Pfingstengesendet am 30. Mai 2004 von Dr. Hans Frisch |
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"Weihnachtsgans" - bei den meisten werden da Bilder wach von Lichtern
am Baum, Familie um den Tisch, Freude über Geschenke.
"Osterei" - das klingt nach Frühling und Freude.
"Pfingsten" - da fehlen Bilder. "Pfingstochse" fällt
ein als Begriff mit dem aber nichts Konkretes verbunden ist, allenfalls jemand
der sich "herausputzt sie wie ein Pfingstochse". Das war der Ochse,
der für den Pfingstschmaus geschlachtet werden sollte und vorher mit Girlanden
geschmückt durchs Dorf geführt wurde.
Wir wissen natürlich, dass dieser Brauch mit dem Pfingstfest nichts zu
tun hat, denn Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes, es ist die Geburtsstunde
der Kirche.
Die Geschichte klingt schon fantastisch, nicht ganz so wie Harry Potter oder
Herr der Ringe, aber die beanspruchen ja auch nicht, wahr zu sein.
"Als das Fest der Pfingsten erfüllt war", so beginnt der Bericht
in der Apostelgeschichte, "da waren sie alle einmütig an einem Ort".
"Alle", das waren wohl nicht nur die Jünger von Jesus, da dürften
auch über 100 seiner Anhänger dabei gewesen sein.
Das war kein Familien- oder Freundestreffen, sie waren zum Pfingstfest versammelt.
Bei dem Fest lohnt es sich, den Namen näher anzuschauen.
"Pfingsten" das ist entstanden aus dem Wort "pentekoste"
- "fünfzigster". Es ist der griechische Begriff für ein
jüdisches Fest: "Schawuot" - "das Wochenfest". Sieben
Wochen nach dem Auszug aus Ägypten war damals das Volk Israel am Sinai-Berg
angekommen, wo sie das Gesetz bekamen, und heute noch feiern die Juden das Fest
der Gesetzgebung 50 Tage nach Passah. Es war zugleich ein Erntefest bei dem
die Erstlingsfrucht in den Tempel als Opfer gebracht wurde. Jeder Jude im Umkreis
einer Tagesreise von Jerusalem musste im Tempel erscheinen. Damit der Termin
über die arbeitsreiche Erntezeit nicht verpasst wird, wurden die Tage gezählt,
"1. Tag des Opfers", "2. Tag des Opfers", bis zum 49., jeden
Abend wurde es ausgesprochen im Familienkreis. Deshalb: "Als der Tag der
Pfingsten (der 50. Tag) erfüllt war, erreicht war" - und deshalb wurden
dort in Jerusalem so viele Zeuge von dem, was mit den versammelten Anhängern
Jesu passierte.
Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.
Was für uns etwas exotisch klingt, für Juden und für die Leser
des griechischen Berichts hatte das mit dem zu tun, was danach erzählt
wird. Der Geist kam auf die Jüngerschar. "Ruach" hebräisch
und "pneuma" griechisch heißt "Atem, Wind, Sturm und -
Geist".
"Ein Geistesbrausen erfüllte das Haus" könnten wir auch
lesen. Dann kam etwas wie Feuer und Flammen herab auf jeden Einzelnen. Das ließe
sich heute interessant verfilmen. So fängt die Geschichte an, nach der
Musik wollen wir weiter hinhören.
* * * Musik * * *
Das mit dem Rauschen und den Flammen fanden die Pilgerscharen dort in Jerusalem
sicher interessant - aber dann fingen die an zu reden, alle, wie begeistert
und wie irre. Man konnte meinen "die sind besoffen", und viele meinten
es auch. Doch andere spürten, was die reden, das bewegt uns, obwohl es
eine ganz eigene Sprache ist.
Wir müssten eigentlich viel Verständnis dafür haben, denn, so
behaupte ich, die meisten Texte der meisten Lieder die wir im Radio oder anders
hören, die verstehen wir nicht wörtlich, wir spüren aber, um
was es geht und sind manchmal davon bewegt. So ähnlich stelle ich mir das
vor, was die Beobachter der Szene sagten: "Siehe, sind nicht diese alle,
die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn jeder seine eigene Sprache?
"
Es gibt christliche Gemeinden, in denen "Zungenreden" zuhause ist
- "Pfingstgemeinden" werden sie genannt. Wer es schon miterlebt hat,
der kennt dieses Gefühl, "ich verstehe was du meinst, dass du anbetest
und lobst - und jetzt bittest du".
Da macht sich Petrus, der feige gewesen war und Jesus dreimal verleugnete, zum
Wortführer der begeisterten Schar: "Die sind nicht besoffen"
sagt er der Menge, "es ist ja erst um Neun. Hier passiert das, was der
Prophet verheißen hat."
"Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich
ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und
eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte
sehen, und eure Alten sollen Träume haben;
und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem
Geist ausgießen, und sie sollen weissagen. Und ich will Wunder tun oben
am Himmel und Zeichen unten auf Erden, Blut und Feuer und Rauchdampf; die Sonne
soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe der große
Tag der Offenbarung des Herrn kommt. Und es soll geschehen: wer den Namen des
Herrn anrufen wird, der soll gerettet werden."
Damit sind wir im Zentrum der Geschichte angekommen. "Es soll geschehen in den letzten Tagen - die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe der große Tag der Offenbarung des Herrn kommt".
Die Zuhörer wussten, was gemeint ist: Der Tag an dem Gottes Reich anbricht,
der Tag seiner Herrschaft und seines Gerichts. Sie hatten schon vor drei Jahren
verstanden, als Johannes der Täufer es angekündigt hatte - und scharenweise
hatten sie sich taufen lassen auf den Anbruch von Gottes Reich.
