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3. Advent

gesendet am 14. Dezember 2014 von Dr. Hans Frisch
Advent 

 

Jetzt erklingt es wieder: „Tochter Zion freue dich.“ Zart (0.50 – 1.40) oder mit Pauken und Trompeten (3.02 – 3.23). In YouTube können wir miterleben, wie der Dresdner Kreuzchor, es singt in der wieder aufgebauten Frauenkirche (Tochter Zion Mix Dresdner Kreuzchor 29. November 2009 auf Youtube).

Zumindest innerlich stimmen wir ein in den Gesang, denn es schwingen Saiten in uns mit, und Seiten in unserem Erinnerungsbuch werden aufgeschlagen – vielleicht auch Seiten in dem Buch der Bücher, aus dem der Text kommt.

Woher hat das Lied „Tochter Zion freue dich“ seinen Text?

Er stammt von dem Propheten Sacharja. Der hatte die Rückkehr des jüdischen Volkes aus der babylonischen Gefangenschaft miterlebt ins zerstörte Jerusalem. Seit 49 Jahren lag der Tempel in Trümmern, und nun begann der Wideraufbau -, genau wie der Wiederaufbau der Frauenkirche aus den Trümmern 49 Jahre nach dem Feuersturm bei der Zerstörung Dresdens.

Doch nicht deshalb erklingt dieser Gesang dort, es ist ein Adventkonzert - und „Tochter Zion freue dich“ ist das Adventslied. „Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel“ sagt der Prophet (Sacharja 9, Vers 9) - und als Jesus am Palmsonntag in Jerusalem ankommt, da zitiert er diesen Propheten mit einer eindeutigen Zeichenhandlung - er reitet auf einem Esel in die Stadt.
Wenn du jetzt meinst: ich bin in der falschen Sendung - Advent hat mit Weihnachten zu tun, Palmsonntag mit der Passionszeit, dann hast du eigentlich recht - aber hab Geduld.

Sacharja prophzeit ein messianisches Friedensreich - Advent

Wenn du evangelisch bist und am ersten Advent im Gottesdienst warst, dann hast du eine Predigt über den Palmsonntagtext gehört. „Advent“ heißt „Ankunft“ - und damals vor 2014 Jahren in der Zeit, als Jesus geboren wurde, da war niemand (außer Maria und Josef) in Erwartung einer Ankunft. Doch als 30 Jahre später Jesus geritten kam - der, von dem viele meinten, er könnte der verheißene Messias sein, da wurde er begrüßt mit Palmzweigen, mit Hosianna und als „König von Israel“ - der endlich ankommt.

Woher hat das Lied „Tochter Zion freue dich“ seine Melodie?

Ein Theologe in Erlangen hat aus dem Siegeschor in Händels Oratorium „Judas Maccabäus“ dann ein Kirchenlied zum Palmsonntag gemacht - und das passt wirklich perfekt in den Advent. Nun werden die wenigsten der Sänger wirklich wissen, was sie da singen. „Tochter Zion“ – wer ist das? „Jauchze laut Jerusalem“ – warum soll eine Stadt jauchzen?

Noten "Tochter Zion, freue dich"

Das in Deutschland als Adventslied bekannte Stück "Tochter Zion, freue dich" mit seinen nur sechzehn unterschiedlichen Takten basiert auf von Friedrich Heinrich Ranke (1798–1876) umgetexteten Chorsätzen aus Georg Friedrich Händels Oratorien Judas Maccabäus und Joshua.
Quelle: Notierung aus dem Rheinisch-Westfälischen Provinzial–Gesangbuch, 1893 / wikipedia.de

Noten von Händels Oratorium Judas Maccabäus
Die ersten acht Takte des Chorsatzes aus Händels Oratorium Judas Maccabäus zum Vergleich: Rankes "Tochter Zion" (oben) und Händels vierstimmiger Chor weichen nur in der Tonart (G-Dur bzw. Es-Dur) und in rhythmischer Hinsicht nur punktuell ein bisschen voneinder ab, z.B. in Takt 7 (hier blau).Quelle: wikipedia.de, gemeinfrei

„Siehe dein König kommt zu dir“. Das muss Jesus sein, doch den kannte der Prophet Sacharja nicht - 500 Jahre vor Christi Geburt. Offensichtlich wussten die damals am Palmsonntag bei der Ankunft, „dem Advent“ Jesu so riefen, was sie meinten. Die Adventszeit ist ein guter Anlass, da einmal genauer hinzuschauen. Doch hören wir erst einmal den Kreuzchor in der Dresdner Frauenkirche, das war am ersten Advent 2009, vom ZDF gesendet.

