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Himmelfahrt 2012

gesendet am 17. Mai 2012 von Dr. Hans Frisch
Himmelfahrtstag 

Es könnte sein, dass heute einige Hörer, die sonst treu AREF einschalten, nicht dabei sind - der Freitag nach Himmelfahrt bietet sich an als Brückentag - da könnte statt Vatertagsausflug ein Kurzurlaub eingeschoben werden.
Es könnte auch sein, dass noch mehr Hörer nicht dabei sind, weil sie einen Vatertagsausflug machen (die Mütter hatten ja ihren Tag schon am Sonntag). Aber wer will, kann es später im Web unter „aref.de" nachlesen.

Himmelfahrt - Dieses Fest fristet ein Schattendasein

Himmelfahrt - zwischen Ostern und Pfingsten fristet dieses Fest etwas ein Schattendasein - mit Weihnachten, vorbereitet durch vier Wochen Adventzeit, kann es schon gar nicht mithalten. Trotzdem, wir sind auf Sendung, und wollen versuchen, da genauer hinzuschauen.
Weihnachten, Dreikönige, Karfreitag und auch Ostern sind gewissermaßen biografische Erinnerungsfeste an das Leben Jesu, von der Geburt bis zum Tod (und der Auferstehung) - wobei in den Evangelien hauptsächlich von den drei letzten Jahren erzählt wird, zuletzt mit Nennung von Tagen und Stunden.
Nach Ostern ist alles anders. 40 Tage lang erscheint Jesus immer wieder einmal den Jüngern, unerwartet, manchmal fast wie ein Gespenst, doch er redet mit ihnen, lässt sich von Thomas anfassen als der nicht glauben will dass er wieder lebt, isst mit ihnen, verschwindet aber plötzlich wieder.
Es klingt wie ein Märchen - doch für die Jünger ist es so überzeugend, dass sie danach öffentlich verkünden: „Jesus ist auferstanden!"
Sie bleiben dabei, auch als man sie bedroht, sogar als einige von ihnen gesteinigt werden. So überzeugend waren die Begegnungen mit dem Auferstandenen gewesen.
Es sind die gleichen Jünger, die bei der Verhaftung von Jesus geflohen waren - auch Petrus ist dabei, der, während Jesus vor dem hohen Priester verhört wird, leugnet, ihn zu kennen - dreimal, zuletzt: „Verflucht will ich sein, wenn ich ihn kenne." Der wird zu Pfingsten so von Christus dem Auferstandenen reden, dass 3000 sich taufen lassen und die Kirche ihren Anfang hat.
Das war vor fast 2000 Jahren - und heute ist es Thema bei uns.
Du hast Recht, Thema sollte sein „Himmelfahrt", und ich rede von der Zeit nach Ostern. Doch das gehört zusammen - so wie Advent und Weihnachten (man könnte sagen, wie Schwangerschaft und Geburt).
Ganz verborgen fing es an, das Neue. Eingeschlossen hatten sich die Jünger „aus Angst vor den Juden" schreibt Johannes. Da „kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch!“
Lukas erzählt von zwei Jüngern, die gleich am ersten Tag der Woche - also am Ostersonntag - aufgebrochen waren nachhause, nach Emmaus. Traurig und enttäuscht. Drei Jahre waren sie diesem Jesus von Nazareth gefolgt, der ein Prophet war, „mächtig in Taten und Worten vor Gott und allen Menschen", nun war er tot, und ihre Hoffnung, er wäre der verheißene Erlöser für Israel, der das Reich Gottes bringt, diese Hoffnung war mit ihm gestorben.
Da gesellt sich einer zu Ihnen, fragt nach ihrer Traurigkeit und erklärt ihnen dann, dass der Tod nicht das Ende war, sondern die Erfüllung der Verheißung.

„Von Mose bis zu den Propheten" legt er ihnen aus, was von ihm, dem leidenden Gottesknecht gesagt war.
Als sie ihn, in Emmaus angekommen, zum Bleiben einladen, da erkennen sie ihn als den Auferstandenen an der Art, wie er das Brot brach, so wie er es drei Tage vorher beim Abendmahl getan hatte.
„Ihnen zeigte er sich nach seinem Leiden durch viele Beweise als der Lebendige und ließ sich sehen unter ihnen vierzig Tage lang und redete mit ihnen vom Reich Gottes“ so fasst die Apostelgeschichte diese Zeit nach Ostern zusammen und berichtet dann von der Himmelfahrt.
Endlich sind wir soweit und wollen nach der Musik da hinschauen.

