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Nachlese zum Papstbesuch gesendet am 17.09.2006 von Dr. Hans Frisch
 

Nachlese zum Besuch von Benedikt XVI. in Deutschland

Papst Benedikt XVI. bei seinem Besuch in Bayern 2006.
Foto: AREF-Screenshot vom ARD-Fernsehen

In sechs Tagen hat Gott die Welt erschaffen, am siebenten ruhte er.
Sechs Tage war der Papst in Bayern präsent, einen Ruhetag hat er sich wohl verdient.
Sogar das Wetter legte am Freitag eine Ruhepause ein.
Damit kein Missverständnis aufkommt - ich gehöre nicht zu den "Papisten" sondern zu den Baptisten, obwohl ich meine Sympathie für Benedikt XVI wie auch für seinen Vorgänger nicht verheimlichen will.

Wer wollte und Zeit hatte, konnte im Fernsehen den Heiligen Vater fast lückenlos begleiten, von der Ankunft auf dem Münchner Flughafen bis zum Abschied auf dem gleichen. Auch Zeitungsleser wurden reichlich informiert. Informationen können wir uns also sparen. Auch in die Schar der Kommentatoren mit ihren zum Teil gegensätzlichen Meinungen wollen wir uns nicht einreihen - und trotzdem unsere Meinung sagen.

Das große Thema des Papstes

Das große Thema des Papstes war der Glaube - seine Bedeutung, seine Wichtigkeit, seine Vernunft - und kein Zweifel, er meinte den katholischen Glauben an Gott.

Bei aller Freude über die zahllosen Gläubigen, die ihn begrüßten, ihm zujubelten oder zuhörten, die seine Wege säumten und Herzklopfen bekamen, wenn er ihn nahe kam oder sogar die Hand gab - er sprach klar aus, dass dieser Glaube gefährdet ist, gefährdet vor allem durch Relativismus, der nichts Absolutes gelten lässt und durch Positivismus, dem nur das gilt, was beweisbar ist.

Nicht nur den Glauben sieht er dadurch in Gefahr, die Welt ist bedroht, wenn ein Dialog zwischen der so geprägten westlichen Welt und tief im religiösen Denken verwurzelten Gesellschaften nicht mehr möglich ist. Er hatte dabei wahrscheinlich den Karikaturenstreit im Blick. Im westlichen Denken sieht er einen Zynismus, der das Heilige, vor allem das, was andern heilig ist, missachtet und verletzt.

Man könnte die Hoffnung da heraushören, dass jemand, der das Heilige achtet - wie der Papst - den Dialog führen könnte. Doch diese Hoffnung hielt nicht einmal einen Tag. Ein unglückliches Zitat in seiner Regensburger Vorlesung hat ihm den lauten Zorn der islamischen Welt eingebracht. Wenn es schlecht läuft, könnte daraus etwas entstehen, was den Streit um die Karikaturen noch in den Schatten stellt. Wobei nicht die westliche Presse sondern "die Christen" Zielscheibe werden könnten.

Wenn schon bei uns der Eindruck verbreitet ist: "Christenheit", das ist die katholische Kirche, dann kann von islamischer Seite kaum mit einer klaren Unterscheidung gerechnet werden. Gewollt oder ungewollt, das Auftreten des Papstes und die Berichterstattung haben diesen Eindruck eher noch verstärkt, und gerade da wird es für Christen in den Freikirchen interessant.

* * * Musik * * *

Zur Erinnerung: "AREF, das heißt: Arbeitsgemeinschaft evangelischer Freikirchen" und zu dieser Arbeitsgemeinschaft gehören auch die Baptisten.
Ein bekennender "papistischer Baptist" ist in unseren Gemeinden eher selten - noch viel seltener dürften "baptistische Katholiken" sein, also Katholiken, die in der Taufe einen Glaubensakt sehen - einen Glaubensakt dessen der sich taufen lässt, nicht der Eltern, die ihr Kind zur Taufe bringen. Und da liegt der Unterschied, der bei aller (vielleicht sogar gegenseitigen) Sympathie nicht zu überbrücken ist, noch weniger als vielleicht einmal die Trennung zwischen katholischer und evangelischer Kirche beim Abendmahl.

