Teil 3 gesendet am 20.10.2002 von Heiko Müller |
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gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes
Heiko Müller im Gespräch mit Pastor Ulrich Ziegler,
Paulusgemeinde, Gugelstraße 143, Nürnberg
HM: Sonntag für Sonntag wird zu den verschieden Anlässen in den Kirchen das Glaubensbekenntnis gesprochen. Welche Anlässe sind das in der Evangelisch-methodistischen Kirche, das frage ich den Pastor der Paulusgemeinde in der Südstadt Ulrich Ziegler?
UZ: Bei uns sind's eigentlich zwei Anlässe, nämlich Taufen und Gliederaufnahmen.
Also Gottesdienste, in denen besonders zum Ausdruck kommt, dass Menschen in
die Kirche Jesu Christi - also nicht nur in eine Paulusgemeinde oder in eine
Ortsgemeinde hineingenommen werden.
Bei diesen besonderen Gottesdiensten, da sprechen wir das apostolische Glaubensbekenntnis.
Aber andere Kirchen, wie die katholische etwa, die
sprechen das durchaus jeden Sonntag.
HM: "Wir wollen nun unseren christlichen Glauben bekennen", so heißt der Aufruf vom Pastor und alle stehen auf. Einige sind sich noch ein bisschen unsicher mit dem Text, die anderen leiern den Text runter ohne nachzudenken. So kommt mir das manchmal vor. Brauchen wir heute eigentlich noch ein Glaubensbekenntnis in dieser festgelegten Form?
UZ: Vor einigen Jahren hätte ich mit Sicherheit gesagt: ne, das brauchen
wir nicht. Das ist ein alter Zopf, es sind eh Formulierungen drin, die schwierig
sind und kaum vermittelbar für heute. Inzwischen denke ich ein klein wenig
anders. Ich denke, wir brauchen zum einen alte Texte, die alle Kirchen miteinander
verbinden, die darauf verweisen, dass wir in einer gemeinsamen Geschichte und
Tradition stehen. Und da ist das apostolische Glaubensbekenntnis für mich
ein Ausdruck davon. Und wir brauchen gleichzeitig und mit gutem Recht auch zeitgenössische
Formulierungen.
Also Glaubensbekenntnisse von heute in der Sprache von heute mit den Anliegen
von heute und auch persönliche Bekenntnisse. Dass Menschen selber sagen:
Der Glaube ist mir deshalb wichtig. Oder: Das am Glauben ist mir wichtig.
HM: Wie alt ist dieses Bekenntnis eigentlich und wo kommt das her?
UZ: Das ist schon ziemlich alt. Es stammt aus Rom oder der Gegend von Rom und
kommt in seinen Ursprüngen so etwas aus den Anfängen des 2. Jahrhunderts.
Weil es aus Rom kommt, wird es im Osten, also bei den Orthodoxen, nicht gebetet.
Die beziehen sich normalerweise auf andere Bekenntnisse. Und dort in Rom, da
war es eigentlich ursprünglich so die Quintessenz des kirchlichen Unterrichts,
sage ich mal. Also Leute, die sich für den christlichen Glauben interessiert
haben, die sich unterweisen ließen, so in der Regel drei Jahre lang, die
sprachen dann zum Abschluss ihres Unterrichtes oder anlässlich ihrer Taufe,
ihrer Aufnahme in die Kirche so ein Glaubensbekenntnis. Das war am Anfang deutlich
kürzer als das jetzige und wurde dann so Schritt um Schritt erweitert.
Auch deshalb, um irgendwelchen Missverständnissen vorzubeugen, um klar
zu machen, wie das insbesondere mit Jesus Christus und wahrer Mensch und wahrer
Gott und überhaupt mit ihm ist.
HM: Wo kommt denn nun der Name her, warum heißt das "apostolisches" Glaubensbekenntnis?