Musik

Der Versuch, Himmelfahrt ins Licht zu rücken

Zwischen den Festen des Kirchenjahres fristet Himmelfahrt etwas ein Schattendasein - wir wollen versuchen, es ein wenig ins Licht zu rücken.
Das Ereignis selbst ist denkbar unspektakulär, Matthäus und Johannes berichten es gar nicht, Markus schreibt: „Nachdem der Herr Jesus mit ihnen geredet hatte, wurde er aufgehoben gen Himmel.“
Lukas: Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Und die Apostelgeschichte: „Und als er das gesagt hatte, wurde er zusehends aufgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen weg.“
Immerhin berichtet sie noch von zwei Männern in weißen Gewändern, die den Jüngern ankündigen, dass er wiederkommen wird.
Kein Engelsgesang wie Weihnachten, kein wunderbarer Stern wie an Dreikönige, kein Erdbeben wie am Karfreitag, keine Feuerflammen wie Pfingsten - wie soll daraus ein Fest werden: „Er wurde aufgehoben und verschwand."
Nur wenn Karfreitag, Ostern und Pfingsten dazu gesehen werden, ist Himmelfahrt als großes Ereignis zu erkennen.
Die Bewegung um Jesus mit dem „Hosianna, gelobt sei der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel" am Palmsonntag, die war zusammengebrochen am Karfreitag: „Kreuzige ihn!" hatten die Massen geschrien. Die Jünger waren geflohen und Jesus hatte gebetet, dass wenigstens Petrus sich dereinst, nach der Katastrophe von Golgatha, bekehrt, dass er begreift, was da wirklich geschehen ist. Denn wenn der es nicht versteht, die anderen werden es sicher nicht erkennen.
Mit diesem Gebet geht Jesus in den Tod, und er weiß: „Dieser Petrus wird von seiner Angst überwältigt werden und mich verleugnen."
Es ist wirklich ein Nullpunkt, durch den Jesu Weg hier geht, und bei Null fängt das Neue an, nach Ostern.
Es sind die 50 Tage des „Omerzählens" für die Juden, zwischen Pessach und Schawuot, dem Fest der Gesetzgebung. Jeden Abend - am Beginn des neuen Tages für die Juden - wurde beim Abendgebet der neue Tag begrüßt: „Dies ist der erste Tag des Omer", „dies ist der zweite Tag", bis zum 49. Tag, und auch die Jünger haben es so gehalten - deshalb ist wohl so in Erinnerung geblieben, dass am 40. Tag Jesus von ihnen aufgehoben wurde.

Nach 40 Tagen war Mose damals vom Berg Sinai zurückgekommen mit den Gesetzestafeln, 40 Tage war Jesus nach seiner Taufe in der Wüste und wurde versucht, 40 Tage lang ließ Jesus sich sehen unter seinen Jüngern nach Ostern und redete mit ihnen vom Reich Gottes.
Eine Linie, die im Koordinatenkreuz durch den Nullpunkt geht, befindet sich in einem neuen Bereich, sie kommt vom Minus ins Plus (oder umgekehrt), vom „Vorher" ins „Nachher" (wenn die X-Achse die Zeit ist) eigentlich vom „Davor" ins „Jetzt".
Das könnte ein Bild sein für damals: Der Prozess, der Weg, der mit dem Einzug in Jerusalem sich dem Ziel näherte, der Erwartungsebene der Massen - Befreiung des Volkes - der war am Ende. Diese Erwartungen waren erloschenen dort am Kreuz.
Doch der Prozess, der Weg, ging weiter in einer neuen Wirklichkeit, zunächst noch nahe bei Null, doch stetig steigend - bis in unsere Zeit, bis in mein Leben, bis in diese Sendung.

Wenn man die Steigung einer Geraden bestimmen will, dann muss man auf der X-Achse einen Punkt wählen, und dazu den Y Wert bestimmen. So könnte fast mathematisch Himmelfahrt gedeutet werden: Nach 40 Tagen war geklärt, dass der Prozess, der Weg, der ans Kreuz geführt hatte, nicht zu Ende war sondern ungebrochen weiter ging ins Reich Gottes. Jetzt konnten die Jünger weiter zählen bis zum „50. Tag des Omer" und da konnte Petrus zu Pfingsten die Funktion erklären, wie ein guter Mathematiklehrer, einfach und verständlich: Er zeichnet die Linie der Verheißungen und Erwartungen nach - von David über die Propheten bis zu Jesus und zum Kreuz - und dann über den Nullpunkt hinaus: „So wisse nun das ganze Haus Israel gewiss, dass Gott diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zum Herrn und Christus gemacht hat.“ schließt er seine Pfingstpredigt.
„Da ging es ihnen durchs Herz“ geht der Bericht von weiter, und 3.000 lassen sich taufen - es entsteht die erste Christengemeinde in Jerusalem.

