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Jahreslosung 2009

gesendet am 01.01.2009 von Dr. Hans Frisch
 

Willkommen im Jahr des Herrn 2009. Mancher wird ziemlich verkatert aufgewacht sein, selbst wenn der Sektkonsum an diesem Silvester wesentlich geringer gewesen sein dürfte als in den vergangenen Jahren - vor allem bei denen, die von der Finanzkrise voll getroffen wurden. Es könnte sein, dass die andern, die noch ausgelassen gefeiert haben, es nur noch nicht bemerkt haben, wie stark auch sie an der Katastrophe teilhaben. Und für manchen wird die Jahreslosung für 2009 wie ein Strohalm sein, an dem er sich festklammert:

Was bei den Menschen unmöglich ist,
das ist bei Gott möglich.
Lukas 18, 27

Wenn die Jahreslosungen wirklich "gelost" werden, also aus einem Kasten mit Zetteln, auf dem wichtige Bibelsprüche stehen, zufällig gezogen werden, dann ist die für dieses Jahr ein Volltreffer - denn, mit dem Spruch wird indirekt der Kontext, in dem er steht, mit gewählt. Und der Kontext für diesen Spruch hat es in sich.

 

Christian Morgenstern hat ihn in ein Gedicht ("Die Probe") übernommen:

Zu einem seltsamen Versuch
erstand ich mir ein Nadelbuch.
Und zu dem Buch ein altes zwar,
doch äußerst kühnes Dromedar.
Ein Reicher auch daneben stand,
zween Säcke Gold in jeder Hand.
Der Reiche ging alsdann herfür
und klopfte an die Himmelstür.
Drauf Petrus sprach: ,Geschrieben steht,
dass ein Kamel weit eher geht
durchs Nadelöhr als Du, du Heid,
durch diese Türe groß und breit!'
Ich, glaubend fest an Gottes Wort,
ermunterte das Tier sofort,
Ihm zeigend hinterm Nadelöhr
ein Zuckerhörnchen als Douceur. www.buchdesign-kiessling.info
Und in der Tat! Das Vieh ging durch,
Obzwar sich quetschend wie ein Lurch!
Der Reiche aber sah ganz stier
und sagte nichts als: Wehe mir!

(Von Christian Morgenstern)

Die meisten werden sich erinnern an die Geschichte vom reichen Jüngling - bei Lukas ist es einer von den "Oberen", ein "Anführer": "Guter Meister, was muss ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe?" Jesus verweist ihn auf die Gebote. "Das habe ich alles gehalten von Jugend auf." sagt der.

Also - ein erfolgreicher, prominenter, durch und durch anständiger Mann, der merkt: "Mir fehlt etwas, das Wesentliche."
Jesus sieht, was ihm fehlt: "Es fehlt dir noch eines. Verkaufe alles, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach!" Als er das aber hörte, wurde er traurig; denn er war sehr reich.

Als Jesus seine Traurigkeit sieht, da sagt er: "Wie schwer kommen die Reichen in das Reich Gottes! Denn es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Reich Gottes komme." Die das hören, fragen: "Wer kann dann selig werden?" Die Antwort ist unsere Jahreslosung:

"Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich."

Musik

Schwer - aber nicht unmöglich - ist es für Reiche, ins Reich Gottes zu kommen.
Der Reiche bei Christian Morgenstern hat das klar gesehen: wenn er sich durch das Nadelöhr quetscht, dann muss er seinen Beutel voll Gold loslassen. ("Nadelöhr" könnte durchaus ein bekannter Begriff für einen sehr engen Mauerdurchlass gewesen sein).
picasaweb.google.com
"Nun ja", wird mancher meinen, "das letzte Hemd hat eh keine Taschen, also komme ich bestimmt ohne Gold an die Himmelspforte."
Doch Jesus meint, ins Reich Gottes kommt man in diesem Leben, oder nie.
Doch wie?
"Halte die Gebote! Führe ein anständiges Leben, ehre Vater und Mutter, liebe deinen Nächsten usw."
Aber das alles kann doch auch ein Reicher - und der junge Mann (oder der Anführer) hat ja so gelebt.
"Löse dich von deinem Reichtum und folge mir nach", das war die Kleinigkeit, die ihm noch fehlte.
Wie viel leichter fällt es das einem Armen, den entscheidenden Schritt zu gehen! Und Jesus preist ja die Armen auch selig, weil ihnen das Himmelreich gehört.
"Der edle Arme", so wie "der edle Wilde".
Das kann nicht stimmen, sonst müssten die Slums in den Großstädten Brasiliens ja Sozialparadiese sein
Eine Antwort hat Franziskus darauf gegeben. Als Sohn reicher Eltern lebte er ein luxuriöses Leben - von Armen und vor allem von Kranken hielt er sich fern.
Nach seiner Bekehrung lebte er arm, suchte Arme und Kranke auf und versuchte zu helfen, und wurde Vorbild für viele. Bis heute lebt der Reichtum, den er gefunden hatte, in der Welt.
Und wer kennt nicht die armen, bedauernswert armen Reichen - wenn nicht persönlich, dann durch die Medien.
Es gibt Statistiken über Lotterie- oder Lottogewinner. Viele waren am Schluss viel ärmer und unglücklicher als zuvor.
Jesus selbst war arm. Er lebte von den Gaben derer, die ihm folgten oder ihn aufnahmen - doch wie viel Reichtum ging von ihm aus. Und an diesem Reichtum wollte er diesen jungen Mann, diesen reichen Mann, teilhaben lassen. Doch das konnte dieser nicht sehen. Er spürte es, konnte sich aber nicht darauf einlassen und ging traurig davon, in seinen armen Reichtum.