UZ: Es gibt eine hübsche Geschichte, die ist so etwa um 400 nach Christus entstanden. Da erzählt einer, dass die Apostel, bevor sie auseinander gingen um die Welt zu missionieren, jeder eine Formulierung einbrachte, die ihm besonders wichtig war, und die setzten sie alle zusammne, und das Ganze ergibt dann das apostolische Glaubensbekenntnis. Es ist quasi das Vermächtnis der Apostel.
HM: Unser heutiger Abschnitt im Glaubensbekenntnis schließt sich lückenlos
an die Geburt von Jesus an, ohne auf sein Leben einzugehen. Da heißt es
gleich weiter: "...gelitten unter Pontius Pilatus..." - ist das nicht
ein bisschen komisch, dass so gar nicht seine Wunder vorkommen, alle seine guten
Taten?
UZ: Naja, finde ich auch. Ich habe mich öfters darüber geärgert, dass ausgerechnet Ponitus Pilatus namentlich im Glaubensbekenntnis erwähnt wird. Dass wir ausgerechnet, wenn wir diesen Text miteinander sprechen, uns an einen Menschen erinnern, der wegen erwiesener Schwäche und Grausamkeit irgendwann mal abgesetzt worden ist von seinem eigenen Vorgesetzten. Aber es steht nun mal drin.
HM: Ja, ist das denn wesentlich, dass Jesus unter Ponitus Pilatus gelitten hat? Könnte doch eigentlich egal sein oder?
UZ: Also, der einzige Sinn, dass der Pontius Pilatus vorkommt, denn sehe ich darin, deutlich zu machen: es ist ein geschichtliches Datum, das Leiden und Sterben Jesu. Das ist nicht irgendwie zeitlos passiert, sondern unter einem römischen Prokurator, den man mit Namen benennen kann, den es gab. Auch von damals heidnischen Schriftstellern, wie einem Historiker namens Tazitus, wurde das so festgestellt, dass so ein Typ mit dem Namen Kristos oder Krestos - das wussten sie damals nicht so ganz genau - jedenfalls, dass der unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde. Aber das hängt sehr eng mit der Geschichte Jesu zusammen und macht deutlich: das ist ein historisches Datum. Und das ist passiert. Es geht da um ein wirkliches Leiden und Sterben und nicht um eine Erfindung oder nur eine Geschichte.
HM: Und wieso ist es wesentlich, dass er "gelitten" hat?
UZ: Es ist nun mal passiert, dass er gelitten hat. Wesentlich ist es insofern, dass es deutlich macht, das ist kein verkleideter Gott, der irgendwie über die Erde ging. Das war so eine Strömung, die damals aufkam und gegen die sich das Glaubensbekenntnis auch etwas richtet. Es gab ja so alte Geschichten wie Zeus, der griechische Göttervater zieht sich mal als Mensch an oder als Stier oder was auch immer und läuft mal so über die Erde. Aber wenn's dann zu brennzlig wird, dann ist er immer noch Gott und verschwindet. Solche Geschichten gab es damals zuhauf von Göttern oder Halbgöttern, die quasi verkleidete Menschen waren. Aber gelitten haben sie natürlich nie. Vor dem Leiden gingen sie mal wieder in den Himmel oder in den Olymp oder sonst irgendwo hin. Bei Jesus wird gerade das festgehalten, dass er gelitten hat, um deutlich zu machen: er ist wirklicher und wahrer Mensch gewesen. Genau wie wir. Ich wüsste nicht, dass in einem anderen Glaubensbekenntnis, in einer anderen Religion so was ähnliches zum Ausdruck kommt. Dass das Leiden und das Sterben und das begraben werden ein wesentlicher Punkt des Heilsweges oder des Heilsgeschehens ist.
HM: Das Glaubensbekenntnis geht weiter mit der Feststellung: "gekreuzigt".
Also nicht einfach mal eben von damaligen Juden in Selbstjustiz auf der Straße
gesteinigt. Das wäre doch viel einfacher gewesen. Nein, sie schleppen Jesus
von Herodes nach Pilatus hin und her und warten darauf, dass er politisch verurteilt
wird. Was ist denn der Hintergrund dafür?