"Baptisten", der Name kommt von "to baptize" - taufen. So wurden die ersten Wiedertäufer in England genannt.
"Wiedertäufer" deshalb, weil damals selbstverständlich jeder als Kind getauft war und die Taufe aufgrund des persönlichen Glaubens deshalb nur eine "Wiedertaufe" sein konnte.
Den englischen Baptisten ging es relativ gut - den ersten Wiedertäufern, den "Anabaptisten" in der Schweiz und in Deutschland ging es an den Kragen, Zehntausende wurden verbrannt oder enthauptet, auch Luther hetzte gegen sie.


Warum ich das erzähle? Weil es kaum irgendwo erzählt wird und für das Verstehen wichtig ist. Wenn der Papst von der Gemeinschaft der Christen spricht, dann meint er (unausgesprochen) die orthodoxe und die evangelische Kirche, Kirchen deren Mitglieder durch die Taufe als Kind dazugehören. Wenn er "die Gläubigen" begrüßt und anspricht, dann meint er die anwesenden Katholiken, ganz gleich, wie weit sie sich von ihrem Glauben entfernt haben, wenn sie denn je ernsthaft gläubig waren. Sie sind getauft, also sind sie Christen (solange sie nicht aus der Kirche ausgetreten sind).

Ich bin mir sicher, oder hoffe es zumindest sehr stark, dass die an meisten derer, die an der Messe teilnahmen und sehr viele, die an den Straßen und auf den Plätzen standen, gläubige Christen sind. Doch bei den 90% der Katholiken, die nicht in die Gottesdienste gehen, da habe ich Zweifel an der Lebendigkeit ihres christlichen Glaubens.

Nun muss das Oberhaupt dieser großen Kirche ja alle ihre Mitglieder ansprechen - und es darf keinem das Christsein absprechen, und Benedikt XVI gelingt das fast noch besser als seinem Vorgänger.
Die Frage nach Gott, ein Ernstnehmen des Heiligen, vernünftiges Denken, das nicht an den Grenzen des Beweisbaren kapituliert, Wahrhaftigkeit und Treue in Beziehungen, besonders in der Familie, Moral auch in der Wirtschaft und in der Politik und noch manche andere "Christliche Werte" spricht er an, und erreicht damit viele Menschen guten Willens.

Die Mitte des Christseins, die Verbindung mit Christus, dem, der am Kreuz für uns gestorben ist, dem auferstandenen und erhöhten Herrn, die wird gefeiert in der Eucharistie - in wunderbarer Weise. Da wird dem Katholiken sein Christsein bestätigt - vom Priester, der seine Vollmacht vom Petrusnachfolger bekommen hat - oder, diesmal in München, direkt vom Petrusnachfolger selbst.

* * * Musik * * *

Die Fernsehaufnahmen zeigten unter den Prominenten bei den Papstauftritten neben Politikern die Repräsentanten der Kirchen - auch unseren evangelischen Landesbischof Friedrich. Jüdische Vertreter waren ebenfalls dabei.
Dass von den Freikirchen keiner zu sehen war, liegt nicht nur daran, dass die keinen Bischof oder ähnliches haben und dass es davon so viele verschiedene gibt. Noch immer sind Gemeinden, die nur bestehen und wachsen durch Menschen, die zum lebendigen Glauben an Jesus Christus kommen - sich bekehren - für die Großkirchen nicht leicht zu akzeptieren. Vor Ort sind oft die Beziehungen gut, doch auf der Ebene der Lehraussagen, der Theologie und der Dogmatik sind die Gräben tief, wahrscheinlich unüberbrückbar.

Von der Dramatik der Entwicklung bekommen wir in Deutschland kaum etwas mit - im Weltmaßstab wachsen solche Gemeinden aber neunmal so stark wie die katholische Kirche, besonders in Ländern, in denen es noch wenige Christen gibt.
Leider meinte der Papst, als er von "Evangelisation" sprach, die von afrikanischen Bischöfen für Europa angemahnt wurde, nicht die Verkündigung des Evangeliums mit dem Ruf zur Bekehrung, sondern "die Dinge mit Gott und dem katholischen Glauben".