Musik

Zion

„Tochter Zion freue dich“ - die meisten werden wissen oder ahnen, dass Zion etwas mit Jerusalem zu tun hat. Man könnte sagen: „Zion ist Jerusalem, seit David die Stadt erobert hat“. Auf dem Berg, wo der Tempel später gebaut wurde, da lag die Zionsburg - und um die herum baute David seine Stadt (heute eine große Ausgrabungsstätte). Es wurde der politische und geistige Mittelpunkt von Israel, und David blieb in der Erinnerung des Volkes als der große König. Keiner seiner Nachfolger reichte an ihn heran.

Schwerter zu Pflugscharen, Skulptur  im Garten der UNO in New York
Schwerter zu Pflugscharen, Skulptur von Jewgeni Wiktorowitsch Wutschetitsch - 1959 Geschenk der Sowjetunion an die UNO - Garten im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York City Foto: wikipedia.de unter creative commons-Lizenz.

Doch Prophezeiungen verhießen nicht nur eine Wiederherstellung seines Reichs, sondern einen Herrscher auf seinem Thron, der Weltgeltung hat und ewig herrschen wird in einem Friedensreich - den „Gesalbten Gottes“, den „Messias“. Damit würde die Geschichte der Menschheit an ihr Ziel kommen, alle Völker würden den göttlichen Herrscher anerkennen und nach Zion pilgern. „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden“ (diese Vision steht als Denkmal vor dem UN Gebäude in New York). „Das Gottesreich wird es sein – und der Messias wird es bringen.“ Das war die Erwartung, und zu Jesu Zeit war diese Erwartung brennend. Deshalb das „Hosianna dem Sohn Davids“ bei der Ankunft, „dem Advent“ Jesu in Jerusalem am Palmsonntag.

Die Erwartung war mit Zion, dem Tempel und der Stadt Jerusalem verbunden – deshalb „Tochter Zion freue dich jauchze laut Jerusalem“.

Das war sechs Tage vor Karfreitag, und an dem Tag starb Jesus am Kreuz - es starb die Hoffnung, er wäre der Messias - selbst bei den Jüngern, die ihn zwei Jahre begleitet hatten.
Wie sollen wir nun von hier auf Advent und Weihnachten kommen?

Die Geschichte ging weiter mit Ostern und Pfingsten – und Milliarden Menschen haben seitdem erfahren, „mit Jesus ist tatsächlich das Reich Gottes angekommen“. Anders als das jüdische Volk es erwartete – der Tempel und ganz Jerusalem wurden 40 Jahre später zerstört, 100 Jahre später kam einer, der sich Messias nannte, und es kam zum letzten Aufstand und zur endgültigen Katastrophe. Fast zwei Jahrtausende blieb im weltweit zerstreuten Volk der Juden die Hoffnung auf Heimkehr nach Zion und Jerusalem lebendig - bis der Zionismus einen neuen Anfang stiftete.

Das prophezeite Friedensreich ist bis heute nicht in Sicht

Ein Friedensreich ist aber bis heute dort nicht in Sicht. Mit Jesus ist Gottes Reich angekommen - mitten in der Welt, die so ist wie sie ist, faszinierend und erschreckend, manchmal friedlich und oft voller Krieg, mit wunderbaren und mit furchtbaren Menschen. In dieser Welt erfahren Menschen einen inneren Frieden, eine Befreiung, eine Zuversicht durch die Beziehung zu Jesus Christus, die von äußeren Ursachen und Bedingungen nicht abhängt. Und zwischen diesen Menschen entstehen neue Beziehungen, sie wissen sich als Brüder und Schwestern in Christus.

Das nahm seinen Anfang nach Pfingsten, als die erste Gemeinde entstand. Mein Kollege, der Arzt Lukas, hat es miterlebt und er erforschte damals die Biografie dieses Jesus. Die Ergebnisse seiner Befragungen hat er aufgeschrieben – so kam die Weihnachtsgeschichte in die Welt, mit Stall und Krippe, mit Hirten und Engeln in Bethlehem und mit dem Kind in der Krippe.

Wer will kann es sich auf dem Christkindlesmarkt ansehen. Vielleicht bläst ein Posaunenchor gerade „Tochter Zion freue dich“.

