Adventsstimmung - damals und
heute
Advent, Advent - nun brennt
schon das vierte Licht. Trotzdem noch eine Woche fürs Weihnachtsgeschäft,
für die Weihnachtsvorbereitungen und für die Hoffnung auf die
richtige Weihnachtsstimmung.
Eine beschwerliche Reise
Wenn das jemand Maria erzählt
hätte, damals eine Woche vor der Geburt ihres ersten Kindes. Sie
war wohl auf dem Weg von Nazareth nach Bethlehem - hoffentlich hatte sie
einen Esel für den Weg von 150 km, besonders für den Aufstieg
von Jericho hinauf nach Jerusalem, 1.000 m Steigung auf 30 km. Und dort
oben konnte es kalt werden im Dezember (wenn denn das damals im Dezember
war). Vorweihnachtliche Stimmung herrschte damals nicht, nicht bei Maria,
und Josef, nicht in Jerusalem und auch nicht in Bethlehem.
Volkszählung
im gesamten Römischen Reich
Wenn wirklich eine Volkszählung
der Anlass für die Reise war, wie es die Geschichte erzählt,
dann ging es da nicht feierlich zu. "Schätzung" nennt das
Lukas Evangelium die Zählung, und das war es auch. Das Land gehörte
zum römischen Reich, und der Boden in diesem Reich galt als Eigentum
Roms. Nicht, dass römische Bauern kamen, um ihn zu bewirtschaften,
das durften die Bewohner tun - und sie mussten es tun, denn von dem Ertrag
waren Steuern zu zahlen. Deren Höhe hing ab von der Art, der Ertragskraft
des Bodens. Das Land wurde vermessen, die Ölbäume wurden gezählt,
der Ackerboden beurteilt, Weinberge geschätzt, alles wurde in Karten
eingezeichnet. Und dann war zu klären, wem was gehört, d.h.
wer wie viel Steuern zu zahlen hat an die kaiserlichen Steuereintreiber
- "Zöllner" werden die in den Evangelien genannt.
"Und diese Schätzung
war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien
war." steht im Lukas Evangelium. Das war schwerste Arbeit für
die Landvermesser und Steuerbeamten - erst die Karten anlegen, Feld für
Feld, Garten für Garten - für jede eroberte Provinz - und dann
die Listen. Es ging um Grund und Boden, dazu mussten die Besitzverhältnisse
geklärt werden. Möglich war das nur, wenn alle möglichen
Besitzer anwesend waren. Weil der Bodenbesitz aber meist geerbt war und
damit auf Familien verteilt, mussten diese komplett vor Ort erscheinen.
Sonst hätte sich für manchen steuerpflichtigen Besitz niemand
gemeldet - einen nicht anwesenden Besitzer aber zu ermitteln, würde
zumindest sehr langwierig gewesen sein, und die Listen mussten irgendwann
komplett werden. Alle mussten da sein, und oft waren strenge Verhöre
nötig, bis für den letzten Baum oder Weizenacker ein Steuerzahler
in der Liste stand. In Gallien hat dieser Prozess 40 Jahre gedauert -
in Israel ging es schneller.
Da machte sich auf auch
Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische
Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem
Hause und Geschlechte Davids war, damit er sich schätzen ließe
mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger.
Es blieb ihm gar nichts anderes
übrig, denn die Ländereien der Davidsfamilie lagen in Bethlehem
- und er gehörte zu dieser Familie.
Musik
"Weil er aus dem Hause
und Geschlechte Davids war" - das war der Grund, warum Josef mit
Maria nach Bethlehem musste.
Kein Platz
Es gibt Weihnachtslieder und
Krippenspiele, in denen die beiden als Fremdlinge von Tür zu Tür
gehen, anklopfen und abgewiesen werden. Wahrscheinlich war es anders -
sie hatten wohl Verwandte dort, doch auch die hatten keinen Platz frei.
In den 1.000 Jahren seit dem Stammvater David war die Familie seiner Nachkommen
gewachsen, und viele mussten dort in Bethlehem, der Stadt Davids, erscheinen.
Da war kein Platz mehr in der Herberge - deshalb der Stall und die Krippe.
Danach, als die meisten wieder weg waren, da wurden sie sicher aufgenommen,
so dass die Weisen aus dem Morgenland sie wohl nicht im Stall angetroffen
haben. (Aber die Bilder sind doch so schön, lassen wir sie da in
unserer Vorstellung).
Nachkomme Davids
Kaum einer von uns wird seinen
Ur, Ur, Ur, und noch dreißigmal Urgroßvater kennen, doch wenn
wir Nachkommen von Karl dem Großen wären, wüssten wir
es wahrscheinlich. Und David war nicht nur der erste große König
Israels, er hatte Jerusalem zur Hauptstadt gemacht, auf ihn ging der Tempel
zurück (den sein Sohn erbaute), seine Geschichte und seine Psalmen
waren in der Bibel stets gegenwärtig, und einer seiner Nachkommen
sollte der Messias sein, der Gesandte Gottes mit dessen Kommen das Reich
Gottes anbricht. Sicher hat jeder seiner Nachkommen in 33 Generationen
erfahren, dass er zum Hause und Geschlecht Davids gehört - auch Maria.
Die heidnischen römischen
Besatzer weckten das jüdische Bewusstsein
Ohne die Erwartung des Messias
hätte das Volk wohl kaum überdauert - die Zerstörung des
Tempels und die babylonische Gefangenschaft, die Zeit des Wiederaufbaus
und der griechischen Besatzung, die Befreiungskriege und jetzt die römische
Besetzung. Doch 1.000 Jahre auf den Messias warten, das ist lang - jetzt
wurde es Zeit!
