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Ostern 2009

gesendet am 12.04.2009 von Dr. Hans Frisch
 

Christos woskres! Woistinu woskres!

"Christus ist auferstanden!" - "Er ist wahrhaftig auferstanden!",
so grüßen sich heute die russischen Christen und tauschen den Osterkuss, nicht vornehm auf die Wange sondern Mund auf Mund. Wahrscheinlich gibt es auch in Russland viele, die mit Ostern nichts mehr anfangen können, obwohl sie jede Woche daran erinnert werden - denn der Sonntag heißt russisch Woskressenje "Auferstehung". Auch im Sozialismus hatte er den Namen behalten.

Doch: "Auferstehung", das muss ja nicht unbedingt mit Ostern zu tun haben. Vor einer Woche stand in der Nürnberger Zeitung: 33 % der Deutschen glauben an eine Auferstehung, 33 % an irgendein Weiterleben nach dem Tod. Wenn die alle in den Ostergottesdienst gehen würden - die Kirchen würden voll wie Weihnachten am Heiligabend. Mit einem allgemeinen Glauben an Auferstehung oder Weiterleben nach dem Tod hat Ostern aber fast nichts zu tun - es geht um die einmalige Auferstehung der einen Person Jesus, wobei das auch nicht ganz stimmt. Es geht um die Auferweckung dessen, der am Kreuz gestorben war. Erst einmal kurz die Geschichte, denn es könnten doch einige von unter den Hörern sein, die sie nicht kennen.

Kreuzigung Jesus und das jüdische Sündopfer

Am Freitag ist Jesus gekreuzigt worden. Er hätte es vermeiden können, doch wusste er sich gesandt zur Erlösung der Menschen - durch seinen Tod. Das ist nicht so schwer zu verstehen wie es scheint. Im jüdischen Gesetz ist das "Sündopfer" gestiftet. Wenn jemand schuldig geworden ist und damit herausgefallen ist aus der heiligen Gemeinschaft Gottes mit seinem Volk, der soll einen Schaf nehmen aus seiner Herde, oder eins kaufen, soll es zum Heiligtum bringen und es draußen schlachten, als Zeichen der Umkehr, der Buße, der Bitte um Versöhnung. Dann nimmt der Priester etwas von dem Blut und streicht es an die Hörner des Altars, an die gewulsteten Ecken des steinernen Opferaltars. "Und ihm ist vergeben!" Er gehört wieder dazu.

In Jesus hat Gott ein solches "Sündopfer" für alle Menschen gestiftet. Wer mit seiner Schuld, mit seinem Herausfallen aus den heiligen Beziehungen zu Menschen, zu sich selbst und zu Gott, wer damit zu diesem Opfer am Kreuz kommt, dem gilt auch der Zuspruch: "Dir ist vergeben." Das hat Jesus geglaubt, deshalb ist er gestorben, auch für mich und für dich. Keiner, auch nicht die Jünger, konnte das verstehen, obwohl er es wiederholt gesagt hatte. Und nun lag er im Grab, schon den dritten Tag. Die Jünger waren verzweifelt und traurig. Sie hatten gehofft, das Jesus "der Messias" ist, der Befreier von der römischen Besatzung, dass mit ihm "das Reich Gottes" anbricht, mit dem Sieg der jüdischen Religion über das Heidentum; dass Gottes Thron auf dem Tempelberg von Jerusalem stehen wird und alle Welt ihn dort anbetet.

Doch nun ist er tot, "und überdies ist es der dritte Tag" sagen zwei Jünger auf den Weg nachhause, nach Emmaus, zu einem, der sie angesprochen hatte auf ihre Trauer. "Er war ein Prophet, mächtig in Worten und Taten. Und wir hatten geglaubt, er würde Israel erlösen." Nichts hatten sie verstanden, und ihn, der mit ihnen sprach erkannten sie auch nicht.

Musik

Selbst die Jünger verstanden Jesu Sterben am Kreuz nicht

Wir sind in guter Gesellschaft, wenn wir zunächst nicht verstehen, was der Tod am Kreuz mit uns zu tun hat - den Jüngern ging es auch so. Sie als Juden hätten sogar verstehen können, was es bedeutet: "Das Lamm Gottes, welches der Welt Sünde trägt", denn sie wussten, was ein Sündopfer ist. Den Emmausjüngern musste Jesus eingehend erklären, dass der Kreuzestod genau einem solchen Sündopfer entspricht, und dass dies im Gesetz und in den Propheten auch so verkündet ist. Erst als sie das verstanden hatten, da konnten sie erkennen, wer da mit ihnen am Tisch sitzt, als sie zuhause angekommen sind, und sie laufen zurück zu den anderen Jüngern und rufen: "Der Herr ist auferstanden!" "Er ist wahrhaftig auferstanden!" antworten die - nicht auf Russisch sondern auf Aramäisch.