Christ wird man im katholischen Raum durch die Taufe als Säugling - so wie der Sohn einer jüdischen Mutter Jude wird durch die Beschneidung. Nun kann ein solcher Start durchaus in ein bewusstes Christsein oder ein gläubiges Judentum führen, und in der Firmung wie auch der Bar Mizwa ist der junge Mensch zur eigenen Entscheidung aufgefordert. Doch die Praxis zeigt, auch bei der Konfirmation, ein etwas trübes Bild.

Wenn früher (oder in einigen Gesellschaften auch heute noch) Kinder miteinander verlobt werden, können daraus durchaus gute Ehen werden - und Ehen, die in freier Wahl aus Liebe geschlossen werden können durchaus scheitern, doch spricht einiges dafür, dass die bewusste freie Entscheidung füreinander heute der angemessene Schritt in eine Lebensverbindung ist. So doch auch beim Schritt in den Glauben. Leider ist - wie bei Mann und Frau - auch im religiösen Raum Verführung möglich - und manche Vereinigungen setzen gruppendynamische Prozesse wirkungsvoll zur Verführung ein.

Der gute Weg in eine Verbindung ist die "Werbung" - eine Frau, die vom Mann umworben wird (oder umgekehrt), bleibt frei in der Entscheidung. Zu den anrührensten Stellen in der Bibel gehört die, wo Gott wirbt um die Liebe des untreu gewordenen Volkes, als Mann, der seine in die billigste Prostitution geratene Frau am Straßenrand aufliest, sie reinigt, schmückt, prächtig kleidet und wieder in Ehren annimmt.

So wirbt Gott um unsrer Liebe, auch wenn wir nicht so tief gesunken oder soweit verirrt sind. Das Evangelium ist SEIN Liebesbrief an uns. Wir dürfen ein freies bewusstes Ja zu ihm sagen.

Wunderbar hat der Papst davon geredet am Ende seiner Predigt in München. Ein Text der Lesung davor war aus Jesaja 35:

    1. Die Wüste und Einöde wird frohlocken, und die Steppe wird jubeln und wird blühen wie die Lilien.
    2. Sie wird blühen und jubeln in aller Lust und Freude. Die Herrlichkeit des Libanon ist ihr gegeben, die Pracht von Karmel und Scharon. Sie sehen die Herrlichkeit des HERRN, die Pracht unsres Gottes.
    3. Stärkt die müden Hände und macht fest die wankenden Knie!
    4. Sagt den verzagten Herzen: »Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott! Er kommt zur Rache; Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfen.«
    5. Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden.
    6. Dann werden die Lahmen springen wie ein Hirsch, und die Zunge der Stummen wird frohlocken. Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Lande.

Darauf kommt er am Schluss der Predigt zurück:

Welchen Gott brauchen wir? In der ersten Lesung sagt der Prophet zu einem unterdrückten Volk: Die Rache Gottes wird kommen. Wir können uns gut ausdenken, wie die Menschen sich das vorgestellt haben. Aber der Prophet selber sagt dann, worin diese Rache besteht: In der heilenden Güte Gottes. Die endgültige Auslegung des Prophetenwortes finden wir in dem, der für uns am Kreuz gestorben ist - in Jesus, dem Mensch gewordenen Sohn Gottes, der uns hier so eindringlich anschaut. Seine "Rache" ist das Kreuz: das Nein zur Gewalt, die "Liebe bis ans Ende". Diesen Gott brauchen wir. Wir verletzen nicht den Respekt vor anderen Religionen und Kulturen, die Ehrfurcht vor ihrem Glauben, wenn wir uns laut und eindeutig zu dem Gott bekennen, der Gewalt sein Leiden entgegenstellt; der dem Bösen und seiner Macht gegenüber als Grenze und Überwindung sein Erbarmen aufrichtet. Ihn bitten wir, dass er unter uns sei und dass er uns helfe, ihm glaubwürdige Zeugen zu sein.
Amen.

Wenn wir in das Amen einstimmen, gleich, ob wir damit das Ja bestätigen, dass unsere Eltern für uns gesprochen haben oder das Ja erneuern, das wir selbst gefunden haben, dann stellen wir uns mit in die große Gemeinde des Christus, der diese Gemeinde als seine Braut bezeichnet.

Dr. Hans Frisch

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