Da hatte ein Priester beim
Opfer im Tempel - dem Rauchopfer direkt vor dem Allerheiligsten - eine
Engelserscheinung. Gabriel, ein Erzengel, verkündete ihm, dass ihm
ein Sohn geboren wird - endlich! Der wird der direkte Verkünder des
kommenden Messias sein, Johannes soll er heißen.
Ein halbes Jahr später
erscheint Gabriel der Maria und verkündet ihr, dass sie Mutter des
Messias wird, das war neun Monate vor Bethlehem - jetzt war es so weit.
Die Kirche hat den Geburtstag Jesu auf die Wintersonnenwende gelegt, die
Geburt des Johannes muss dann ein halbes Jahr früher, zur Sommersonnenwende
sein - an Johanni.
Johannes tritt später
auf als Täufer am Jordan, im Prophetenmantel. "Tut Buße,
denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!", ist sein Ruf - er
wird gehört. Und es ging zu ihm hinaus das ganze jüdische Land
und alle Leute von Jerusalem und ließen sich von ihm taufen im Jordan
und bekannten ihre Sünden. Das mag etwas übertrieben sein, doch
beschreibt es die Stimmung im Land.
Auch Jesus lässt sich
taufen - doch liegen zwischen Bethlehem und der Taufe 30 Jahre. Wenn diese
Zeit umgerechnet wird auf ein Kirchenjahr, von Weihnachten bis Ostern,
dann entspricht die Zeit von heute bis Heilig Abend annähernd dem
Zeitraum von der Ankündigung der Johannesgeburt bis zu Jesu Geburt.
Das verringert meine Zweifel, ob das Thema unserer heutigen Sendung den
richtigen Termin hat.
Musik
Wir haben geschaut auf die
vorweihnachtliche Zeit, die so gar nicht weihnachtlich gestimmt war, damals
in Bethlehem und damals im jüdischen Land. Und doch war es genau
die Zeit, von der Paulus später sagt: Als aber die Zeit erfüllt
war, sandte Gott seinen Sohn.
In der Erwartung des Messias
tauchen zwei Männer auf
Die Herrschaft des heidnischen
Rom weckte das jüdische Bewusstsein: "Wir sind das Volk Gottes!"
Der Tempel erstrahlte in neuem Glanz, doch erbaut hatte ihn Herodes, König
von Roms Gnaden, und kein Jude. Der äußere Druck weckte die
Hoffnung auf Befreiung, auf die Ankunft des Messias, den Anbruch des Gottesreiches.
In diese Zeit wird Johannes geboren und ein halbes Jahr später Jesus
- mit ihm verwandt.
Wie ein Prophet tritt später
Johannes auf, als wiedergekommener Elia wird er angesehen. Er verspricht
die unmittelbar bevorstehende Ankunft des Messias und den Anbruch von
Gottes Reich und ruft zur Buße und Taufe. Wahrscheinlich sind viele
von denen, die dann später zu Pfingsten die Predigt des Petrus verstehen
und sich auf den Namen Jesus Christus taufen lassen, solche, die von Johannes
getauft waren.
Jesus ist inzwischen 30 Jahre,
es wäre Thema für einen spannenden Roman, sich in diese Jahre
hinein zu denken. Eines Tages kommt auch Jesus an den Jordan, Johannes
soll ihn taufen. "Du mich!" meint Johannes - doch Jesus besteht
darauf.
Das wäre eins der spannendsten
Kapitel in dem Roman, denn dieser Moment verändert das Leben Jesu
völlig - und nicht nur das, es ändert den Lauf der Weltgeschichte.
Auch diese Sendung ist eine der Folgen. "Du bist mein lieber Sohn",
so hört Jesus die Stimme Gottes, als er aus der Taufe auftaucht.
Es ist der Satz, welcher dem König in Israel zugesprochen wurde bei
der Salbung, die ihn zum "Meschiach", zum Gesalbten Gottes machte.
Für Jesus muss es das Siegel gewesen sein: "Du bist der Messias."
In Bethlehem, da begann sein
menschliches Leben - jetzt tritt der ein in das Leben seiner Sendung.
Es wird drei Jahre später am Kreuz enden, wenn er sagt: "Es
ist vollbracht." Die Auswirkungen dieses Lebens und dieses Sterbens
gehen nun schon ins dritte Jahrtausend. Millionen, ja Milliarden Menschen
haben erlebt: Er war nicht nur für die Juden gekommen, sondern als
Heiland für alle Menschen.
Manches ist im Gedicht deutlicher
gesagt als mit vielen Worten. Friedrich Rückert, ein Franke und ein
großer Orientalist, der vom Abendland, vom "abendlichen Strande",
oft in den Orient, "hin durch die Morgenlande" fuhr, der hat
es so gesagt:
Bethlehem und Golgatha
Er ist in Bethlehem
geboren,
der uns das Leben hat gebracht,
und Golgatha hat er erkoren,
durchs Kreuz zu brechen Todes Macht.
Ich fuhr vom abendlichen
Strande
hinaus, hin durch die Morgenlande;
und Größeres ich nirgends sah,
als Bethlehem und Golgatha.
Wie sind die sieben
Wunderwerke
der alten Welt dahingerafft,
wie ist der Trotz der ird'schen Stärke
erlegen vor der Himmelskraft!
Ich sah sie, wo ich
mochte wallen,
in ihre Trümmer hingefallen,
und steh'n in stiller Gloria
nur Bethlehem und Golgatha.
O Herz, was hilft es,
dass du kniest
an seiner Wieg' im fremden Land!
Was hilft es, dass du staunend siehst
das Grab aus dem er längst erstand!
Dass er in dir geboren
werde
und dass du sterbest dieser Erde
und lebest ihm, nur dieses ja
ist Bethlehem und Golgatha.
Friedrich Rückert
Dr. Hans Frisch
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