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Karfreitag

gesendet am 29. März 2013 von Dr. Hans Frisch
 

Friedhelm (Tom Schilling) im Schützengraben, ZDF-Dreiteiler "Unsere Mütter, unsere Väter"
Friedhelm (Tom Schilling) im Schützengraben. Er teilt die Kriegsbegeisterung seiner Kameraden nicht. Diese nennen ihn einen Feigling, da er sich im Gegensatz zu allen anderen nie freiwillig zu Einsätzen meldet. ZDF-Dreiteiler "Unsere Mütter, unsere Väter" . Foto: ZDF/David Slama

Friedhelm (rechts i. Bild) heißt der Bruder von Wilhelm und der Freund von Victor – die meisten werden sie gesehen haben in dem Fernsehfilm über den Krieg: „Unsere Mütter, unsere Väter“ (ZDF). Siebeneinhalb Millionen Zuschauer hatte der letzte, der dritte Teil.

Heute ist Karfreitag - beim Nachdenken über die Sendung, die vom Tod am Kreuz reden muss, sah ich das Ende des Friedhelm vor mir.

In einem Kiefernwald, sicher nicht weit von Berlin – denn soweit sind die Russen schon vorgedrungen - liegt er, den Karabiner im Anschlag, in Deckung. Neben ihm ein älterer Volkssturmmann und daneben zwei Jungen - zwölf ist der eine - auch mit Karabiner und Volkssturmbinde.

Der Zwölfjährige drängelt: „Wir müssen doch schießen! Der Führer hat versprochen, dass wir gewinnen.“ Er ist kaum zurückzuhalten.
Doch plötzlich steht Friedhelm auf, läuft in Richtung der Russen und schießt mit seinen Karabiner - wahrscheinlich in Luft. Es sieht aus wie Selbstmord, denn selbstverständlich wird er von den Schüssen der Russen getroffen, ja durchsiebt.

Erst da begreift man: Er hat die Jungen gerettet - nicht nur die zwei. Eine ganze Reihe steht aus der Deckung auf und hebt die Hände - hätte einer von ihnen geschossen, sie wären alle im Feuer der Maschinengewehre gestorben. Friedhelms Tod hatte sie zur Erkenntnis gebracht.

Kurz vor Jerusalem, lässt Jesus aus Nazareth zwei seiner Leute einen jungen Esel besorgen

Als Jesus zum Passahfest nach Jerusalem kam, sah das aus wie Selbstmord. Er wurde steckbrieflich gesucht - der Hohe Rat hatte seinen Tod beschlossen. Nicht nur, weil er das Sabbatgebot übertreten hatte - wiederholt, trotz Verwarnung - nicht nur, weil er als „Pseudoprophet“ und als „Volksverführer“ auftrat - alles todeswürdige Vergehen (es kam noch einiges dazu!) - in der Hauptsache fiel der Beschluss, weil er als Messias angesehen wurde - und „Messias“ bedeutete in der aufgeheizten Situation Aufstand!

Aufstand gegen Rom konnte nur in einer Katastrophe enden - und die musste verhindert werden. „Lassen wir diesen, dann werden alle an ihn glauben und dann kommen die Römer und nehmen uns Land und Leute“ - und: „Es ist besser, einer stirbt für das Volk, als dass das ganze Volk verdirbt.“ - so war der Todesbeschluss begründet worden.

Maschinenpistolen gab es damals noch nicht - doch als er die Händler und Geldwechsler mit einer Peitsche aus dem Tempelhof vertrieb und ihre Tische umwarf - da wusste er, dass er seine Gegner provoziert. Das war am Montag.

Am Sonntag war er nach Jerusalem hineingeritten, auf einem Esel unter den begeisterten Rufen der Massen, die ihre Palmzweige für den Passahgottesdienst ihm zu Füßen legten und ihn als König begrüßten. Nicht die Spur von Deckung - im Gegenteil!

Ihn greifen aus der Masse, das konnte die Tempelpolizei nicht riskieren - doch konnte es nur eine Frage der Zeit sein, bis es in aller Stille geschieht, am einfachsten in der Nacht. Das wusste er - schon dreimal in den letzten Monaten hatte er den Jüngern sein Ende angekündigt - und zu diesem Ende war er nach Jerusalem gekommen.

