Pfingsten 2010gesendet am 24.05.2010 von Dr. Hans Frisch |
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Am Sonntag vor dem Himmelfahrtstag haben wir nach Shanghai geschaut und über die Kugel im deutschen Pavillon gestaunt - eineinhalb Tonnen schwer lässt sie sich wie durch Geisterhand durch gemeinsames rhythmisches Rufen oder rhythmische Bewegungen der Besucher ins Schwingen versetzen.
Da sollte man einmal die Fankurve des Club hinbringen, die versetzt sogar die Tribüne in gefährliche Schwingungen - die Kugel auf der Expo würden die zum Tanzen bringen. Die Kugel auf dem Fußballfeld wird zwar von den Spielern bewegt, doch die Begeisterung der Fans spielt mit - und am vorigen Sonntag in Augsburg, da warfen sich die Spieler vor ihren Fans nieder, wie Priester vor der Gottheit - dankbar für den so wichtigen Sieg. Wie besoffen tanzten da erwachsene Spieler auf dem Platz und im Lärm verstand niemand sein eigenes Wort - aber alle verstanden die Begeisterung: "Der Abstieg ist verhindert, wir bleiben erstklassig."
Wir feiern Pfingsten, das Fest des Geistes. Damals vor fast 2.000 Jahren, da ging es auch um die Frage Abstieg oder Aufstieg, dort im Tempel von Jerusalem, in einem Bauwerk von der Größe des Nürnberger Stadions, auf einem Platz, fast exakt so groß wie ein Fußballfeld, umgeben von Säulenhallen. Zehntausende Besucher, zum Teil von weit her, fast wie bei einer WM, die erleben da plötzlich eine Mannschaft von 11 Männern, die wie betrunken erscheint. Sie rufen laut durcheinander, doch viele, aus den verschiedensten Heimatländern, verstehen: "Die verkünden die Herrlichkeit Gottes". Andere meinen: "Die sind besoffen." Da spricht der Mannschaftskapitän Petrus - er hatte eine kräftige Stimme, denn es wurde still und die Massen verstanden ihn, auch ohne Mikrofon:
"Ihr Juden, angereiste und Jerusalemer, ich habe euch etwas zu sagen, hört zu. Diese sind nicht betrunken, es ist ja erst früher Vormittag. Was ihr hier miterlebt, das ist das, was der Prophet angekündigt hat: Gott hat seinen Geist ausgegossen." Und er schildert die verheißenen Wirkungen dieses Geistes - als Vorspiel, ehe der "große Tag der Offenbarung Gottes" kommt.
Er erzählt von Jesus, den sie als großen Prediger und Wundertäter erlebt hatten, wie er nach Gottes Willen am Kreuz gestorben war vor 50 Tagen. "Den hat Gott auferweckt, wie es die Propheten angekündigt haben. Des sind wir alle Zeugen. So wisse nun das ganze Haus Israel gewiss, dass Gott diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zum Herrn und Christus gemacht hat."
Wir hätten da wahrscheinlich wenig verstanden, aber Petrus redet zum "Haus
Israel", zu Pilgern, die zum Schawuotfest gekommen waren, dem Gedächtnis
an die Gesetzgebung damals auf dem Berg Sinai, 50 Tage nach dem Auszug aus Ägypten.
Sie kannten die Prophetenworte die er zitiert hatte und sie meinten: "Der
verheißene Messias muss jetzt kommen."
Viele hatten sich vor zwei, drei Jahren taufen lassen von Johannes im Jordan
als Zeichen der Buße und der Vergebung, die sie vorbereiten sollte auf
die Ankunft des Messias. Und Johannes hatte eindeutig Jesus als den Messias
bezeichnet. Sie waren vorbereitet!
Musik
Als sie aber das hörten, ging's ihnen durchs Herz und sie sprachen zu
Petrus und den andern Aposteln: "Ihr Männer, liebe Brüder, was
sollen wir tun?" so beschreibt der Apostelgeschichte die Wirkung dieser
ersten christlichen Predigt.
