Paulus und seine Umwegegesendet am 13.06.1999 von Dr. Hans Frisch |
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Lichtblick in die Bibel - zum Thema Umweg ?
Da bietet sich vieles an: Von Abraham, der auf Umwegen ins Land der Verheißung zieht, über die Kinder Israel, die über den Umweg in die Zwangsarbeit bei den Ägyptern und eine 40 Jahre dauernde Wüstenwanderung ins gelobte Land kommen; durch die Geschichte des Volkes, in der Gott erst nach unendlich vielen Abwegen und Umwegen mit seinem Volk an sein Ziel kommt. Selbst der Weg Jesu zeigt Umwege - allerdings wird hier deutlich, wie präzise diese in den richtigen Weg passen.
Einen Vielwanderer wollen wir ein Stück begleiten, sein Umweg dürfte
die Weltgeschichte nicht wenig beeinflußt haben. Die Apostelgeschichte
berichtet von Paulus und seinem Begleiter: 16,6-8
6 Sie zogen aber durch Phrygien und das Land Galatien, da ihnen vom heiligen
Geist verwehrt wurde, das Wort zu predigen in der Provinz Asien.
7 Als sie aber bis nach Mysien gekommen waren, versuchten sie, nach Bithynien
zu reisen; doch der Geist Jesu ließ es ihnen nicht zu.
8 Da zogen sie durch Mysien und kamen hinab nach Troas.
Es ist gar nicht einfach, den Weg auf der Karte zu verfolgen. Aber das Wesentliche ist zu erkennen! Fangen wir von vorn an - nicht ganz von vorn, wo Paulus auf dem Weg nach Damaskus seine Begegnung mit Jesus hat und aus dem jüdischen Eiferer gegen die neuen Sekte der Christusgläubigen selbst ein Christ wird. Auch nicht bei den drei Jahren der Besinnung in irgendwelchen arabischen Ländern.
Unser Anfang der Geschichte ist in Antiochia - der drittgrößten Stadt der griechisch-römischen Welt, im heutigen Libanon gelegen. Dort gab es eine Christengemeinde, und dort landete Paulus. Von hier aus wurde er auf seine Missionsreisen ausgesandt in Begleitung von Barnabas später Silas und auch Lukas, dem Arzt. Zuerst waren sie nach Zypern gesegelt, hatten in den Synagogen die frohe Botschaft von Jesus Christus verkündet, dann zogen sie durch den Süden der heutigen Türkei.
Die Juden lehnten sie ab, Paulus wurde sogar gesteinigt -. Viele Nichtjuden hielten sich zur Synagoge - und bei denen kam die Botschaft an. So entstanden dort die ersten heidenchristlichen Gemeinden. Da war es nicht so ruhig-besinnlich wie in unseren Kirchen. Da geschahen Heilungen und andere Wunder, da herrschte Begeisterung und Freude, da wurden Menschen völlig erneuert, befreit von Ängsten und Bindungen, frei zu brüderlicher Beziehung.
Als sie von dieser Reise zurückgekehrt waren, freuten sich die Christen in Antiochia mit ihnen über das, was dort geschah. Aber die Freude wurde getrübt - Judenchristen aus Jerusalem tauchten auf und verlangten: "Ihr müßt euch beschneiden lassen, müßt Juden werden, wenn ihr Christen sein wollt."
"Einen nicht geringen Streit" hatten Paulus und Barnabas mit diesen Superfrommen. Sie wurden dann nach Jerusalem geschickt, um die Frage zu klären mit den Aposteln, besonders mit dem Oberapostel Petrus. "Da man sich aber lange gestritten hatte", fand man einen Kompromiß: die Judenchristen sollten fromme Juden bleiben, die Heidenchristen sollten vom jüdischen Gesetz befreit sein. Mit dieser Botschaft kehrten sie zurück nach Antiochia.
Musik
Lange hielt es Paulus nicht in Antiochia. Schon bald machten er sich auf zu einer zweiten Missionsreise, diesmal mit Silas: Zunächst zu den jungen, neu entstandenen Gemeinden, und dann weiter, nach Norden ins Gebiet der heutigen Zentraltürkei - die Provinz Asia. Aber irgendwie ging es hier nicht weiter. "Dann halt nach Nordost", durch Galatien und Phrygien, Richtung Schwarzmeer in die Küstenprovinz Bythinien. "Und der Geist Jesu ließ sie nicht" steht in der Apostelgeschichte. Also: abbiegen, Richtung Westen bis an die Küste des Ägäischen Meeres.