Musik

Man könnte einen Film drehen - spannend und erschütternd, vielleicht auch in drei Teilen:

1. Teil

Ankunft, Einzug und Auftreten in Jerusalem – die hektischen Beratungen der Priesterschaft und des Hohen Rates, das Angebot des Judas, Jesus zu verraten, so dass die Verhaftung ohne Aufsehen und ohne Aufstand der Pilgermassen möglich ist - und Massenszenen am Ölberg und im Tempel. Aber auch stille Szenen in Bethanien im Hause von Maria und Martha - auch Lazarus ist dabei. Schöne Bilder wären möglich bei der Salbung, als Maria kostbarstes Öl auf Jesu Haupt gießt - dazu die Reaktion der Jünger auf diese Verschwendung.

2. Teil

Das letzte Abendmahl mit seinen Jüngern im Film "Die Passion Christi" von Mel Gibson
Das letzte Abendmahl mit seinen Jüngern im Film "Die Passion Christi" von Mel Gibson
© 2003 Icon Distribution Inc. All Rights Reserved. Im Verleih der Constantin Film.

Der zweite Teil: Das Abendmahl. Wer ein jüdisches Sedermahl mitgefeiert hat, der weiß, wie viel filmische Möglichkeiten es bietet. Es ist das Abschiedsmahl des Meisters, der den furchtbaren Tod am Kreuz vor Augen hat - und die Jünger merken nichts davon. Die Ankündigung: „Einer von euch wird mich verraten“, die Fragen: „Herr bin ich's?“ Judas fragt auch - Jesus antwortet: Der ists, dem ich den Bissen eintauche und gebe. Und er nahm den Bissen, tauchte ihn ein und gab ihn Judas, dem Sohn des Simon Iskariot.

Wahrscheinlich war es ein Büschel Bitterkräuter in Salzwasser getaucht („Das sind die Leiden unsere Väter in Ägypten und ihre Tränen“ ist die Bedeutung). Was für eine Szene - abgeschlossen von der Aufforderung an Judas: „Was du tun willst das tue bald!“, als ob er ihm das Stichwort gibt - denn das Timing ist knapp. Jeder Regisseur würde das Sterben Jesu geschehen lassen in der Stunde, in der die Passahlämmer im Tempel geschlachtet werden - und sicher würden wir erfahren: „Hier stirbt das Lamm Gottes.“ Soweit ist es noch nicht, doch schon 18 Stunden später.

Es ist das Abschiedsmahl des Meisters, der den furchtbaren Tod am Kreuz vor Augen hat – und die Jünger merken nichts davon. Vor der eigentlichen Mahlzeit bricht er das ungesäuerte Brot, verteilt es und deutet dieses Passahsymbol neu – nach dem Segensspruch: „Das ist das Elendsbrot, das unsere Väter aßen in Ägypten“ spricht er: Nehmt hin und esst. Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Solches tut zu meinem Gedächtnis“.

Und nach dem dritten Becher zum Abschluss: „Das ist der neue Bund in meinem Blut.“
Es folgen noch Abschiedsworte und das hohepriesterliche Gebet. An Petrus die Ankündigung der Verleugnung - die bald geschehen wird, noch bevor der Hahn am Morgen kräht.
Dann in Gethsemane der Gebetskampf - Blut und Wasser als Angstschweiß. Doch er sagt Ja zu seiner Sendung, zum Willen des Vaters - und erwartet die Verhaftung. Der Verräterkuss - was Maler zur Darstellung bewegt hat, das könnte im Film stark sein.

Wahrscheinlich würde der Prozess vor dem Hohen Rat und dem Hohen Priester in den dritten Teil kommen. Höhepunkt dieses Teils (und des ganzen Films) - der Abschluss des Prozesses.

