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Bergpredigt gesendet am 29.07.2007 von Dr. Hans Frisch
 

Er gibt einige berühmte Predigten - zum Beispiel die von Martin Luther King, mit dem Satz: „Ich habe einen Traum.“. Für die Gleichberechtigung der Schwarzen in Amerika hatte die eine große Bedeutung, sicher war sie auch ein Grund für seine Ermordung.

Die berühmteste Predigt der Weltgeschichte hat Jesus gehalten, gleich nachdem er öffentlich auftrat, die Bergpredigt. Eine ganze Reihe wichtiger Sätze aus dieser Predigt sind ins allgemeine Bewusstsein gekommen: der Satz von der Feindesliebe; die Aufforderung, dem der dich schlägt auch die andere Wange hinzuhalten; eure Rede sei Ja - Ja, Nein – Nein; lass deine rechte Hand nicht wissen was deine linke tut, beim Almosengeben; bittet, so wird euch gegeben; und auch das Vaterunser stammt da her. „Du willst in dreimal 5 Minuten etwas über die Bergpredigt sagen? Du bist verrückt!“ wird mancher denken, und er hat recht.

Tausende Predigten sind schon darüber gehalten worden, viele Abhandlungen - bis zu einem Buch von Franz Alt, geschrieben in der Zeit des kalten Krieges: „Friede ist möglich, eine Politik nach der Bergpredigt.“ Also, wer sie kennen lernen will, der sollte sie lesen. Sie steht in Matthäus Kapitel 5 bis 7.

Vielleicht ist es hilfreich, einmal hin zu schauen, wo, zu wem, in welcher Situation Jesus da gesprochen hat. Es könnte sein, dass es uns danach nicht so geht, wie den Zuhörern damals: Und es begab sich, als Jesus diese Rede vollendet hatte, dass sich das Volk entsetzte über seine Lehre; denn er lehrte sie mit Vollmacht und nicht wie ihre Schriftgelehrten -so steht es am Ende der Bergpredigt.

Die Frage nach dem wo ist leicht beantwortet: auf dem Berg. Als er aber das Volk sah, ging er auf einen Berg und setzte sich; und seine Jünger traten zu ihm. Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:

Auf einem Berg bei Kapernaum steht die „Kirche der Seligpreisungen“. Doch „Berg“ ist übertrieben. Es ist ein Hügel am Anstieg zu der Hochebene über dem Seeufer, mehr ein Wiesenhang - und im Lukasevangelium wird auch von der „Feldpredigt“ gesprochen. Jedenfalls ein etwas erhöhter Punkt, mit Blick über den schönen Genezarethsee, hinüber zu den Golanhöhen.

Spannender und schwieriger ist die Frage „zu wem“. Wer waren die Zuhörer? „Berg der Seligpreisungen“ wird der Hügel genannt, und mit den berühmten Seligpreisungen holt Jesus seine Zuhörer ab.

Selig sind die geistlich Armen - zur geistigen Elite der Schriftgelehrten und Pharisäer gehörten sie nicht - euch gehört das Himmelreich!

Selig sind die Leidtragenden - ihre Leiden hatten sie zu ihm geführt - ihr sollt getröstet werden.

Selig sind die Sanftmütigen - ihnen blieb nichts anderes übrig angesichts der Machtverhältnisse - doch ihr sollt das Erdreich besitzen.

Selig die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit - von sozialer Gerechtigkeit war damals nicht die Rede, und sie gehörten zu den Benachteiligten - ihr sollt satt werden, euer Hunger nach Anerkennung euerer Rechte soll gestillt werden

Selig sind die Barmherzigen - auch damals war wohl unter den Armen mehr Barmherzigkeit zu finden als unter den Reichen und Mächtigen - ihr werdet auch Barmherzigkeit erfahren.

Selig sind, die reines Herzens sind - auch wenn ihr mit der Gesetzestreue und der kultischen Reinheit der Pharisäer nicht mithalten könnt - Gott kennt euer Herz, und ihr werdet ihn schauen.

Selig die Friedfertigen - die nicht mit Gewalt ihren Vorteil und ihren Reichtum erkämpfen - Gott nennt euch seine Kinder.

Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden - das gab es schon damals - ihr seid auf der richtigen Seite, euer ist das Himmelreich.

Ihr alle, nicht die Mächtigen unter denen ihr leidet, nicht die Reichen, die euch ausnehmen, nicht die geistige Elite, die auf euch herabsieht, ihr seid das „Salz der Erde“, ihr seid das „Licht der Welt“ und ihr braucht euer Licht nicht unter den Scheffel zu stellen.

Ich gebe zu, von einigen dieser Zusprüche fühle ich mich angesprochen, und so wird es wohl den meisten gehen. Ich bin „selig gesprochen“, nicht durch den Papst, sondern durch Jesus selbst.

„Halt“ höre ich da die „Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen“ rufen, „Selige sind Menschen, die ein heiliges Leben geführt haben und nun vor Gott stehen als Gerechte, die er in seine Gemeinschaft aufnimmt“ (oder so ähnlich). „Du musst die Bergpredigt weiter lesen!“

Wenn ich das tue, dann kommen mir doch Zweifel, ob ich zu den Seligen gehöre. Keines der Gesetze des Alten Testamentes hebt Jesus auf, im Gegenteil.

Denn ich sage euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht besser ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen. - und er erklärt wie er es meint.

* * * Musik * * *

Also: Wer auf die Seligsprechung durch den Papst hofft, der muss nach der Bergpredigt leben - und das ist nicht leicht.

"Du sollst nicht töten" steht im Gesetz, gemeint ist der Mord, Ich aber sage euch: meint Jesus,

Wer mit seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig; wer aber zu seinem Bruder sagt: Du Nichtsnutz!, der ist des Hohen Rats schuldig; wer aber sagt: Du Narr!, der ist des höllischen Feuers schuldig.

"Du sollst nicht ehebrechen", befiehlt das Gesetz. Ich aber sage euch: Wer eine Frau ansieht, sie zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen. - und die Ehescheidung ist Ehebruch.

Meineid ist im Gesetz verboten, doch Jesus verbietet jedes Schwören. Ja - ja; nein – nein, das muss reichen.

Im Gesetz ist die Rache begrenzt - Auge um Auge; Zahn um Zahn - das meint einen angemessenen Schadenersatz, eine Art Gliedertaxe.

Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.

Die Nächstenliebe ist geboten - Jesus verlangt die Feindesliebe. Und er schließt die Liste seiner Forderungen:

Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.

Ich staune schon, wenn ich höre, dass der vorige Papst über 1300 Menschen selig gesprochen hat (und fast 500 heilig!), mehr als doppelt so viele wie in den 400 Jahren davor. Sein Maßstab war wohl nicht ganz so streng wie der, den Jesus hier verkündet, und auch der jetzige Papst hat seinen Vorgänger kaum nach diesem Maßstab beurteilt, als er den Prozess der Seligsprechung für Johannes Paul II kurz nach dessen Tod einleitete. (Schon im April dieses Jahres wurde der erste Teil der Prüfung abgeschlossen).

Nun sprach Jesus damals nicht zu Katholiken sondern zu Juden, und die kannten das Gesetz, sie kannten auch die Auslegungen dazu - und diese Auslegungen entsprechen weitgehend dem, was Jesus sagte - wenigstens einige von den vielen.

Wer in der Bergpredigt das Zentrum der Christusbotschaft sucht, der wird das Herz des jüdischen Glaubens entdecken.

Ich aber sage euch, das geht nicht gegen das Gesetz sondern gegen die Gesetzesfrömmigkeit, mit der eine Gruppe von Pharisäern angab.

„Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die anderen Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner,“ betet im Tempel so ein Pharisäer in einem Gleichnis Jesu, und zählt auf, wie genau er alle Gebote einhält, vom Fasten über den Zehnten bis zum Opfer.

Der arme sündige Zöllner hat nichts dergleichen aufzubieten. „Gott, sei mir Sünder gnädig“ betet er, und ist gerechtfertigt (wir könnten sagen: selig gesprochen). „Vor jenem!“ sagt Jesus.

Das verstanden die jüdischen Zuhörer - wussten doch alle von ihnen, dass sie nicht gerecht waren nach den Gesetz und auf Gottes Gnade angewiesen.

