Es könnte ja sein, daß einige Zuhörer dabei waren,
als wir in der Sendung nach dem Terroranschlag
vom 11. September versuchten, auf einer Phantasiespur den Weg
eines freundlichen, intelligenten, hilfsbereiten, stets lächelnden
Hamburger Studenten der Stadtplanung zum Selbstmordattentat am Steuerknüppel
eines Verkehrsflugzeugs zu folgen. Das aufgetauchte Testament von
Atta, die weiteren Informationen, die Stellungnahmen von Kennern
zeigen, daß diese Fantasiespur gar nicht so weit von der wahrscheinlichen
Wirklichkeit entfernt war.
"Um den Hintergrund etwas besser zu verstehen, müßte
man den Koran kennen" - so dachte ich - und habe mir diese
"Bibel" des Islam aus dem Internet heruntergeladen. Vers
für Vers bin ich die 114 Suren am Bildschirm durchgegangen
- und habe die für mich wichtigen Verse herauskopiert. Es wurde
eine phantastische Entdeckungsreise.
So könnte es jemand gehen, der voller Vorurteile gegen das
Christentum ist - er kennt ja etwas von der Kirchengeschichte mit
Inquisition, Wissenschaftsfeindlichkeit, verklemmter Sexualmoral
und manches andere - wenn so jemand zum ersten Mal das Evangelium
wirklich liest. Nun teile ich zwar die in manchen christlichen Kreisen
herrschenden Vorurteile gegen den Islam nicht, ich kannte sogar
einzelne Zitate aus dem Koran, die Hochachtung gegenüber Jesus
und Maria ausdrücken, doch hatte ich es noch nie geschafft,
den Koran ernsthaft zu lesen.
Keine Angst, das soll jetzt nicht eine Koranlesung werden, auch
keine Vorlesung über den Islam, noch weniger eine Missionsstunde
für diese Religion - aber, wenn man die Vorurteile, die Missverständnisse,
die Verdrehungen und bösen Verleumdungen hört und liest,
die von Christen gegenüber dem Koran und dem Islam vorgebracht
werden, dann ist der Versuch einer Klärung dringend angezeigt.
Alle Zuhörer, die genau Bescheid wissen, bitte ich abzuschalten
oder weg zu hören - zumindest um Nachsicht möchte ich
sie bitten bei meinem recht subjektiven und laienhaften Versuch,
zum Verständnis beizutragen.
Die Geschichte des
Islam beginnt "um 610 n.Chr.",
die Geschichte im Koran beginnt vor 4.000 Jahren mit Abraham
Die Geschichte des Islam beginnt - "um 610 nach Christi"
wird mancher meinen, "als Mohammed seine ersten Offenbarungen
von Gott erhielt" - sie begann vor 4.000 Jahren, als Abraham
den einen Gott entdeckte, oder richtiger, als Gott sich Abraham
offenbarte. ABRAHAM war der erste Muslim - so steht es im Koran.
Damit ist schon ein erstes Missverständnis beantwortet: "Wer
ist Allah?" "Allah ist ein Götze" tönt
es aus mancher christlichen Veröffentlichung.
"Allah ist der Gott Abrahams Isaaks und Jakobs sagt die Bibel
und sagt der Koran". "Und der Gott Ismaels" - höre
ich den Einwand. Ja, aber das sagt die Bibel ja auch - denn auch
der Sohn der Magd hat eine Verheißung Gottes.
Wer da jetzt nicht mitkommt, der sollte noch mal im ersten Buch
Mose die Abrahamsgeschichte lesen. Da wird erzählt, wie Abraham,
als Sarah jenseits der Wechseljahre nicht mehr mit Nachwuchs rechnen
konnte, sich mit Hagar, der leibeigenen Magd einen Sohn anschaffte,
den Ismael. Als dann, gegen alles Erwarten, Sarah den Isaak bekam,
da war der Streit um das Erstgeburtsrecht natürlich programmiert.
Ismael gilt als Stammvater der Araber wie Isaak als Stammvater der
Juden - und es ist schwer, in den heutigen Konflikten nicht an in
diesen Erbstreit zu denken.
