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Traumatisiert

Jugendamt entzieht Eltern wegen Hausunterricht ihre vier Kinder

Dirk und Petra W. mit ihren vier Kindern 2012 im US-Fernsehen Foto: CBS-News

06.09.2013: Bei einem Großeinsatz der Polizei in der Nähe von Darmstadt (Hessen) sind am vergangenen Donnerstag, 29. August, Eltern ihre vier Kinder weggenommen worden, weil ihre Kinder nicht in der Schule, sondern zu Hause unterrichtet wurden. Die vier Kinder im Alter von acht bis 14 Jahren wurden in staatliche Obhut genommen.

Die Kinder weigerten sich, das Haus zu verlassen

Wie die Tageszeitung Darmstädter Echo berichtet, seien dazu Mitarbeiter des Jugendamts, Gerichtsvollzieher und Polizisten gemeinsam angerückt. „Der Einsatz ist sehr gut gelaufen, die Polizei hat mit Augenmaß gehandelt“, erklärte Klaus Behnis, Abteilungsleiter des Jugendamts des Landkreises Darmstadt-Dieburg. Auf unverhältnismäßige Gewalt habe man verzichtet, lediglich gegenüber den Kindern sei „milder körperlicher Einsatz“ ausgeübt worden, weil diese sich geweigert hätten, ihr Haus zu verlassen.

Die sechsköpfige Familie wohnt im südhessischen Wembach, einem Stadtteil von Ober-Ramstadt bei Darmstadt. Der Vater, Dirk W., von Beruf Gärtner, bezeichnete den Polizeieinsatz als „Überfall“. Mindestens 20 Behördenvertreter hätten sein Haus „gestürmt“, teilte er mit. Die Polizisten hätten ihn in einen Sessel geschubst und ihm zunächst verboten, einen Telefonanruf zu tätigen. Schon bei kleinen Bewegungen hätten ihn die Beamten festgehalten, „als sei ich ein Terrorist“. Sowohl die Kinder als auch die Nachbarn der Familie seien durch „diese Invasion traumatisiert" worden.

Jugendamt argumentiert, der Staat habe einen "Erziehungsauftrag"

Bis es dazu kommt, dass die Behörden Kinder von ihren Eltern trennen, muss einiges passieren. Laut Jugendamtsleiter Behnis ist das in diesem Fall geschehen: „Der Staat hat einen Erziehungsauftrag, dem sich die Eltern nicht entziehen können“, erklärte er. Die Kinder der Familie W. seien in ihrem Leben insgesamt nur wenige Wochen in der Schule gewesen. Die Eltern lehnten jedes Schulsystem ab und unterrichteten ihre Kinder zu Hause. (mehr zur Rechtslage s.u. im Kommentar)

Behnis sagte im Darmstädter Echo, die Behörden hätten gegenüber Dirk und Petra W. viel Entgegenkommen gezeigt und immer wieder das Gespräch gesucht. Die Kooperation sei jedoch in der Vergangenheit mehrfach gescheitert. „Die Familie setzt sich über geltendes Recht hinweg und die Kinder haben verinnerlicht, dass unsere gesellschaftliche Ordnung feindlich ist“, erklärte er. Laut Spiegel Online handelt es sich beim Fall der Familie W. um ein ellenlanges Verfahren, in dem auch schon Ordnungsgelder gegen die Eltern verhängt worden sind. Seit Mitte 2012 seien die Eltern darüber informiert gewesen, dass ihnen das Sorgerecht entzogen werden soll. Gegen den Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt hätten sie erfolglos beim Oberlandesgericht Frankfurt Beschwerde eingelegt.

Die Eltern hätten außerdem die Bitte des Jugendamts, den aktuellen Bildungsstand der Kinder durch Tests festzustellen, abgelehnt. Dirk W. verteidigte diese Haltung: Die staatlich angeordnete „Lernstandserhebung“ diene nicht nur dazu, die Leistung der Kinder zu bewerten, sondern auch, sie einem Schultypus zuzuordnen. In dieser Maßnahme sieht W. ein „Eintrittstor“ für den Schulbesuch seiner Kinder. Frank Horneff, Pressesprecher des Landkreises Darmstadt-Dieburg, sagte: „Die Eltern hatten signalisiert, die Kinder freiwillig nicht herauszugeben und sich auch weiterhin zu weigern, eine Schulpflicht für ihre Kinder zu akzeptieren.“

HR berichtete, die Eltern habe die Kinder von der Außenwelt abgeschottet

Die Familie gehöre keiner Konfession an, so das Darmstädter Echo, Jesus Christus sei aber von „großer Bedeutung“ für sie. Der Hessische Rundfunk berichtet, die Eltern hätten ihre Kinder von der Außenwelt abgeschottet und es auch abgelehnt, sie an einer staatlich anerkannten christlichen Privatschule unterrichten zu lassen.

