Ruth gesendet am 18.01.2004 von Heiko Müller |
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Unsere Geschichte spielt ungefähr 1.000 Jahre vor Christus in Israel auf
dem Gebiet des Stammes Juda. Das Volk lebt in der Richterzeit. Könige gibt
es noch nicht in Israel. Es herrscht oft ein großes Durcheinander. Die
eingesetzten Richter sollen für Ordnung im Volk sorgen. Die Zeiten sind
schwer, die Ernten fallen spärlich aus.
In Bethlehem wohnt Elimelech aus der Sippe Efrat mit seiner Frau Noomi und zwei Söhnen. Die Vier fliehen vor dem Hunger in das Land Moab, das östlich des Toten Meeres liegt. Dort in Moab stirbt Elimelech. Die Witwe Noomi ist mit ihren beiden Söhnen allein. Um Nachkommen zu sichern, heiraten die Söhne zwei Moabiterinnen: Orpa und Ruth. Doch noch bevor die Frauen Kinder bekommen, sterben auch die beiden Söhne. Noomi ist damit in einer sehr schwierigen Lage. Die drei Witwen ohne jegliche Nachkommen gelten in der Gesellschaft nicht viel. Auch haben sie hier niemanden, der sie versorgen müsste.
Zu Hause in Bethlehem wäre das anders, denkt Noomi. Dort würde sie vielleicht von ihrer Sippe versorgt werden. Es geht die Kunde durchs Land, dass die Hungersnot in Juda vorbei ist, und Noomi entschließt sich sofort zurückzugehen. Ihre Schwiegertöchter Orpa und Ruth brechen mit ihr auf. Doch das ist Noomi gar nicht recht, sie will, dass die Beiden in ihrer Heimat Moab bleiben und dort wieder heiraten. Zu Hause in Bethlehem wäre das viel schwieriger, dort würde sie als Witwen keiner wollen und als Ausländerinnen erst recht nicht.
Der einzige Ausweg rein rechtlich wäre, weitere Söhne von Noomi zu heiraten. Doch die hat keine mehr und kriegt wohl auch keine mehr, sie ist zu alt um noch einmal zu heiraten. Noomi will die Schande alleine durchstehen, und unter Tränen ringen ihre Schwiegertöchter um die Entscheidung, ob sie mitgehen sollen oder nicht.
Die beiden Schwiegertöchter von Noomi ringen unter Tränen mit der Entscheidung ihres Lebens: Sollen sie als Moabiterinnen ihr Land verlassen und in die Heimat von Noomi nach Bethlehem mitkommen und dort vielleicht nie mehr Familie haben, oder lasse die beiden Witwen ihre Schwiegermutter im Stich und heiraten in Moab innerhalb ihrer Sippen einfach erneut ein. Orpa entscheidet sich für den sicheren Weg und bleibt.
Ruth jedoch macht sich mit auf nach Bethlehem auf die Westseite des Toten Meeres. Als beide dort ankommen, spüren sie, dass sie ausgeschlossen und alleingelassen sind. Es gibt aber ein Witwen- und Fremdenrecht, und danach darf Ruth auf den abgeernteten Feldern die übrig gebliebenen Ähren sammeln. Das ist sehr mühsam, es bleibt nämlich kaum etwas liegen, und sie muss ständig damit rechnen, von den Erntehelfern belästigt zu werden. Ruth nimmt das alles in Kauf und geht zur Nachlese auf ein Feld, das Boas gehört. Er stammt zufällig aus der selben Sippe wie Noomis verstorbener Mann, ihr Schwiegervater. Aber das weiß Ruth nicht, als sie von frühmorgens an in der sengenden Sonne ohne Wasser die paar Ähren aufsammelt. Immer auf der Hut vor den Arbeitern.
Plötzlich kommt Boas, der Besitzer der Felder, zur Kontrolle vorbei und entdeckt natürlich sofort die Fremde. Er zitiert den Aufseher zu sich...
"Wer ist diese Fremde, die da liegen gebliebene Ähren auf meinem Feld einsammelt?", will der Besitzer Boas von seinem Aufseher wissen. Der erklärt ihm, dass sie schon ohne Unterbrechung seit der Frühe sammelt. Und dass sie eine Moabiterin ist, eine Fremde, die mit Noomi wieder zurückgekehrt ist. Boas weiß, dass Noomi zu seiner Sippe gehört. Er schätzt auch, dass Ruth sich um sie kümmert und er bietet ihr das Wasser an, das seine Arbeiter sich geschöpft haben. Dann sagt er ihr, sie solle auf seinem Feld bleiben. Die Arbeiter bekommen Anweisung, Ruth nicht zu belästigen und ab und zu mal ein bisschen mehr liegen zu lassen an Ähren, als sie das normalerweise machen dürfen.