Aber: „Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist“ verkündet Jesus. Kein Wunder, dass sie sich entsetzten über diese Lehre.

Eigentlich kannten sie das auch schon. Als Abschluss der Gesetzgebung am Sinai hatte Gott gesagt: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr euer Gott.

Mit dem Gesetz hatten sie sich arrangiert. Bei offensichtlichen Übertretungen ermöglichte das Sündopfer die Vergebung, bei den kleinen und versteckten Sünden hoffte man auf Gottes Milde - und genau diese Hoffnung macht Jesus hier zunichte. Denn wer hat nicht schon jemand im Stillen verflucht oder ein verbotenes sexuelles Begehren gespürt - Mord und Ehebruch nennt Jesus das - der Jesus, der sie mit seinen Seligpreisungen so überzeugend abgeholt hatte. Da müssen wir schon genauer hinschauen nach der Musik.

* * * Musik * * *

„Wer in der Bergpredigt das Zentrum der Christusbotschaft sucht, der wird das Herz des jüdischen Glaubens entdecken“ hatte ich behauptet.

In langer, gewissenhafter Arbeit hatten die Rabbinen, die Schriftgelehrten und die Pharisäer Regeln und Ordnungen entwickelt, die das Heilige ihres Glaubens schützen sollten, wie ein Zaun. Doch so dicht war der Zaun geworden, dass er den Blick auf das Heilige verdeckte - und Jesus macht den Blick frei, den Blick auf Gottes Heiligkeit und den Blick ins eigene Herz. Da entsetzten sie sich - verständlich.

Wer sich vor der Bergpredigt nicht entsetzt, der hat sie nicht ernst genommen oder sie nicht bis zur Schlussforderung gelesen: Ihr sollt vollkommen sein wie Gott im Himmel vollkommen ist.

Nein! Wie euer Vater im Himmel vollkommen ist sagt Jesus und stellt damit die Weiche hin zu dem, was ER wirklich ist. Nicht als Botschafter ist er gekommen, sondern als Erlöser. Nicht um Heilige selig zu sprechen, sondern um Sünder selig zu machen.

Wer wirklich nach der Bergpredigt lebt, vollkommen, der braucht keine Erlösung - aber wer sich nach diesem Maßstab als Sünder erkennt, der hofft auf Erlösung.

So kommt es, dass die Pharisäer, die durch das ernsthafte Einhalten aller Gebote sich als gerecht ansahen, Jesus ablehnen, der Gemeinschaft mit Sündern und Zöllnern hatte. Und weil Jesus, gerade durch die Bergpredigt, ihnen die Illusionen des Gerechtseins zerstörte, deshalb entsteht Feindschaft. Es kommt noch Einiges dazu, und fast zielstrebig führt sein Weg Jesus ans Kreuz, nach knapp zwei Jahren.

Wer darin das tragische Ende des „Bergpredigers“ sieht, der hat ihn nicht verstanden, ja er verweigert ihm die verdiente Anerkennung.

Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er nicht dienen lasse sondern dass er diene und gebe sein Leben zur Erlösung für viele, so sagt er in seinen letzten Tagen. Und da wird im Herzen des jüdischen Glaubens das Evangelium sichtbar.

Der heilige Gott hatte für die Menschen seines Volkes das Sündopfer gestiftet: Wer aus dem heiligen Bund herausgefallen ist durch Übertretung des Gesetzes, und seine Schuld erkennt, der darf umkehren und mit einem Sündopfer seine Schuld bekennen. Der Priester streicht dann etwas von dem Blut des Opferlammes an die Hörner des Altars: „Und ihm wird vergeben!“

Wer sich als schuldig vor Gott erkennt - gerade die Bergpredigt kann ihm da zur Erkenntnis helfen - und bekennt: „Jesus, du Lamm Gottes, du hast dich für mich geopfert“, dem gilt: „Dir ist vergeben.“

So spannt sich der Bogen von der Bergpredigt, ganz am Anfang des Weges, zum Kreuz auf Golgatha, am Ende von Jesu Weg.

Dr. Hans Frisch