"Gott ist tot - es lebe der Fußball"gesendet am 04.07.2010 von Dr. Hans Frisch |
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Fanmeile
bei Fußball-WM 2006 in Berlin Quelle: wikipedia.de
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AREF zur Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika
"Gott ist tot - es lebe der Fußball". Zugegeben, das ist ein blöder Einstieg für einen Beitrag in einem christlichen Sender. Jede der beiden Losungen für sich findet wohl bei vielen Zustimmung - die erste, die vom toten Gott, immer mehr, die zweite vom Fußball zurzeit - mehr geht nicht, schon garnicht gestern. Aber haben die etwas miteinander zu tun?
Obwohl religiöse Botschaften auf dem Platz verboten sind, lassen doch viele Spieler durch Symbolhandlungen ihren Glauben erkennen, und von manchem weiß man, dass auf dem T-Shirt unter dem Trikot steht: "Jesus liebt dich"; einer hat ein Jesusbekenntnis sogar auf den Rücken tätowiert (der ist nicht bei dieser WM dabei). Uwe Schütz hat eine ganze Liste von solchen Bekenntnissen auf unsere Homepage www.aref.de gebracht. Wir Christen können also freudig mit einstimmen: "Es lebe der Fußball".
Die erste Losung: "Gott ist tot"
Philosoph
Friedrich Nietzsche
*15.10.1844, 25.08.1900 |
Die erste Losung "Gott ist tot", die ist 128 Jahre alt, sie stammt vom großen Propheten des Atheismus Friedrich Nietzsche (links im Bild). Das ist ein gewaltiger Text - von einem tollen Menschen, der am helllichten Tag mit einer Laterne auf dem Markt herumlief und schrie: "Ich suche Gott, ich suche Gott." Als die Leute lästerten, durchbohrte er sie mit seinen Blicken und rief: "Ich will es euch sagen wo er ist. Wir haben ihn getötet!" Und er fragt: "Wie konnten wir das Meer austrinken, wie den ganzen Horizont wegwischen, wie die Erde von ihrer Sonne losketten?"
Drastisch schilderte er die Folgen: das Dunkel, das Taumeln durch einen leeren
Raum, den Geruch der göttlichen Verwesung. "Gott ist tot! Gott bleibt
tot! Und wir haben ihn getötet.
Wie trösten wir uns, wir Mörder aller Mörder? Das Heiligste
und Mächtigste was die Welt bisher besaß, es ist unter unseren
Messern verblutet.
Welche Sühnefeiern, welche heiligen Spiele werden wir erfinden müssen?
Ist nicht die Größe dieser Tat zu groß für uns? Müssen
wir nicht selber zu Göttern werden, nur um ihrer würdig zu erscheinen?"
Sicher, Nietzsche hat bei den "heiligen Spielen" noch nicht an den Fußball gedacht, 10 Jahre vorher hatte das erste Länderspiel England Schottland null zu null geendet, und 4 Jahre zuvor gab es den ersten Profifußball. Eher könnte er mit einer Wiederbelebung der Olympiade gerechnet haben - aber als das 1896 kam, da war er schon in geistiger Umnachtung, und er starb 1900, während die zweiten olympischen Spiele in Paris liefen.
Doch wem kommen bei dieser prophetischen Frage nicht die Bilder von heiligen
Spielen in vollen Stadien? Und von Göttern sind die großen Helden
dieser Spiele nicht weit entfernt.
Schon der Aufwand für die Stadien und für die Übertragungen
zeigt, welche Bedeutung diese Spiele für die Menschen, ja, inzwischen
für die Menschheit haben. Sie entsprechen genau dem, wonach Nietzsche
so prophetisch gefragt hat. Doch hat das mit Gott oder mit dem Tod Gottes
etwas zu tun?
Musik
Die zweite Losung: Deshalb braucht die Menschheit Sühnefeiern und Heilige Spiele
Sühnefeiern und Heilige Spiele braucht die Menschheit, weil Gott tot ist, von den Menschen ermordet - das meinte Nietzsche. Die Französische Revolution, die Gott vom Thron gestürzt - den Gott der Staatskirche - und die Vernunft zum höchsten Wesen erklärt hatte, die war 50 Jahre vor seiner Geburt zu einem Terrorregiment geworden. Die reihenweisen Hinrichtungen auf der Guillotine waren für die Massen so etwas wie Sühnefeiern, und das große "Fest des höchsten Wesens", der Vernunft, war ein heiliges Spiel.