Ruth wundert sich, dass Boas zu ihr als Ausländerin so großzügig ist. Boas kann das erklären, denn er hat schon gehört, dass Ruth ihre Schwiegermutter nicht alleine sitzen gelassen hat, obwohl sie ja hier in Bethlehem fremd ist und wohl auch kaum eine Chance hat, wieder zu heiraten. Zum Mittagessen auf dem Feld ist Ruth dann auch eingeladen. Von den gerösteten Gerstenkörnern, die es gibt, hebt sie noch etwas für ihre Schwiegermutter zu Hause auf. Am Abend hat sie 15 Kilogramm Gerste gesammelt. Noomi staunt nicht schlecht, und Ruth erzählt ihr von Boas. Sie weiß, dass er ein Verwandter ist und nach dem Gesetz sogar verpflichtet, sie als Witwe zu unterstützen. So müssen die beiden Frauen nicht verhungern, und Noomi plant, Ruth zu verkuppeln.
"Ich möchte dir helfen, einen Mann und ein neues Zuhause zu finden. Du hast doch mit den Mägden von Boas zusammmengearbeitet, er ist ja unser Verwandter. Nun hör gut zu: Heute Abend ist er auf seiner Tenne beim Dreschen. Nimm ein Bad und duftende Salben, zieh dein schönstes Kleid an und gehe dort hin. Pass auf, dass er dich nicht entdeckt, bevor er gegessen und getrunken hat. Merk dir genau die Stelle, wo er sich hinlegt. Wenn er eingeschlafen ist, dann schlüpf am Fußende unter seine Decke. Alles Weitere wird er dir schon sagen."
Ruth ist einverstanden und wartet vor der Tenne in einem Versteck, bis Boas sich neben einem Getreidehaufen hingelegt hat. Als es dunkel wird und Boas eingeschlafen ist, legt sie sich zu ihm am Fußende unter die Decke. Um Mitternacht schreckt Boas aus dem Schlaf und entdeckt, dass Ruth am Fußende liegt. Sie sagt ihm, dass sie nur eine Bitte hat: Boas als ihr Verwandter muss ja sowieso dafür sorgen, dass sie keine Not leidet. Da wäre es doch am einfachsten, wenn er sie gleich heiratet. Boas ist überrascht. Er schätzt es sehr, dass Ruth nicht einfach einen viel jüngeren und wohlhabenderen Mann genommen hat. Er macht ihr einen Vorschlag. Es gibt da noch einen in der Sippe, der noch näher mit ihrer Schwiegermutter Noomi verwandt ist. Den will er morgen fragen. Er gibt Ruth einen halben Zentner Gerste für Noomi mit und schickt sie wieder nach Hause. Noomi und Ruth sind gespannt, was passieren wird.
Boas ist geehrt, dass ihn die junge Ruth heiraten will. Jeder weiß in Bethlehem, wie sie sich für ihre Schwiegermutter Noomi einsetzt. Und obwohl Ruth Ausländerin ist, hat sie hohes Ansehen in der Stadt. Trotzdem gibt es da noch einen näheren Verwandten in der Sippe zu Noomi. Der hätte sowieso auch das Vorkaufsrecht auf das Grundstück des verstorbenen Elimelechs, das seine Witwe nun verkaufen möchte. Boas trifft also diesen Verwandten und schlägt ihm vor, dass er den Grund kauft, damit er innerhalb der Sippe bleibt. Der Verwandte ist sehr interessiert. Jetzt lässt Boas die Katze aus dem Sack: Wer das Grundstück kauft, der muss auch die Schwiegertochter Ruth heiraten und mit ihr einen Sohn zeugen, der dann das Familienerbe von Ruths verstorbenen Mann und Noomi weiterführt.
Der Verwandte sieht schnell, dass er und seine Familie später nichts mehr von dem Grundstück haben, für das er jetzt bezahlen soll. Er lehnt ab und gibt Boas seinen Schuh. Das ist zu dieser Zeit das Zeichen dafür, dass der Handel perfekt ist. Also heiratet dann doch Boas die Ruth, und wenig später bekommt sie tatsächlich einen Sohn. Voll Freude nimmt ihn Noomi auf den Schoß und zeigt damit, dass sie ihn als den Erben akzeptiert. Die Ehre der Familie ist gerettet und Obed, der Diener des Herrn, wie der Kleine genannt wird, ist in der Geschichte der Großvater des großen Königs David aus Bethlehem. Ein Vorfahre von Jesus, an dessen Geburt in Bethlehem wir gerade erst zu Weihnachten gedacht haben. Er, der verheißene Messias, der Retter, geboren, weil eine Frau den Mut hatte, ein großes Risiko einzugehen und nicht bloß an sich zu denken, sondern ihre Heimat aufzugeben und zu der Familie zu halten, in die sie eingeheiratet hat.
Heiko Müller, EmK-Paulusgemeinde