Musik

Der Brennpunkt

Das Bild mit der Geraden im Koordinatenkreuz ist doch etwas zu mager. Besser wäre ein Fokus als Vergleich.
Im Brennpunkt der Linse treffen sich alle Strahlen eines Bildes - auf dem Film oder der Mattscheibe ist das Bild umgekehrt sichtbar, was oben war ist unten, was rechts war ist links. Doch direkt im Fokus, da ist das ganze Bild in einem Punkt zusammen - schwer vorstellbar!
So kann man das Kreuz sehen: Alle Strahlen der Religionsgeschichte Israels kommen hier zusammen, das Gesetz und die Propheten (eigentlich auch die Strahlen der Vorgeschichte Israels) - und danach ist das Gleiche alles anders. Was oben war, berühmt und hoch stehend, gilt nichts - die Niedrigen, die „Sünder und Zöllner“ werden wichtig. „Ich bin gekommen um Sünder selig zu machen“ sagt Jesus.
Wer im Recht ist, kann daraus keinen Rechtsanspruch ableiten, die vergebene Schuld hat Gewicht. „Ihr ist viel vergeben, denn sie hat viel geliebt“ so sagt Jesus von einer Prostituierten, welche die frommen Pharisäer blamieren wollen.
Am Kreuz geschieht das Unmögliche:
Der absolut gerechte Gott ist absolut gnädig - obwohl sich beides, Gerechtigkeit und Gnade, doch ausschließt.
Der Allmächtige wird ganz ohnmächtig, er stirbt, verhöhnt und verspottet.
Der Allwissende hofft, dass sein Geschenk angenommen wird in völlig freier Entscheidung.
In der Physik gilt ein solcher Zustand, in dem alles beisammen ist als „Singularität“, ein Zustand konzentriertester Energie, wie der Urknall. Deshalb bezeichne ich das Kreuz als „Urknall des Heils“.
Die Expansion des Universums und die Prozesse in ihm sind seit dem Beginn schier unerschöpflich, seit 13 Milliarden Jahren. Die Expansion und die Prozesse im Reich Gottes, das damals in die Welt kam, sind seit fast 2000 Jahren schier unerschöpflich, obwohl Jesus damals nur zwölf Jünger zurückließ - allerdings mit dem Auftrag: „Geht hin in alle Welt!“
Noch besser als der „Fokus“ und der „Urknall des Heils“ gefällt mir aber das Bild des Keims. Immer wieder fällt es mir ein, wenn wir im Park an unserer mächtigen Eiche vorbeigehen - 350 Jahre ist sie alt und fünf Mann sind nötig, sie zu umarmen.
Ihr Beginn war eine Eichel, die in dem Boden kam. Sie schob einen kleinen Keim nach oben und winzige Wurzeln nach unten. Als der Keim ans Licht trat, da entfaltete er zwei Blätter, und damit war die Eiche in der Welt - nichts Neues ist dazu kommen, in jedem Blatt lebt die gleiche Erbinformation weiter.
Mit Lichtenergie wird CO2 gespalten, der Sauerstoff geht in die Atmosphäre zurück und aus dem Kohlenstoff und den Mineralien, welche die Wurzeln aus dem Boden holen, wird Baumsubstanz - noch und noch, wieder und wieder. Auch in diesem Frühjahr steht der alte Baum in frischem Grün mit unzähligen lebendigen Blättern.

Wie gesagt, das ist für mich das schönste Bild für „Reich Gottes“ und für „Kirche“ - besser „Gemeinde Christi“. Solange die Erbinformation lebendig bleibt, werden immer wieder Menschen sich ins Licht des Evangeliums entfalten und wird das Wachstum weitergehen. In diesem Jahr haben sich in China zu Ostern 22.000 Menschen taufen lassen, allein in der katholischen Kirche (so lautete eine Radiomeldung). Für die unzähligen Hauskirchen in diesem Land gibt es kaum Zahlen. Und in allen geht das Wachstum weiter, das damals begann, als der Keim in diesen 40 Tagen ans Licht trat und die Jünger bei der Himmelfahrt den Auftrag des Christus annahmen: „Geht hin in alle Welt.“

Ich glaube, das ist durchaus Anlass für ein Fest im Kirchenjahr.