MUSIK
Erst
mit dem Islam bekommen die Araber ihre Geschichte
Die Geschichte der Juden ist allgemein bekannt, die Geschichte
der Araber liegt ziemlich im Dunkel - erst mit dem Aufkommen des
Islam tritt sie ins Licht. Das ist in doppelter Hinsicht zutreffend.
Im Dunkel des historischen Bewusstseins liegen die Entwicklungen
der arabischen Stämme, die Jahrtausende lang auf der arabischen
Halbinsel lebten - zunächst in den fruchtbaren Randgebieten,
danach, mit der Zähmung des Kamels als Nomaden in den Weiten
der Wüstengebiete. Auch im geistigen Dunkel blieben diese Stämme
- sie hatten keinen Anteil an der religiös geistigen Entwicklung
in der jüdisch-christlichen Welt des Abendlandes. Es ist nicht
sicher, wann, aber sehr spät spielte die schriftliche Kultur
eine Rolle in einem System von lose verbundenen oder zeitweise verfeindeten
Stämmen, zwischen denen der Tauschhandel die Regel war und
deren religiöse Ideen und Bräuche nur wenig Übereinstimmendes
hatten. Es gab zentrale Heiligtümer, alte Bäume, ein roter
Stein, ein weisser Stein und der schwarze Meteorstein in Mekka -
aber der an diesen Orten geltende Religionsfriede war begrenzt und
befristet.
Es gab auch einen höchsten Gott - "al illah" - daneben
aber über 300 Götzen, zum größten Teil mit
astrologischer Bedeutung. Umgeben war das Gebiet dieser Stämme
von den kultivierten Randgebieten - und hier gewannen christliche
Strömungen Raum: Im Jemen vom afrikanischen Abessinien aus
die Monophysiten, von Persien aus die Nestorianer, vom byzantinischen
Syrien aus die Katholiken und dazu noch reichlich Juden. Doch das
arabische Zentrum blieb davon weitgehend unberührt. Auf den
Handelswegen durch die Wüste fiel etwas von dem Reichtum der
umgebenden Welt für die Wüstenstämme ab, als Schutzgeld
oder als Beute bei einer "Razzia", dem Überfall auf
eine Karawane oder eine Siedlung.
Mohammed
kommt in Mekka zur Welt
An der Kreuzung der Nord-Süd Route und der West-Ost Route
hatte sich bei dem Heiligtum der Kaaba mit seinem ergiebigen Brunnen
eine reiche Stadt entwickelt - Mekka. Der Stamm Kureisch hatte sich
hier durchgesetzt und sorgte für Ordnung und Ruhe, was dem
einträglichen Zustrom von Pilgern und dem gewinnbringenden
Durchzug von Karawanen dienlich war. In dieser Stadt wird um 570
Mohammed geboren, sein Vater stirbt kurz vor seiner Geburt. Als
er sechs Jahre ist, stirbt auch seine Mutter und zwei Jahre später
sein Großvater. Sein Onkel nimmt ihn auf und ist ihm wie ein
Vater.
Bald begleitet der Junge als Helfer Karawanen bis nach Syrien später
wird er ein erfolgreicher Karawanenführer. Auch im Mekka gab
es Juden und Christen - doch dürfte er auf seinen Karawanenreisen
ins tiefere Gespräch mit diesen "Schriftbesitzern"
gekommen sein. Die Überlieferung erzählt, dass ein Mönch
in Syrien ihn als Propheten erkannt habe - doch von diesem Amt wusste
Mohammed noch nichts. Mit 25 heiratet er eine reiche Witwe und gründet
eine Familie, und hat für 15 Jahre ein gutes ruhiges Leben.
Da kommt es über ihn. Er geht einsam in die Berge und meditiert
in einer Höhle. Dort packt ihn der Engel Gabriel, betet ihm
Worte vor, die er rezitieren soll und nie vergessen darf - "Trage
vor im Namen Deines Herrn!" - ist der Befehl - und der Engel
erwürgt ihn fast, als er nicht reagiert. Mohamed gibt nach,
zunächst nur im Familienkreis, wo er Zustimmung findet. Dann
öffentlich in Mekka, wo er verspottet wird, abgelehnt und von
den Mächtigen angefeindet.