Bestimmt hatte Nietzsche zuhause im Pfarrhaus davon gehört, sein Großvater war Zeitgenosse gewesen. Meine Eltern waren Zeitgenossen der sozialistischen Revolution in Russland und haben die Schrecken danach miterlebt; meine Generation hat die heiligen Feiern der Nazizeit kennen gelernt und die grausame Wirklichkeit hinter der Maske und Fassade. Weltweit hoben Studenten das kleine rote Buch von Mao tse Tung in die Höhe und skandierten seine Sprüche - unglaubliche Feiern wurden zu seinen Ehren in China zelebriert, bevor die Wahrheit über ihn bekannt wurde.
Nietzsche dürfte geahnt haben, welches Vakuum durch den Tod Gottes, den Verlust der heiligen Mitte entsteht, und das dieses nur durch etwas Heiliges zu füllen ist. Er glaubte an die Heiligkeit des starken, des siegreichen Menschen, des Helden und Übermenschen. Die Masse durchschnittlicher Menschen ist dazu da, diese Sieger mit dem Willen zur Macht und zum Kampf hervorzubringen. Ich glaube, die WM hätte ihn fasziniert, besonders die siegreichen Spiele der deutschen Mannschaft.
Tatsächlich findet die Menschheit für eine Zeit zu einer heiligen Mitte, und ich glaube, die Wirkung rechtfertigt den Aufwand. Schon die Integrationswirkung, wenn Türken zu deutschen Fußballhelden werden, ist enorm. Oder wenn das letzte wirklich kommunistische Land seine Mannschaft teilnehmen lässt. Leider ist die Heilswirkung solcher heiligen Feste flüchtig. Deshalb werden immer wieder neue Events nötig, um das zu bewirken - das, wonach Nietzsche gefragt hatte: Die Leere zu füllen, unsere Angst zu bannen, Größe zu spüren.
Auch Kirchentage, Riesengottesdienste in amerikanischen Megagemeinden, Aktionen wie von Billy Graham, dem amerikanischen Missionsprediger, den wir im vollen Olympiastadion von Berlin erlebt haben oder Pro Christ bringen Gemeinschaftserlebnisse mit ähnlicher Wirkung - wenn auch viel kleiner. Gott ist kein Gott der Massen, sondern ihm ist jeder wichtig
Doch so wenig ein Fußballfest (vielleicht statt Gottesdienst am Sonntagmorgen) den Tod Gottes beweist, so wenig beweisen solche Ereignisse Gottes Gegenwart, denn der Gott, der uns in Jesus Christus begegnet, der wendet sich nicht an die Massen. Er will jedem Einzelnen begegnen, in der Einsamkeit oder mitten in der Masse. Er ist nicht ein Gott der Sieger, sondern ein Gott für die Verlorenen.
Gott ist kein Gott der Sieger, sondern der Verlorenen
Das war es, was Nietzsche am meisten geärgert hat und das ist es, was heute noch den Zugang zu ihm kompliziert macht. Wer seine Verlorenheit erlebt und unter ihr leidet, der hat es relativ leicht, zu Gottes Angebot Ja zu sagen - aber ich? Komme ich nicht ganz gut über die Runden - und wenn ich mich anstrenge, dann kann ich vielleicht sogar in den oberen Rängen mitspielen, gesellschaftlich, wirtschaftlich, kulturell und sogar moralisch.
So verloren, dass ich Rettung brauchte, bin ich Gott sei Dank nicht. Also können wir Gott einen guten Mann sein lassen, tot oder lebendig und Nietzsche einen Schwarzseher, er ist ja schließlich auch verrückt geworden.
Musik
Du bist (hoffentlich) kein Verlierer. Gesellschaftlich nicht ganz oben, aber in deinen Kreisen akzeptiert, vielleicht auch anerkannt; wirtschaftlich sind einige Wünsche offen, doch es reicht vielleicht sogar zum Neid der anderen; kulturell mittendrin, sogar mit einigen Extras, und moralisch - sicher, es gibt Bessere, aber auf manches kannst du doch stolz sein. Verloren auf keinen Fall, also auch kein Fall für Gott, für den Gott der sucht was verloren ist.