"Tut Buße und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu
Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr die Gabe des Heiligen
Geistes empfangen" antwortete Petrus.
Wer genau hinschaut, wird es für möglich halten, was dann berichtet
wird: Die nun sein Wort annahmen, ließen sich taufen; und an diesem Tage
wurden hinzugefügt etwa dreitausend Menschen.
Fast 50.000 Menschen waren beim Spiel gegen Augsburg im Stadion - so viel dürften
auch im Tempel gewesen sein. Da sind 3000 gerade mal 6 % - und das bei einem
Gottesdienst, zu dem viele von weit her gekommen waren, es mit ihrem Glauben
also ernst nahmen. Auch viele von Johannes Getaufte waren dabei und eine ganze
Reihe wahrscheinlich von Jesus oder seinen Jüngern Getaufte, denn eine
Zeit waren die auch am Jordan geblieben und hatten getauft.
Wenn einige von denen den Anfang gemacht haben, dann konnte daraus durchaus
eine solche Massentaufe werden - auch rein psychologisch betrachtet.
Wer sich nicht vorstellen kann, wie ein "Geist" Menschenmassen so
ergreifen und bewegen kann, dass sie der Aufforderung eines Einzelnen folgen,
der sollte im Dokumentationszentrum einmal anschauen, wie die Massen auf dem
Zeppelinfeld (und auch in der ganzen Stadt und im ganzen Land) dem Ungeist des
einen Führers folgten. Ähnliches wäre in der jüngeren Geschichte
Russlands und Chinas auch zu sehen - ja in der ganzen Menschheitsgeschichte.
Diese Begeisterung durch einen Ungeist und die Ausschüttung des Heiligen
Geistes damals in Jerusalem unterscheiden sich aber total. Während hier
aus den vielen Einzelnen eine berauschte Masse wird, die ihrem Führer ins
Verderben folgt, wurden damals aus der feiernden Masse die Einzelnen gerufen
zur Buße - das meint absolut wahrhaftige Selbstprüfung - und zur
Taufe - zur verbindlichen, selbstverantwortlichen Entscheidung.
"So werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen" versprach
Petrus, "nicht mir werdet ihr folgen, sondern direkt von Gott geführt
werden" bedeutet das.
Auch die Folgen werden beschrieben in der Apostelgeschichte.
Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft
und im Brotbrechen und im Gebet.
Es kam aber Furcht über alle Seelen und es geschahen auch viele Wunder
und Zeichen durch die Apostel.
Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle
Dinge gemeinsam.
Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem
es einer nötig hatte.
Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das
Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und
lauterem Herzen
und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Der Herr aber fügte
täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden.
"Urkommunismus" wird das oft genannt, dieser Taumel der Gemeinschaft.
Selbstverständlich konnte es nicht gut gehen, wenn Kapital und Grundbesitz
gemeinsam verbraucht wird, und es ging nicht gut.
Bald musste Paulus in den neu entstandenen Gemeinden der Heidenchristen betteln
für die Gemeinde in Jerusalem - doch wären diese Gemeinden ohne Jerusalem
gar nicht entstanden.
Und, wer bei der ersten großen Liebe nicht unvernünftig wird, der
ist eigentlich arm, ganz gleich, wie reich er ist.
40 Jahre später war Jerusalem zerstört, alle Bewohner waren vertrieben,
und kein Besitzanspruch hatte überdauert. Die Christen in ihrer Begeisterung
hatten das Bestmögliche damit gemacht.
Musik
"Geht uns das etwas an, was damals geschehen ist in Jerusalem?" wird
vielleicht mancher fragen.
"Was geht mich mein Geburtstag an?", das wäre eine ähnliche
Frage.