Als seine geliebte Frau und sein väterlicher Onkel sterben,
beide in einem Jahr, da verliert er den Rückhalt der einflußreichen
Sippe. Im 300 km nördlich gelegenen Medina, dort findet er
Anklang und Anhänger. Dieses große Oasengebiet teilten
sich zwei arabische Sippen, das heißt, sie stritten und kämpften
seit Generationen darum. Hineingezogen in den Streit wurden drei
jüdische Stämme die auch dort lebten. Hier erwies sich
die größere Einheit in der neuen monotheistischen Religion
als einigendes Band.
622 zog Mohammed nach Medina und dort wurde er zunehmend Schiedsrichter
und Friedensstifter, schließlich Leiter einer neuen Gemeinschaft.
In diesem Gebiet, das endlich eine wirkliche Stadt werden konnte
- die schließlich sogar dem Angriff der Mekkaner widerstand.
630 zog Mohammed mit den Seinen siegreich in Mekka ein, und machte
es mit dem Heiligtum der Kaaba zum Mittelpunkt des sehr schnell
wachsenden islamischen Reiches.
MUSIK
Was steht im Koran
? - Mohammeds Offenbarungen
Es ist Zeit von den Offenbarungen und zu reden, die Mohamed gegeben
wurden - denn diese sind Grund und Inhalt des muslimischen Glaubens.
Im Gegensatz zur Bibel, in der viele Geschichten, viele Autoren,
eine Reihe von Propheten, die Evangelien und die Briefe im Neuen
Testament vorliegen, ist der Koran das Reden des einen Gottes zu
dem einen Propheten.
Nun war dieser Prophet nicht ein unbeschriebenes weißes Blatt
- er hatte Kenntnis des Alten Testaments und der Evangelien, wahrscheinlich
durch Erzählungen und Gespräche mit Juden und Christen.
Diese Inhalte werden ihm neu offenbart - so unmittelbar persönlich,
dass sie für ihn absolute Wahrheit sind. Er sieht sich in der
Reihe der Propheten Gottes von Abraham, Ismael Isaak Jakob über
Mose und Jesus - und so finden sich im Koran die Schöpfungsgeschichte,
die Geschichte Abrahams, die Befreiung der Kinder Israel aus der
Sklaverei in Ägypten und der Zug durch die Wüste, die
Gesetzgebung am Sinai und es wird berichtet, wie Gott durch seinen
Geist, durch sein Wort, die Jungfrau Maria zur Mutter Jesu macht,
wie Jesus, schon von der Wiege an (wie es auch in apokryphen Evangelien
erzählt wird) Wunder vollbringt, - "Mit meiner Erlaubnis
hast du Blinde und Aussätzige geheilt und Tote auferweckt"
sagt Allah.
ALLAH hat Jesus das Evangelium gegeben - es ist die Richtigstellung
der von den Juden inzwischen verfälschten Gottesoffenbarung.
Das alles ist nicht Meinung Mohammeds - im ganzen Koran findet sich
keine persönliche Aussage des Propheten. Es ist Gottes Offenbarung.
Argumente gegen andere Meinungen oder gegen andere Aussagen legt
Allah dem Propheten und den Gläubigen in den Mund: "Sagt!"
So zum Beispiel "Sagt: 'Wir glauben an Gott und (an das),
was (als Offenbarung) zu uns, und was zu Abraham, Ismael, Isaak,
Jakob und den Stämmen (Israels) herabgesandt worden ist, und
was Mose und Jesus und die Propheten von ihrem Herrn erhalten haben,
ohne dass wir bei einem von ihnen (den anderen gegenüber) einen
Unterschied machen. Ihm sind wir ergeben.' Und wenn sie an das gleiche
glauben wie ihr, sind sie rechtgeleitet. Wenn sie sich aber abwenden,
sind sie eben in der Opposition. (Sure 2. Die Kuh Vers 136)
Bibel
im Blick der Moslems
So sehr war Mohammed von der Übereinstimmung der ihm gegebenen
Offenbarung mit der früheren Offenbarung Gottes überzeugt,
dass er fest damit rechnete, dass Juden und Christen ihm zustimmen
würden. Die Unterschiede zwischen seinen Offenbarungen und
der Bibel sah er als Verfälschungen der wahren Offenbarung
an, die schon durch das an Jesus übergebene Evangelium und
letztgültig durch die Offenbarung des Koran korrigiert wurden.