UZ: Ich habe hier bei mir mindestens vier oder fünf Bücher stehen,
die voll davon sind, um das klar zu machen, was der Hintergrund ist. Ich sehe
es so:
Eine gewisse Führungsschicht der Juden, also nicht die Juden überhaupt,
und die Römer, verkörpert in Pilatus, denen war Jesus ein Dorn im
Auge. Den einen, weil sie ihre Existenzgrundlage von Jesus gefährdert sahen,
nämlich den Tempel und alles, was wirtschaftlich und politisch und religiös
daran hing. Und von den Römern wurde Jesus wohl als einer angesehen, der
vielleicht doch politische Ansprüche äußern könnte. Jedenfalls
haben die beiden Hand in Hand gearbeitet. Das hat dazu geführt, dass er
hingerichtet wurde. Ob die Juden selber Todesurteile damals hätten vollstrecken
lassen können, zumal in Jerusalem und in einer recht angespannten Situation,
das ist unklar.
HM: Jetzt ist Jesus ja ans Kreuz gegangen, und dieses Kreuz ist bis heute als Zeichen der Christen geblieben. Wofür steht das eigentlich genau?
UZ: Ja zuerst einmal ganz einfach schlicht für die Todesursache von Jesus. Aber dann viel mehr: Es ist quasi d a s Symbol des christlichen Glaubens geworden. Und das schon ziemlich früh. Es gibt in den Katakomben von Rom so ein altes Graffity. Da irgendein unbekannter Mensch schon vor 1900 Jahren hingekritzelt so eine Unterschrift: Antonius glaubt an seinen Gott. Und darüber sieht man ein Kreuz und daran hängt ein Esel.
HM: Also das Kreuz als Spott- und Schandzeichen.
UZ: Ja - und als was, was Leute irritiert. Wieso soll genau einer, der am Kreuz gestorben ist, das Heil für die Welt bedeuten? Das ist was, wie es Paulus einmal schreibt, entweder ein Ärgernis oder was Unverständliches. Und für diejenigen, die es kapieren und für sich selber wahrnehmen und gelten lassen, ein Wunder und der Weg zum Leben. Ich versuche mir bewusst zu machen, dass dieser Tod etwas bedeutet für mein Leben. Dass es heißt: In diesem Tod ist mir vergeben und wird für mich all das getragen, was ich nicht selber tragen kann. In diesem Tod ereignet sich auch Leben.
HM: Das nächste Wort im apostolischen Glaubensbekenntnis ist banal: "gestorben". Das ist doch eigentlich schon automatisch enthalten in dem "gekreuzigt", was wir gerade hatten.
UZ: Eigentlich schon. Es mag zwar vorgekommen sein, dass irgendwelche vom Kreuz wieder runtergenommen werden, wie man das so im "Leben des Brian" auch sehen kann, aber das wird die Ausnahme gewesen sein. Es wird einfach nur noch mal betont, um wirkliich deutlich zu machen, hier geht es um ein menschliches Leben und das Ende dieses Lebens und deswegen: gekreuzigt und gestorben und dann schließlich auch begraben.
HM: Wieso ist das Sterben so elementar? Warum wird also dieses "gestorben" so betont im Glaubensbekenntnis?
UZ: Um deutlich zu machen, dass da nicht einer nur zum Schein am Kreuz hing und so mal sich da ganz flugs dann in den Himmel davongemacht hat, sondern, dass Jesus wirklich gestorben ist. Dass das kein Spiel war oder irgendwas, was so vorgetäuscht war, sondern, dass er ein Leben lebte, wie wir Menschen es auch Leben, das eben mit dem Tod endet.
HM: Aber dieser Tod von Jesus war was ganz Besonderes für die Christenheit.
UZ: Der ist noch was ganz Besonderes für die Christenheit! Dieser Tod und dann das, was Gott dazu sagt und macht, nämlich die Auferstehung, das macht eigentlich unseren Glauben aus. Und in diesem Tod wird auch deutlich: da sind Menschen daran schuld. Da waren Menschen daran schuld, dass Jesus gekreuzigt wurde. Und auch deshalb konnte dann schon früh bekannt werden und wird immer noch bekannt: Jesus hat die ganze Schuld der Welt getragen. Es waren Menschen schuld an seinem Tod, und er hat es getragen. Und dieses "er trägt die Schuld" das gilt nach wie vor.
