das Missverständnis in Kauf genommen und er hat die politisch Verantwortlichen zum Handeln gezwungen! Fahrlässig wäre es gewesen, diesen Mann am Passahfest in den Tempel zu lassen - mit einem solchen leibhaftigen messianischen Führer war die Katastrophe abzusehen. Pilatus hatte mit seinen Soldaten schon Stellung bezogen in der Antoniafestung neben dem Tempel, mit direktem Zugang zum Tempelhof. Wenn ein Aufstand losbräche in der mit Pilgern überfüllten Stadt - es wäre nicht auszudenken!
Die Diskussion vor dem Synhedrium bringt der Hohe Priester Kaiphas zum Abschluß:
"Es ist besser, einer stirbt für das Volk, als daß ein ganzes
Volk verdirbt".
Schuldig oder unschuldig, er muß sterben. Noch vor dem Fest und möglichst
ohne Aufsehen.
Der einsame Wege Jesu soll die ganze Menschheit befreien
So nimmt die Geschichte ihren Lauf auf Karfreitag zu - äußerlich spannend und innerlich dramatisch. Zuletzt hängt er dort am Kreuz - von fast allen verlassen, verspottet und verlästert - und stirbt. Er ist am Ziel seines Weges. Das Ende der auf ihn gesetzten Messiashoffnungen ist der Anbruch seiner Messiaswirklichkeit.
"Und ich werde die Schuld des Landes wegnehmen an einem Tage" hat Gott durch Sacharja verkündet - "Vater vergib ihnen" spricht Jesus am Kreuz über die, welche ihn verspotten und lästern. Er stirbt für die Schuld der Menschen - zunächst der Menschen die ihn quälten und kreuzigten, die ihn nicht verstanden in ihrer Hoffnung auf politische Freiheit und einen irdischen König - und zugleich für die Schuld aller Menschen.
Mit dem Zeichen des Propheten war er durch das Missverständnis und durch die vordergründigen Erwartungen hindurchgeritten seinen einsamen Weg, der ihn ans Kreuz führte. Zeichen für Befreiung und Sieg waren die Palmwedel - jetzt steht da das Zeichen für Befreiung von Schuld und für den Sieg über die Sünde - das Kreuz von Golgatha.
Wer es finden und ergreifen will, muss Jesus auf seinem einsamen Weg folgen. Nur ich allein kann ihm allein begegnen - nur meine Schuld verbindet mich mit ihm, nur meine vergebene Sünde gibt mir Anteil an seinem Sieg. So ist das Kreuz kein Zeichen, das Massen begeistern kann - damals nicht und heute nicht. In Jerusalem, in Judäa und in Galiläa blieb die Hoffnung auf Befreiung durch Kampf und Sieg lebendig und bestimmend. Vierzig Jahre später (70 n. Chr.) hatte sie zur Katastrophe geführt. Der Aufstand war ausgebrochen und wurde niedergeschlagen, Jerusalem mit dem Tempel war zerstört.
Ein politischer "Messias" führt die Juden in die Katastrophe
Neunzig Jahre später führte ein politischer Messias - Bar Kochba, der "Sternensohn" - das Volk in den Aufstand und in die endgültige Niederlage - den Verlust des Heimatlandes, die Zerstreuung der Juden in die ganze Welt. Eine lange Leidensgeschichte bis in unsere Tage hat da ihre Wurzel.
Das Kreuz mit dem Kreuz
Auch das Kreuzzeichen blieb vor Missverständnissen und Missbrauch nicht verschont. Als 300 Jahre später Kaiser Konstantin es am Himmel erblickt hatte: "Unter diesem Zeichen wirst du siegen" da waren die Weichen gestellt auf dem Weg zum Kirchenstaat, zu Kirchenfürsten, zu Kreuzzügen, zur Reichskirche und vielen anderen "Entgleisungen".
Unbarmherzig bleibt es dabei: Der Weg in die Barmherzigkeit Gottes bleibt der Weg des Einzelnen zum Kreuz, an dem Jesus gestorben ist für unsere Schuld. Da hilft kein noch so gut gemeintes Mißverständnis - wer Jesus nicht folgt auf diesem letzten Weg - in der Woche von Palmsonntag bis Karfreitag - für den hat Ostern nicht die wahre Bedeutung.
Es kann dann auch "so ein christlich-heidnisches Fest" werden, "ein Frühlingsfest", dazu ist es aber viel zu wichtig.
Dr. Hans Frisch
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