"Die Geburt der Kirche" wird dieses erste Pfingstfest bezeichnet,
denn dort hat die Kirche, die Gemeinde Jesu Christi ihren Anfang. Sie wuchs
schnell, so wie ein Säugling, der seine Größe und sein Gewicht
in kurzer Zeit verdoppelt. Das Wachstum wurde langsamer, die kindliche Begeisterung
und die kindliche Unschuld gingen verloren, doch der Geist blieb lebendig und
wirksam. Immer wieder hörten Menschen den Ruf: "Tut Buße und
lasst euch sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden"
und sie gliederten sich ein in die Gemeinde, die in der Bibel als "Leib
Christi" bezeichnet wird.
Es ist ein schönes Bild: ein Leib mit verschiedenen Organen und Gliedern
- allein zu einem Lächeln braucht es eine ganze Reihe von Muskeln, und
alle wirken zusammen in einem Geist. Der klügste Kopf käme nicht als
Ziel ohne die Beine, und die größte Kunst wäre bald am Ende
ohne eine gute Verdauung.
Und wenn alles perfekt zusammen spielt und optimal trainiert ist, dann kommt
die wichtigste Frage: "Wozu?" Wovon lässt sich dieser Organismus
antreiben oder verlocken, wofür setzt er seine Kräfte und seine Begabungen
ein? Welcher Geist führt ihn oder beherrscht ihn?
"Tut Buße" hat Petrus damals geantwortet, prüft euch selbst
mit absoluter Wahrhaftigkeit, "und lasst euch taufen", entscheidet
euch freiwillig und verbindlich auf den Namen Jesu Christi.
Wir könnten jetzt wieder beim Club anfangen, ein Name der viele bewegt,
oder Namen nennen, unter denen viel Unheil geschehen ist, um die Bedeutung des
Namens zu sehen.
Der Name "Jesus Christus" wurde auch für manche Schandtat missbraucht,
doch wer ihm wirklich begegnet und sich (mit oder ohne Taufe) mit ihm verbindet,
der wird "die Kraft des Heiligen Geistes" empfangen. Zunächst
jeder für sich, wenn seine Selbstprüfung ihn erkennen ließ,
was er versäumt hat, was er falsch gemacht hat und wo er schuldig geworden
ist an sich selbst und an anderen, und er begegnet keinen Vorwurf keiner Strafe
sondern dem, der bedingungslos für ihn eingetreten ist dort am Kreuz.
Kaum etwas verändert einen Menschen so wie die Erfahrung: "ich bin
geliebt", vielleicht kann nur der Hass damit konkurrieren.
"Kraft des Heiligen Geistes" ist die Kraft der Liebe, zunächst
der erbarmenden Liebe Gottes, die geschenkt ist ohne jede Vorleistung, danach
der Liebe, die uns dadurch möglich wird, auch dort wo normalerweise Liebe
endet oder sogar in Hass umschlägt - denn mein Gegenüber ist von Gott
genauso geliebt wie ich.
Wo dieser Geist wirkt, da bildet sich eine Gemeinschaft "in Jesu Namen".
Man kann sie "die Kirche" nennen, doch haben sich organisierte Gruppen
innerhalb der Gemeinschaft aller Christen diesen Namen zugelegt, zum Teil sprechen
sie sich gegenseitig das Recht an diesem Namen ab. Auch ökumenische Kirchentage
ändern daran wenig.
Nennen wir die Gemeinschaft aller, die sich zu Jesus Christus bekennen und sich
vom Geist Gottes bewegen lassen, "die Gemeinde Jesu", dann können
wir uns freuen an den vielen Gestalten, in denen diese Gemeinschaft in Erscheinung
treten kann, so wie eine gesunde Demokratie nur mit mehreren Parteien lebendig
bleibt.
Eine Gemeinschaft die fast 2000 Jahre alt und die größte Gemeinschaft
der Menschheit ist, die hat schon Grund, ihren Geburtstag festlich zu begehen.
Der Zutritt zu ihr ist frei, und der Gewinn durch die Zugehörigkeit übersteigt
bei weitem die Kosten, wenn mit der eigentlich menschlichen Wertskala gemessen
wird.