HM: Jetzt sind wir am Ende des irdischen Lebens von Christus angekommnen im
Glaubensbekenntnis. Jesus ist gekreuzigt, gestorben und begraben. Ist das unüblich
gewesen damals für den Gekreuzigten, dass man ihn begraben hat? Warum ist
dieses "begraben" da jetzt noch mal drin im Glaubensbekenntnis?
UZ: Ja, mit Verbrechern ging man damals nicht zimperlich um - wie in späteren Zeiten auch nicht. Das wird wohl so gewesen sein, dass die im besten Fall irgendwo verscharrt worden sind. Ein richtiges Grab, das kostete einfach auch Geld. Aber das ist nicht der Grund, weshalb da "und begraben" steht, sondern bei dieser Formulierung da hören Christen immer schon mit: begraben und am dritten Tage auferstanden. Das ist eine feste Prägung und findet sich schon sehr oft in den Evangelien. Also dieses begraben sein, das wird schon immer daraufhin durchsichtig, dass das nicht das Ende ist, sondern dass da Gott handelt und neues Leben schafft.
HM: Aber zunächst - für die Christen damals, seine Jünger - war die Welt fertig.
UZ: Na für die damals ging echt eine Welt zu Ende. Mit Jesus da starb ihre Hoffnung und das, was ihrem Leben Sinn gab. Es war ja nicht so, dass sie die Auferstehung als ein freudiges Ereignis erwartet und begrüßt hätten, sondern das erste, was davon erzählt wird, ist: wie kann das sein? Und da laufen sie davon mit Angst und Furcht. Es hat gedauert, bis sie begriffen haben, was da wirklich passiert. Dass sich Gott nämlich zu dem toten Jesus bekennt und ihn auferweckt hat. Und dass das etwas bedeutet für die Jünger und für die ganze Welt.
HM: Einige Sätze aus dem apostolischen Glaubensbekenntnis versteht man nur im geschichtlichen Zusammenhang. Nachdem Christus "begraben" ist, wie es heißt, da kommt so ein Satz: "Hinabgestiegen in das Reich des Todes". Wie kann man den denn verstehen?
UZ: Eigentlich nur, wenn man sich vor Augen hält, wie sich die damals die Welt und die Welt der Toten vorgestellt haben: Es gibt so ein Reich des Todes, also nicht die Hölle, sondern der Hades oder das Reich des Todes. In dem sind alle Toten. Entweder bis zur Auferstehung oder bis zum Gericht. Und man muss sich das auch beinahe räumlich vorstellen, ansonsten gibt diese Vorstellung einfach keinen Sinn. Also ein Reich, in dem man hinabsteigen kann, in dem es einen Zugang gibt und wo sich dann irgendwie die Seelen oder wer auch immer der Toten befinden.
HM: Aber was hat Jesus da zu suchen? Warum steht das im Glaubensbekenntnis?
UZ: Das hat wohl zwei Gründe. Der Eine dürfte der sein, dass Tote in das Reich des Todes kommen - und Jesus eben auch. Und der Zweite, der sich daran anhängt und der dieser Formulierung einen gewissen Reiz gibt, ist so etwas, was sich schon im ersten Petrusbrief im Neuen Testament findet. Dass nämlich alle, die gestorben sind, auch die Chance bekommen, Jesus zu begegnen. Also da heißt es dann, dass Jesus den Toten gepredigt hat. Also dieses Umspannende, dass hier etwas geschieht, Heil geschieht für alle, für Lebende und für die schon Gestorbenen, das kann da zum Ausdruck kommen. Zwar in den Vorstellungen eines Weltbildes, das wir heute nicht mehr so teilen, aber immerhin. Der Gedanke an sich, den finde ich sehr nachdenkenswert.
mehr bei uns :
Teil 5
Das Glaubensbekenntnis im Wortlaut