Dann redet Petrus von Jesus, dem manche in Jerusalem und in Judäa wohl
begegnet waren und den viele wahrscheinlich kannten aus seiner Zeit, in der
er in der Täufergemeinde mitgewirkt hatte. Und Petrus erklärte auf
jüdische Weise den zuhörenden Juden, dass dieser Jesus von Nazareth
der ist, von dem die Propheten geredet haben, der Nachkomme Davids, der Messias.
"Der, den ihr durch die Hand der Heiden, der Römer, ans Kreuz geschlagen
habt, den hat Gott auferweckt". "So wisse nun das ganze Haus Israel
gewiss, dass Gott diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zum Herrn und Christus
gemacht hat" beschließt er diese erste christliche Predigt.
"Das saß" würden wir heute sagen. "Da ging es ihnen
durchs Herz" steht in der Geschichte. "Ihr Männer lieben Brüder
was sollen wir tun?" fragen sie. "Tut Buße und jeder von euch
lassen sich taufen auf den Namen Jesus Christus zur Vergebung der Sünden,
so werdet ihr empfangen die Gabe des Heiligen Geistes."
3000 hätten das damals angenommen, und so entstand die erste Christengemeinde
in Jerusalem. Lange dachte ich, die Zahl wäre etwas übertrieben, doch
wenn man bedenkt, dass sich die Massen damals von Johannes im Jordan hatten
taufen lassen, dann waren davon wahrscheinlich viele jetzt dabei, und mancher
von ihnen war vielleicht sogar von diesem Jesus oder seinen Jüngern getauft
worden.
Jedenfalls ist es nicht so wichtig, wie viele es damals am Anfang waren, wenn
man bedenkt, wie viele seitdem zur Gemeinde Jesu hinzugekommen sind im Laufe
der Jahrhunderte und Jahrtausende.
* * * Musik * * *
Damals vor eintausendneunhundertzweiundsiebzig Jahren, da wurde die erste christliche
Gemeinde geboren. Wer schon eine Geburt miterlebt hat, ich meine nicht die eigene,
der kennt den dramatischen Augenblick, wenn da plötzlich ein Menschenkind
schreit, dass eben noch gar nicht da war. Es zappelt, es will trinken, es wächst
und entwickelt sich - und heute sind mir einige Enkel schon über den Kopf
gewachsen.
Für die Kirche ist das Bild vom Baum treffender. Da ist der Anfang scheinbar
ruhiger - wenn der Keim aus der Erde treibt, entfalten sich zwei Blätter.
Sie nehmen Sonnenlicht auf und verwandeln Erdsubstanz, die ihnen aus den Wurzeln
zufließt, in lebendige Pflanzensubstanz. Wer einen Garten zu pflegen hat,
der weiß, wie schnell die jungen Triebe wachsen. Man kommt mit dem Beschneiden
fast nicht nach.
Schau raus, kannst du dir vorstellen, dass vor kurzer Zeit die Bäume durchsichtig
dastanden, ohne Laub?
So wie die Blätter am jungen Baum haben immer wieder Menschen das Licht
des Evangeliums in sich wirken lassen, und durch die Geschichte der Menschheit
ist der Baum der Kirche gewachsen. "Der Geist Gottes" so nennt die
Bibel und so nennen die, welche dazu gehören, dieses Licht, die Kraft von
der dieses Leben und das Wachstum kommt.
Da gibt es, wie am Baum, völlig verschiedene Anteile: Blätter die
ihm Licht vom Winde bewegt werden und in denen der Stoffwechsel ganz aktiv läuft,
da gibt es Zweige, denen man beim Wachsen fast zuschauen kann, stabile Äste,
von denen Zweige und Blätter ins Licht gehalten werden, einen Stamm, scheinbar
verholzt und verhärtet, aber durch ihn ist alles Leben gegangen und fließt
alles Leben, das so saftig und weich und schön zu sehen ist.
Es ist Erdsubstanz, die da oben im Licht grünt und blüht, und die
Wurzeln reichen tief in den Grund.
Damals fing das neue Wachstum an, als die Jünger, und zu Pfingsten viele
Juden, erfuhren und begriffen, dass Jesus der gewesen ist, den die Propheten
im Alten Testament angekündigt hatten, der Messias. Das Neue, was da wächst,
wurzelt also im Alten Testament, in der Geschichte und dem Schicksal des Volkes
Israel.
Es dauerte nicht lange, da waren mehr Heiden zu Christen geworden als Juden
- doch an der Wurzel ändert das nichts. Paulus sagte diesen nichtjüdischen
Christen: "Ihr seid aufgepfropft auf den alten Stamm".
Auch die Geschichte der christlichen Kirche (und der christlichen Kirchen) ist
wie ein Stamm, durch den Jahrhunderte lang der Stoff in die lebendigen Blätter
gelangt. Diese Blätter sind wir. Wir können im Lichte des Evangeliums,
bewegt vom Wind des Geistes, diesen Stoff umwandeln in lebendigen Glauben, in
konkretes Leben.
So kann der Baum, die Gemeinde von Jesus Christus, weiter wachsen.
Der eigentliche Sinn beim Baum ist aber nicht das Wachstum, es ist Blühen
und Frucht. Wer miterlebt hat, wie ein Leben aufblüht, wenn es sich der
Liebe Gottes öffnet, der versteht, warum immer wieder Menschen sich davon
ergreifen lassen und warum sich das Evangelium ausbreitet in der Welt.
Dr. Hans Frisch