Nach einem Marsch von 1.500 km durch das gebirgige Land endlich an einer Urlaubsküste. Wahrscheinlich war aber die Reisekasse leer und Paulus hielt Ausschau nach einer Zeltmacherwerkstatt, um etwas zu verdienen. Da kam ihm ein Traum dazwischen:
Apg 16,9 Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: ein Mann aus Mazedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns! Und ab ging die Fahrt, hinüber zum griechischen Festland. In Philippi, der Hauptstadt des südlichen Mazedonien - da machten sie Rast, und hier bekehrte sich Lydia, eine Purpurkrämerin: "Die erste Christin auf europäischem Boden" so wird sie meist genannt. Als wohlhabende Kauffrau war sie natürlich Autorität in ihrem Haus, und so wurde ihr ganzes Haus mit ihr getauft. Sie lud die Missionsreisenden in ihr Haus - das hätte erholsam werden können. Aber, eine Magd, die ihrer Herrschaft als spiritistisches Medium viel Gewinn einbrachte, die lief ihnen ständig auf der Straße nach und rief laut: "Diese Menschen sind Knechte des allerhöchsten Gottes, die euch den Weg des Heils verkündigen." Da "heilte" Paulus sie von ihrem Wahrsagegeist - sehr zum Ärger ihrer Herrschaft. Die hetzte das Volk auf - Paulus und Silas wurden mit Ruten ausgepeitscht und ins Gefängnis geworfen. Doch nachts öffnete ein Erdbeben die Türen und sprengte die Ketten. Als der erschrockene Wärtersah, daß die Gefangenen nicht geflohen waren, fragte er nach ihrer Botschaft und wurde Christ. Er bewirtete sie und versorgte ihre Wunden.
Bald zogen sie weiter, noch 650 Kilometer. Entlang der griechischen Küste über Tessalonich bis nach Athen und weiter nach Korinth, immer predigend und missionierend. Und es entstand eine Reihe von Christengemeinden auf ihrem Weg. So brachte der lange Umweg den christlichen Glauben in die griechische Welt. Und die Gemeinden wuchsen schnell. Bei seiner nächsten Reise durch die neuen Gemeinden, da legten diese schon ein beachtliches Opfer für die notleidende Urgemeinde in Jerusalem zusammen.
Die Geschichte läßt sich nicht umkehren, auch Kirchengeschichte nicht. So kann niemand wissen, wie es weiter gegangen wäre, wenn Paulus den Umweg nicht gemacht hätte sondern nach Nord Osten weiter gezogen wäre, Richtung Schwarzes Meer.
Zu einigen griechischen Städten wäre er noch gekommen, dann wäre sein Weg wohl zur Sackgasse geworden, denn die Vorstellungswelt der nomadisch lebenden Stämme des Ostens, Barbaren und Skythen, war nicht so reif für das Evangelium wie die griechische Welt.
Sicher, 100 Jahre später gab es auch an dieser Küste Christengemeinden, noch später wird Armenien der erste christliche Staat. Aber da lag das Zentrum der kirchlichen Autorität und später der kirchlichen Macht schon in Rom - unter Führung der Petrusnachfolger.
Ob das Evangelium der Freiheit, wie es Paulus als Heidenapostel an vielen Orten einpflanzte, ob dieses lebendig geblieben wäre unter dem judenchristlichen Einfluß des Petrus und seiner Nachfolger, das erscheint fraglich.
So hat der Umweg, den Paulus gegangen ist, die weitere Entwicklung des Christentums ganz entscheidend geprägt. In der Reformation hat seine Botschaft: "Allein durch Gnade", eine Art Auferstehung erlebt, und so wirkt sie auch direkt in unserer Zeit und in unserem Land. Über das "Christliche Abendland" könnten wir zur Europawahl kommen, aber das wäre ein zu gewollter Umweg.
Dr. Hans Frisch