Ich unterstelle einmal, dass alle die Ostergeschichte kennen, besser die Ostergeschichten, denn jedes Evangelium erzählt sie etwas anders. Es geht nicht spektakulär zu dabei, das macht die Berichte glaubhaft. Auch dass die Unterschiede nicht ausgeglichen wurden, spricht für eine gewissenhafte Überlieferung. Doch was da überliefert wird, das ist schon eigenartig.

Da erscheint der Auferstandene durch eine angstvoll geschlossene Tür, und er verschwindet auch irgendwie wieder; da isst er mit den Jüngern; als sie ihm begegnen, erkennen sie ihn erst nicht; er lässt sich anfassen von Thomas dem Zweifler, der die Erzählungen der andere nicht glauben kann.40 Tage erscheint er immer wieder, mal wenigen, mal vielen, und erklärt, was geschehen ist mit seinem Tod und seiner Auferweckung. Bis er an Himmelfahrt Abschied nimmt und verschwindet. Und auch dann heißt es noch: "Etliche aber zweifelten."

Es ist so: In dieser Zeit hat Jesus den Glauben ermöglicht, aber nicht erzwungen. Und so ist es geblieben. Wer sich auf die Begegnung mit dem Gekreuzigten und Auferstanden einlässt, dem wird Glauben möglich - doch gibt es keine Beweise, die Glauben erzwingen. Doch was glauben? Dass Jesus auferweckt wurde - was geht das mich an (oder dich?). Nein, dass er für mich und für dich gestorben ist, so wie er es geglaubt hatte, darum geht es. Dass er das Sündopfer ist. Und wer dieses Opfer für sich in Anspruch nimmt, weil er seine Schuld erkannt, seine Trennung spürt und Vergebung braucht, sich nach Wiederherstellung der Beziehung sehnt, erlöst werden möchte, der kann glauben dass ihm der Zuspruch gilt: "Dir ist vergeben." Was das für einen Menschen, für ein Leben bedeutet, davon gibt es viele Zeugnisse und Bekenntnisse - manche wirken wie ein Beweis dafür, dass Jesus sich nicht geirrt hatte in seinem Glauben.

Musik

Immer wieder muss ich es sagen: Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Gott ist, oder Gott ist nicht. Wenn Gott nicht ist, dann sind die Folgen jener Ereignisse vor fast 2.000 Jahren doch so gewaltig, dass sie Beachtung verdienen. Sie müssen mit menschlichem Denken und menschlichem Empfinden viel zu tun haben - sonst hätte nicht das sich darauf einlassen eine so tiefe Wirkung. Wenn Gott ist, dann war der Tod Jesu am Kreuz mit diesem Glauben so etwas wie eine Frage: "Gott, was sagst Du dazu? Hat er sich geirrt mit seinem Wissen und seinen Glauben an deinen Auftrag für ihn?"

Wenn auf diese Frage keine Antwort kommt, dann haben sich eigentlich alle Fragen nach Gott erledigt, denn klarer, besser, wahrhaftiger, tapferer als Jesus kann niemand nach Gott fragen und sich ihm anvertrauen, bis in den furchtbaren Tod am Kreuz. Dann wäre es eigentlich gleichgültig, ob da ein Gott ist oder nicht.

Paulus drückt das so aus: Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden; Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen (1. Korinther 15, 16). Er bekennt: Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten (1. Korinther 15, 20).

Wenn Gott ist, dann hat das für uns nur Bedeutung, wenn ER Kontakt zu uns aufnimmt.

Die Religionsgeschichte ist ein langer Bericht von dieser Kontaktaufnahme die sich zunehmend entwickelt und geklärt hat - mit Entwicklungssprüngen wie bei der Evolution des Lebens - von der Pflanze zum Tier und vom Tier zum Menschen.
Ein solcher Sprung war die Offenbarung und die Verheißung Gottes an Abraham, die Befreiung der Abrahamnachkommen aus Ägypten (was die Juden im Pessachfest gerade feiern), der Bundesschluss Gottes mit seinem Volk am Sinai und seine Geschichte mit diesem Volk - einem Volk das bei allem Abfall und aller Umkehr sein heiliges Volk ist und bleibt. In Jesus, dem Gekreuzigten, öffnet dieser Gott Israels seinen Bund jetzt für alle Menschen - so meinte Jesus.
"Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Eingeborenen Sohn gab, damit alle die an ihn glauben nicht verloren gehen sondern ewiges Leben haben."

Die Auferweckung Jesu ist das Siegel auf diesen neuen Bund, der uns einschließt, aber Israel nicht ausschließt! Und immer noch ist es so, wie damals: das Ereignis macht Glauben möglich, es beseitigt nicht die Zweifel, doch hat es eine völlig neue Wirklichkeit in die Welt gebracht. Manchmal ist es einfach ein klares Wissen, manchmal mit Zeifeln, manchmal sind es eigenartige Geschehnisse, wie damals bei den Jüngern - aber es ist so lebendig, dass es die Zuversicht schenkt: "Dieses Leben in der Liebe und Gnade Gottes - das ist ewig."