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Polizei-Razzia bei Jugendpfarrer

In Jena umstellte die Polizei Junge Gemeinde Jena und durchsuchte Räume des Jugendpfarrers

Jugendpfarrer Lothar König (mit Bart) am Bus der Jungen Gemeinde Jena
Jugendpfarrer Lothar König (mit Bart) am Bus der Jungen Gemeinde Jena, der bei der Polizeiaktion beschlagnahmt wurde. Quelle: "DIE LINKE im Thüringer Landtag"

11.08.2011: Bei einer Polizeiaktion am gestrigen Mittwoch haben sächsische Polizisten im Haus der Jungen Gemeinde (JG) die Wohnung des Jugendpfarrers Lothar König durchsucht. Das bestätigte seine Tochter, die Linken-Landtagsabgeordnete Katharina König gegenüber dem MDR. 20 bis 30 Beamte hätten dafür das Gebäude der "Jungen Gemeinde Stadtmitte" in der Jenaer Johannisstraße komplett abgeriegelt.

Wie Dresdner Polizei und Staatsanwaltschaft mitteilten, wird dem evangelischen Pfarrer aufwieglerischer Landfriedensbruch vorgeworfen. Hintergrund seien die Ausschreitungen am Rande eines Nazi-Aufmarschs in Dresden am 19. Februar. Unter anderem soll König versucht haben, ein Einsatzfahrzeug der Polizei abzudrängen. Außerdem soll er Tatverdächtige "durch Aufnahme in sein Fahrzeug der Strafverfolgung entzogen" haben. Ein Sprecher der Polizei Dresden sagte, Ziel des Einsatzes in Thüringen sei die "Sicherstellung von Kommunikations- und Tatmitteln", die bei den Ausschreitungen in Dresden genutzt wurden.

Nach Angaben der Grünen-Fraktionschefin Anja Siegesmund, die den Polizeieinsatz in Jena unmittelbar miterlebte, haben die Beamten einen Computer, eine Papiertüte und einige CDs sichergestellt. Zudem hätten sie auch den Kleinbus der Jungen Gemeinde beschlagnahmt. Er soll am 19. Februar mit Lautsprechern in der sächsischen Großstadt im Einsatz gewesen sein. Laut Staatsanwaltschaft Dresden soll aus dem Fahrzeug über die Lautsprecher gerufen worden sein: "Deckt die Bullen mit Steinen ein."

Jugendpfarrer wies die Vorwürfe zurück

König, der auch Mitglied des Jenaer Stadtrats ist (Fraktion BÜRGER FÜR JENA), wies die Vorwürfe zurück. Er habe durch die Anmeldung einer Spontandemonstration eher deeskalierend gewirkt. Die Demo wäre zudem von den örtlichen Einsatzkräften genehmigt worden. "Wir haben gemacht, was wir bei solchen Demos immer machen: Die Jugendlichen begleitet in der Hoffnung, schlimme Auseinandersetzungen oder gar tätliche Angriffe auf Personen zu verhindern."

Dresden, 13.02.2011 Foto von dresden-nazifrei.com unter creativecommons-Lizenz

Empörung über die Razzia bei Kirche und Politik

Die Mitteldeutsche Landeskirche reagierte mit Kritik auf die Hausdurchsuchung. Der Geraer Regionalbischof Hans Mikosch hält die Aktion für unangemessen. Er sagte, er hätte "zumindest erwartet, dass die Polizei die geplante Aktion im Einvernehmen mit den Vorgesetzten des Pfarrers durchführt".

Katrin Göring-Eckardt, MdB für Thüringen (Bündnis 90/Die Grünen), Vizepräsidentin des Bundestages und Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bezeichnete das Vorgehen der sächsischen Polizei ist mehr als fragwürdig und bedürfte dringend einer genauen Untersuchung. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Monika Lazar habe sie daher eine schriftliche Fragen an die Bundesregierung gerichtet. In jenapolis.de, der Kommunikations- und Bürgerportal für Jena und Thüringen, äußert sie:

"Inwieweit die Durchsuchung einer Pfarrerdienstwohnung und des zugehörigen Amtszimmers dem Schutz des Seelsorgegeheimnisses vereinbar ist, muss außerdem dringend geklärt werden. Nach der millionenfachen Erhebung von Mobilfunkdaten per Funkzellenabfrage am 19. Februar dieses Jahres in Dresden landet die sächsische Polizei hier den nächsten Coup, der ein sehr eigenes Verständnis von Rechtsstaatlichkeit zeigt. Klar ist schon jetzt: Der erneute Versuch einer derartigen Kriminalisierung eines gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit engagierten Bürgers erweist dem Kampf gegen braunes Gedankengut einen Bärendienst. Wir sind gespannt, wie die Bundesregierung die Vorgänge bewertet."