Eigentlich ist es ganz einfach: "So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab (d. h. hingab bis ans Kreuz), damit alle, die sich darauf einlassen, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben", so hat Jesus es selbst beschrieben im Gespräch mit Nikodemus, einem anderen der Oberen.

Jeder der verliebt ist, weiß, was für einen Reichtum Jesus meint. Die Literatur wäre ohne diesen Reichtum ärmer - und immer wieder spannend ist, wie sich Menschen entscheiden zwischen Reichtum und Liebe.
Denn Liebe ist absolut, wer nicht alles dafür einsetzt, notfalls hingibt, der wird sie nicht erleben.

Musik

Zwei Reiche wollen wir näher betrachten, wenigstens in unserer Vorstellung.
Da hat ein Mann 50 Milliarden € (oder Dollar) kassiert von vielen anderen Reichen. Mehrere Luxusvillen hat er sich zugelegt und eine Luxusjacht, hat luxuriös gelebt, in exklusiven Golf- und anderen Klubs verkehrt, wo er sich neue Opfer angelte, hat beste Renditen bezahlt - nicht erwirtschaftet, sondern von den neuen Anlegern abgezweigt.
Natürlich wußte er, dass irgendwann Schluß sein wird - denn die Renditen mussten jährlich gezahlt werden, und ihre Summe stieg von Jahr zu Jahr, so dass eine ständige Steigerung der Einnahmen notwendig wurde. Und nun reichte es nicht mehr, er musste Farbe bekennen.
Die Wut der geprellten Anleger ist verständlich - doch eigentlich müsste Mitleid aufkommen, wenn man bedenkt, wie ein Mensch erlebt, dass sich die Schlinge um seinen Hals langsam und unausweichlich zusammenzieht.
Der Verkauf seiner Villen und seiner Jacht reicht bei weitem nicht, um den Schaden irgendwie zu kompensieren. Armer Mensch!

Der zweite Reiche wohnt (oder wohnte) in Jericho,.
Wer regelmäßig AREF hört und ein sehr gutes Gedächtnis hat, der weiß, schon bei der Jahreslosung von 2008 tauchte am Ende Zachäus auf, der Zöllner.
Besser: "Steuereinnehmer" - denn er war einer von denen, die dafür sorgten, dass die römischen Besatzer das Land aussaugen konnten. Jericho und Umgebung waren sein Revier, einen bestimmten Steuerertrag musste er von hier abliefern. Wie er ihn eintreibt, dass das blieb seinem Geschick überlassen (natürlich geschützt und gestützt von der Macht Roms).
Zachäus war geschickt, und was er über sein Soll eintrieb, das gehörte ihm. Seine Villa zeigte, dass es nicht wenig war.
Mit seinem Reichtum wuchs auch der Hass auf ihn, denn er hatte die anderen ausgenommen. Armer Reicher! Isoliert und verachtet lebte er in seinem Anwesen.
Da kommt Jesus durch Jericho, in der Schar der Passahpilger, die von Galiläa nach Jerusalem ziehen. Nicht ganz so wie der Weg des Papstes durch München (oder Köln) wird es gewesen sein, aber die ganze Stadt war auf den Beinen - und Zachäus wollte auch Jesus gern sehen. Er war klein, zu drängeln traute er nicht, und so hatte er keine Chance, einen Blick zu erhaschen.
Doch er war geschickt, auf einen Maulbeerbaum steigt er, und da kann er ihn sehen - und er wird gesehen.
Jesus erkennt ihn, denn bekannt war der Zachäus, Jesus spricht ihn an, ihn, den Verachteten, Einsamen.

Welch glückliches Zusammentreffen: Jesus mit seinen zwölf Jüngern braucht ein Nachtquartier vor dem Aufstieg nach Jerusalem - 30 Kilometer mit über tausend Meter Steigung - und Zachäus hat ein großes Haus.
Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren.
Und er stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden.
Als sie das sahen, murrten sie alle und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt.
Zachäus aber trat vor den Herrn und sprach: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück.
Jesus aber sprach zu ihm: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist Abrahams Sohn.
Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.
So schließt die Geschichte.

Freude und Heil bekam Zachäus als Geschenk, einen Weg aus der Enge, der Schuld der Einsamkeit - und es kostete ihn nur die Hälfte seines Reichtums und eine freiwillige Wiedergutmachung des Unrechts.

So etwas wünsche ich denen die durch ihre Bereicherung die gewaltige Krise verursacht haben, auch Bernard Madoff mit seiner 50 Milliarden Katastrophe, auch dem Chef der Deutschen Bank, Ackermann, der hofft, das System der Superrenditen über die Krise zu retten.
Bischof Huber hat klare Worte für ihn gefunden, und eine scharfe Kritik dafür bekommen.

Nun spielt das alles in einer anderen Liga als der unseren - geht uns das etwas an?
Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.
Nicht nur die im und an den Reichtum Verlorenen, erst recht die in der Armut, in der inneren und der äußeren Armut Verlorenen.
Du bist ihm in deiner Situation, in deiner Angst, in deiner Armut genauso wichtig wie diese armen Reichen - nimmt ihn auf mit Freuden.

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