Allerdings, gemessen an dem, was möglich gewesen wäre, wenn das vorhandene Talent so intensiv trainiert worden wäre wie das von Thomas Müller oder Özil, wenn im Beruf die Zielstrebigkeit des Anfangs durchgehalten hätte, wenn die kulturellen Möglichkeiten und Angebote wirklich genutzt worden wären, und moralisch manches anders gelaufen wäre, gemessen an dem sind wir alle wohl recht klein. Denn der Sieg auf dem Fußballfeld (selbst wenn man "der Kaiser" wird) wiegen das Versagen in der Ehe nicht auf und das hohe politische Amt nicht die Korruption oder die Untreue.
Mal angenommen ...
Und angenommen, da wäre wirklich ein Gott, der mich geschaffen hat, als Entwurf für etwas wirklich Großes, ein Gegenüber zu seiner Heiligkeit und seiner Liebe - da könnte ich mir durchaus als verlorener Sohn vorkommen, selbst wenn ich mit diesem oder jenem zur ersten Liga gehöre.
Cacau,
als Fußballer-Bekenntnisse auf dem Spielfeld noch nicht verboten
waren
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Für alle, die sich da wiedererkennen, hat Jesus ein Gleichnis erzählt, vom "verlorenen Sohn" - das "Evangelium im Evangelium" wird es genannt. Der jüngere von zwei Söhnen war mutig und tapfer ausgezogen, gut ausgestattet mit seinem Erbteil, das er sich auszahlen ließ. "Was kostet die Welt" dachte er und lebte drauflos. Bald war er bankrott und landete bei den Schweinen, als Hirte.
Da besann er sich auf seinen Vater, dessen Knechte viel besser gestellt waren als er. Er kehrte um und ging zurück, um bei ihm zu arbeiten. Ständig hatte der Vater Ausschau gehalten nach seinem verlorenen Sohn, nun lief er ihm entgegen, umarmte ihn und nahm ihn auf, ja er veranstaltete ein richtiges Freudenfest. "So wird Freude sein im Himmel über einen Sünder der Buße tut" sagt Jesus, sogar mehr als "über 99 Gerechte, die der Buße nicht bedürfen."
Wer seine Freiheit wagt und ausbricht aus der Geborgenheit des Gewohnten, der alltäglichen Beziehungen - der steht in der Gefahr, seine Freiheit zu missbrauchen und zu scheitern, innerlich oder äußerlich, oder beides. Wer einer das erkennt und umkehrt in die gebrochene Beziehung, dann ist das "Buße", "Umkehr". Natürlich riskiert er den Spott, die Häme und die Verurteilung derer, die aus Feigheit oder Trägheit oder einfach so zuhause geblieben waren - doch in den Augen des Vaters und in seinem Herzen ist dieser Sohn unendlich kostbar. Für Gott bin ich so kostbar, dass er seinen eigenen Sohn hingab, damit ich es wage, so zu ihm zu kommen wie ich wirklich bin, egal ob ich bis ins Achtelfinale, ins Halbfinale oder sogar bis zum Sieg geschafft habe, vielleicht auch in der Vorrunde ausgeschieden bin. An die 300.000 haben in Berlin gejubelt (und Millionen insgesamt) als Özil das Tor zum Sieg geschossen hat - für uns! Auch bei Müller, bei Klose und den anderen.
Es war ein unvorstellbares Finale, in das sich Jesus da hinein gewagt hat
auf Golgatha - für uns!
Und, wie die Fans im Stadion, in Berlin und überall, so freuen sich die
Engel im Himmel über jeden, der das erkennt und annimmt, der zum "Jesus
Fan" wird.
Gott fragt Dich nicht: "Was bedeute ich dir?" Er sagt: "So
kostbar bist Du für mich!"
"Der Gott, den Nietzsche gemeint hat, ist tot - Jesus Christus lebt" - das wäre vielleicht ein passender Schluss in einer christlichen Sendung.
Unsere Mannschaft dürfen wir mit unseren Gebeten begleiten ins nächste Spiel - so, wie die Spanier ihre Mannschaft. Wenn beide am Mittwoch mit Gottvertrauen und gesundem Selbstvertrauen ins Halbfinale gehen, kann es ein wunderbares Spiel werden- vielleicht sogar das Vorspiel zum Wunder von Südafrika.
Dr. Hans Frisch