Die Grünen-Fraktionschefin Anja Siegesmund, die den Polizeieinsatz in Jena unmittelbar miterlebte, bezeichnete das Gebaren der sächsischen Polizei als "unterirdisch". Sie kündigte an, dass der Einsatz in beiden Ländern ein parlamentarisches Nachspiel haben werde. Auch der SPD-Landtagsabgeordnete Peter Metz kritisierte die Aktion und sprach von zweifelhaften Methoden der sächsischen Justiz und Polizei.

Der Jenaer Linke-Bundestagsabgeordnete Ralph Lenkert sagte, "ich habe den Eindruck, dass man auf sächsischer Seite den Protest gegen Neonazis kriminalisieren will."

Bei der Demo gegen Neonazi-Aufmarsch waren über 100 Polizisten verletzt worden

Am 19. Februar hatten Tausende Menschen in Dresden einen geplanten Neonazi-Aufmarsch blockiert. Der Protest wurde von schweren Krawallen überschattet. In den Mittagsstunden war die Lage in Dresden zum ersten Mal eskaliert: Linksextremisten durchbrachen die Polizeiabsperrungen. Immer mehr Menschen drangen in das abgeriegelte Gebiet um den Bahnhof ein. Um das zu verhindern, setzte die Polizei Reizgas und Wasserwerfer ein.

Immer wieder flogen Steine, Feuerwerkskörper und Flaschen. Autos wurden beschädigt, Scheiben eingeworfen. Die gewaltbereiten Autonomen errichteten Barrikaden und zündeten Müll auf den Straßen an. Am Abend war die Lage im Stadtteil Plauen besonders angespannt. Dort hatten Neonazis eine Polizeikette durchbrochen. Ein Großaufgebot der Polizei kontrollierte an den Zufahrtsstraßen Autos und Busse, trotzdem gelangten hunderte Gewaltbereiter beider politischer Lager in die Stadt. Ca. 100 Polizisten waren dabei verletzt worden.

Spontandemo gegen Durchsuchung von Pfarrwohnung

Am Abend protestierten mehrere Hundert Menschen vor dem Haus der Jungen Gemeinde in Jena gegen die Polizeiaktion - unter ihnen auch Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) sowie Grünen-Fraktionschefin Siegesmund.

Auf der Startseite der Jungen Gemeinde (http://jg-stadtmitte.de) protestiert die "SOLIGRUPPE" gegen die Polizeiaktion und ruft zu Spenden zur Deckung der Anwaltskosten und für ein neues Dienstfahrzeug auf, wörtlich heißt es: Der bundesweit bekannte Lautsprecherwagen, mit dem auf Demonstrationen Leute eingesammelt, mit Informationen, Musik, Wasser und Kaffee versorgt werden, wurde als „Tatmittel“ ab- und nach Sachsen verschleppt. Damit wird die alltägliche Arbeit der JG empfindlich behindert."

Junge Gemeinde (JG) war schon zu DDR-Zeiten die Jugendarbeit der Ev. Kirche

Junge Gemeinde (kurz JG) war die Organisationsform der kirchlichen Jugendarbeit innerhalb der evangelischen Kirche in der DDR, sie war die Jugendgruppe einer Kirchengemeinde. Sie bot über ihre gemeindliche, biblische Orientierung hinaus einen Raum, eigene Gedanken auszusprechen, die unabhängig von staatlichen Denkvorschriften und der Zensur waren. Sie wurde zum Sammelbecken für systemkritische Jugendliche. Sie gilt als Mit-Vorbereiter der friedlichen Revolution 1989 (wikipedia.de). Der Name wurde nach der Wende beibehalten.

Quellen: mdr.de am 11.08.2011, jenapolis.de und Junge Gemeinde Stadtmitte, Jena http://jg-stadtmitte.de

Autor dieser Webseite: Uwe Schütz

 

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