Im Koran ist diese Offenbarung einfach, schön und überzeugend:
"Allah ist der eine Gott, er will das die Menschen an ihn glauben
und sich in Hingabe seinem Willen unterwerfen im Gebet, in guten
Taten, in Gehorsam. Solche Gläubige nimmt Allah ins Paradies
auf." Die Ungläubigen kommen in die Hölle - und die
wird noch bunter geschildert als das Paradies.
Die Entscheidung fällt beim Jüngsten Gericht. Solange
der Mensch lebt, hat er die Chance zu Allah zu kommen, denn ER ist
der Barmherzige und der Vergebende.
Sicher, es kommen noch Ausführungsbestimmungen dazu, besonders,
als in Medina gesellschaftlich-politisch-militärische Probleme
zu lösen waren.
Erbschaftsregelungen, Ehefragen, rituelle Bräuche und Gebote,
Auseinandersetzung mit den Ungläubigen und mit Feinden und
vieles mehr war da zu klären - und schließlich war der
Koran zu einem Regel- und Gesetzeswerk gewachsen, dass eine weltumspannende
Glaubensgemeinschaft zu einer Einheit bringt. Aber jede Aussage
beginnt oder endet mit dem "Namen Allahs, des Barmherzigen
und Gnädigen" - in den 114 Suren 141 mal. Das Wort "barmherzig"
kommt im Koran doppelt so oft vor wie in der Bibel und von "Vergebung"
und "vergeben" wird im Koran 216 mal, in der Bibel 140
mal geredet.
Die
Unterschiede - Was im Koran im Gegensatz zur Bibel nicht vorkommt
Was im Koran nicht vorkommt ist die Offenbarung Gottes in der und
durch die Geschichte seines Volkes, ist die Realisierung, die Fleischwerdung
SEINER Gnade im Leben, Leiden und Sterben von Jesus Christus, ist
die Bestätigung der Erlösung durch die Auferstehung Jesu.
"Ich stehe Jesus, dem Sohn der Maria, am nächsten, sowohl
im Diesseits als auch im Jenseits" - dieser Spruch ist vom
Propheten Mohammed überliefert. Nach den Aussagen des Koran
ist dieser Jesus, Sohn der Jungfrau Maria durch Gottes Geist und
Gottes Wort, er ist nicht von den Juden gekreuzigt worden. Allah
hat ihn zu sich erhoben. Wer an ihn glaubt, das heißt, seinem
Evangelium folgt, wird großen Lohn bekommen. Im jüngsten
Gericht wird Jesus als Zeuge auftreten gegen die Ungläubigen
unter den Juden und unter den Christen.
Die Verheißung für Ismael und
seine Nachkommen
Aber, von dieser Vision des Endes noch einmal zurück zum Anfang.
Abraham hatte Gott, den einen Gott, entdeckt und die Magd Hagar,
von ihm schwanger, bekommt eine Verheißung dieses Gottes:
"Ich will deine Nachkommen so mehren, dass sie der großen
Menge wegen nicht gezählt werden können. Dein Sohn wird
ein wilder Mensch sein, seine Hand gegen jedermann und jedermanns
Hand gegen ihn, und er wird wohnen all seinen Brüdern zum Trotz."
ISMAEL "Gott hört" nannte Abraham diesen Sohn -
Er ist der Stammvater der Araber.
Mir persönlich scheint es so, als hätte Gott sich schließlich
an seine Verheißung erinnert, als er sich in arabischer Sprache
dem Mohammed offenbarte als der EINE, barmherzige und gnädige
Gott, und damit aus einer Anzahl arabischer Stämme mit vielen
Götzen eine Glaubensgemeinschaft machte, deren Menge nicht
zu zählen ist und die durchaus ihren Brüdern, den Juden
und Christen, zum Trotz wohnt.
Und wenn man die Geschichte des Islam ansieht, dann ist auch die
Verheißung vom in wilden Kampf durchaus nicht vergessen. Das
ist jetzt sehr kurz - aber vielleicht hilft es in das dringend notwendige
Gespräch.
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