Die vier Kinder sind momentan in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht. Sollten die Eltern glaubhaft sicherstellen, dass die Kinder von nun an zur Schule gehen, könnten sie das Sorgerecht zurückerhalten, erklärte Johanna Müller-Frank vom Amtsgericht Darmstadt. Der Fall soll noch im September bei einer nicht-öffentlichen Gerichtsverhandlung zur Sprache kommen.

Der Anwalt der Familie, Andreas Vogt, sagte am Mittwochabend im Hessischen Rundfunk, die Eltern hätten ihre Kinder mitnichten isoliert. „Die Kinder sind nicht in der Schule, das ist richtig. Aber sie sind ja dadurch nicht aus der Welt. Die Kinder sind in der Welt, sie sind gut integriert.“

US-Medien: „Deutschland missachtet Menschenrechte“

Mehrere us-amerikanische Online-Medien haben mit Befremden über den Fall aus Deutschland berichtet. Der christliche Fernsehsender CBN strahlte in seiner Nachrichtensendung einen Beitrag seines Europa-Korrespondenten Dale Hurd inklusive Interview mit Dirk W. aus. Bereits in der Anmoderation heißt es: „Deutschland, eine Nation mit dunkler Vergangenheit, hat erneut seine völlige Missachtung der Menschenrechte gezeigt.“

Im Beitrag selbst sind die Kinder der Familie W. beim Spielen und Lernen zu sehen. Der einzige Vorwurf gegen die Familie sei es, die Kinder selbst zu unterrichten, es gebe keine weiteren Beschuldigungen wie etwa Vernachlässigung oder Missbrauch. Dirk W. erklärt in einem bereits 2012 aufgezeichneten Interview, er sei bereit, ins Gefängnis zu gehen: „Ich mache mir keine Sorgen, das ist nur für meine Familie traurig. Aber ich gehe mit einem Lachen. Ihr könnt tun, was ihr wollt, aber meine Kinder gehen nicht zur Schule.“

Hausunterricht ist in fast allen anderen Staaten möglich

Während es in Deutschland eine Schulpflicht gibt, ist Hausunterricht in zahlreichen Staaten, die lediglich eine Bildungspflicht haben, erlaubt. Wie stern tv berichtete, sei Heimunterricht beispielsweise in Großbritannien, Spanien, Frankreich, Italien und Österreich erlaubt. Deutschland und Schweden seien die einzigen Staaten in Europa, in denen dies eindeutig nicht möglich sei.

Hausunterricht sorgt in Deutschland immer wieder für Konflikte und für Gefängnisaufenthalte.

Kommentar: "Gesetzlich verankerter Verfassungsbruch"

Mit ihren Landesgesetzen und Verordnungen setzen sich die Bundesländer über elementarste im Grundgesetz verankerte Grundrechte und auch über die Menschenrechte hinweg.

In Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt es:

Die Eltern haben ein vorrangiges Recht, die Art der Bildung zu wählen, die ihren Kindern zuteil werden soll.
(Artikel 26, Absatz 3, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte)

Der Artikel 6 des Grundgesetzes stellt Ehe und Familie unter besonderem Schutz der staatlichen Ordnung (Abs. 1).

Alle Schulgesetze greifen durch die so genannte Schulpflicht und die damit verbundenen Repressalien in Artikel 6 Abs. 2 GG ein, obwohl es darin eindeutig heißt:

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

Ist dieses Grundrecht einschränkbar? "Nein" meint die "Bürgerinitiative für Verfassungsschutz" und ist der Auffassung, dass man Schulgesetze, die den Artikel 6 Abs. 2 GG zitieren und einschränken, als gesetzlich verankerter Verfassungsbruch werten kann. Dies ist in den Schulgesetzen von Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein der Fall. (Quelle: "Schulgesetze in Deutschland im Lichte des Zitiergebotes gemäß Artikel 19 Abs. 1 Satz 2 GG" von der "Bürgerinitiative für Verfassungsschutz" 2009)

Quelle (ohne Kommentar): pro-medienmagazin.de

Autor dieser Webseite: Uwe Schütz

 

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