Musik

3. Teil

Jesus steht vor dem Synhedrium, dem Hohen Rat. Es ist das höchste, heilige Gericht der Judenheit.
Nach dem Kreuzverhör (mit Verteidiger, denn Jesus schwieg) sind die Zeugenaussagen entkräftet und der Freispruch war fällig. der Prozess ist eigentlich beendet. - Da tritt der Hohepriester in den Ring und eröffnet damit einen neuen Prozess.

Was für eine Begegnung: Der angeklagte Ketzer steht vor dem Hohen Priester. Als ob er alles Bisherige beiseite wischt, stellt dieser die Frage: „Sage uns frei heraus, bist du der Messias der Sohn des Hochgelobten?“ (denn den Name Gottes durfte nicht öffentlich ausgesprochen werden)
Jetzt antwortet Jesus sofort, deutlich und tödlich: „Ani hu - ich bin es“ - der Hohepriester versteht es so, wie es gemeint ist: „ICH bin Er!“, denn „Ani hu“ ist die Selbstbezeichnung Gottes im Alten Testament und in der Tempelliturgie. „Ich, ich bin es, und ist kein Heiland außer mir“ sagt Gott durch den Propheten Jesaja.

Im Film wäre das schwierig zu vermitteln - doch die Reaktion des Priesters und der Ratsmitglieder zeigt: das war Gotteslästerung! - und darauf steht die Todesstrafe. Alle 71 Ratsherren sind selbst Zeugen, und das Urteil fällt einstimmig – Tod!

Der kürzeste Prozess der Weltgeschichte - eine Frage eine Antwort - Todesurteil!

Das Ende, des Friedhelm, der „Opfertod“, im Film, hat uns dazu gebracht, die Passionsgeschichte in den Evangelien zu betrachten mit den Augen eines Regisseurs, der ein Drehbuch liest. Je länger wir dahin schauen, umso mehr können wir staunen über die perfekte Regie - doch das ist kein Film!

Jesus vor dem römischen Prokurator Pilatus im Film "Die Passion Christi" von Mel Gibson
Jesus vor dem römischen Prokurator Pilatus im Film "Die Passion Christi" von Mel Gibson
© 2003 Icon Distribution Inc. All Rights Reserved. Im Verleih der Constantin Film.

Nach dem Todesurteil des Hohen Rates ist alles brutale Wirklichkeit - nicht so brutal wie in dem Passionsfilm von Mel Gibson, doch unabwendbar tödlich. Auch der römische Prokurator Pilatus kann es nicht aufhalten – er muss das Urteil vollstrecken – und Jesus stirbt am Kreuz.

Viele haben Schwierigkeit, dieses Sterben als etwas zu sehen, das für uns geschehen ist und absolute Bedeutung für uns hat. Friedhelm im Film („Unsere Mütter, unsere Väter“, ZDF) kann uns vielleicht helfen. (Mir kommt es wohl deshalb besonders nahe, weil der zwölfjährige Volkssturmjunge mein Jahrgang ist.)

Der ganze Film zeigt, wie ein Volk durch Verführung, durch Illusion, durch falschen Ehrgeiz, durch Egoismus und andere Gründe zum Werkzeug des Bösen wird - der tapfere ältere Bruder erkennt mit Entsetzen, dass er heldenhaft für ein gewaltiges Verbrechen kämpft. Er rettet sein Leben indem er den bestialischen Führer seiner Kompanie ersticht - wir sehen es mit Genugtuung.

Friedhelm erkennt von Anfang an die Verlogenheit und die Verlorenheit des Geschehens - und opfert sich, um wenigstens die verführten und missbrauchten Schüler zu retten.

Jesus sieht die Verlorenheit seines Volkes, und die Verlorenheit der Menschheit - und sieht keinen anderen Weg zur Rettung als seinen Opfertod - brutal und blutig. Weil das wirklich so ist, deshalb ist Karfreitag und Ostern für mich der Gottesbeweis. Wer das ignoriert, weiß nicht, welches Angebot er ablehnt.

Heute ist Karfreitag, ein guter Anlass, noch einmal genau hinzuschauen und hin zu hören. Dann könnte uns Ostern das geschehen, was die verzweifelten Jünger damals erlebten: „Er lebt - er ist der Erlöser!“