Musik

Die Nachfrage nach Advent- oder Weihnachtsstimmung ist da

Christkindlesmarkt Nürnberg
Christkindlesmarkt Nürnberg
Foto: Roland Berger, wikipedia.de Creative-Commons-Lizenz

Ich gebe zu, das war bisher nicht geeignet, eine Advent- oder Weihnachtsstimmung zu erzeugen. Doch das wird der überall angeboten – und zum Teil sehr professionell, da können und wollen wir nicht konkurrieren. Dass dieses Spiel sich jedes Jahr wiederholt ohne Ermüdungszeichen, das spricht dafür, dass da eine bleibende Nachfrage und ein echtes Bedürfnis besteht.

Der Grund ist relativ leicht zu erkennen: Seit jeher wurden in der Menschheit heilige Feste gefeiert, die gaben der dahinströmenden Zeit Struktur. Früh wurden die Festtermine vom Rhythmus der Jahreszeiten bestimmt - und die Wintersonnenwende bekam da eine zentrale Stellung.

„Sol invictus“ – „siegreiche Sonne“ hieß das Fest in Rom, und gerade Kaiser Konstantin war zunächst ein Sonnenverehrer - denn, sol invictus war der Gott des Kaisers. Als er Christ wurde, da konnte man das Fest nicht einfach abschaffen – so wurde es gewissermaßen „getauft“: „Jesus ist die siegreiche Sonne, das Licht der Welt“ - und „am 25. Dezember ist er geboren“. Dies war die neue Bedeutung. So konnten weiterhin Lichter entzündet und Geschenke gemacht werden – und das uralte Fest des Lichts in der dunkelsten Zeit des Jahres blieb lebendig.

Ein Bedürfnis danach ist sicher auch in uns vorhanden, trotz hell erleuchteter Städte und Wohnungen. Nicht nur die abstrakte Zeit wird strukturiert, auch in unseren Gefühlen erleben wir gemeinsame Einstimmung.
Wenn es wirklich darum geht, für Jesus Christus einen Geburtstagstermin zu finden - ein besserer ist kaum vorstellbar. Und wie nahe die allgemeine Weihnachtstimmung den religiösen Bedürfnissen des Menschen ist, zeigen die überfüllten Kirchen an Heiligabend.

Im Vergleich zu anderen Angeboten für „das Religiöse“ im Menschen ist Weihnachten sicher Spitze - und ein Wegfall dieses Marktes dürfte schwer durch anderes zu ersetzen sein. Die Nachfrage nach religiöser Erfahrung oder zumindest religiöser Stimmung existiert seit Menschengedenken und wird bleiben.

Bei Jesus Christus geht es nicht um Religion, sondern um Beziehung

Doch bei Jesus Christus geht es nicht um Religion, sondern um personale Beziehung. Die kann durchaus auch an Weihnachten beginnen (oder gestiftet werden). Es ist die Geburtstagsfeier dessen, der in eine religiös geprägte Situation geboren wurde - doch mit einer absolut persönlichen Beziehung zu dem Gott, der in dieser Gesellschaft mehr oder weniger ernsthaft verehrt, geliebt und gefürchtet wurde.

„Ich und der Vater sind eins“ sagte er, „Wer mich sieht der sieht den Vater“, „Ich bin der Weg die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch mich“.
Solche Aussagen ließen damals und lassen heute eigentlich nur zwei Möglichkeiten offen: „Der spinnt“ oder „Er ist es“.

Es geschahen viele Wunder, die den Verdacht weckten, er könnte es sein, er sprach und handelte mit einer selbstverständlichen Autorität, er ignorierte souverän kulturelle, religiöse und soziale Unterschiede und Abgrenzungen. Er blieb dabei, bei seinen Aussagen und seinem Verhalten, als sich die Messiaserwartung auf ihn richtete, obwohl er wusste: „Messiasglaube bedeutet Aufstand gegen die römische Besatzung - und das müssen die Verantwortlichen um jeden Preis verhindern, denn es würde in die Katastrophe führen“.
Doch er wusste auch: „Ich bin nicht vom Vater gesandt als politischer Befreier, sondern als Erlöser“, und, Prophetenworte vom leidenden Gottesknecht der stirbt für die Menschen zur Erlösung, die bestärkten seinen Glauben. So ging er wissend in den Tod – auch für mich und dich.

Dessen Geburtstag feiern wir – welche Stimmung wir dabei haben, ist ohne Bedeutung, wenn wir nicht glauben können oder nicht glauben wollen, dass er kein Spinner war, sondern unser Erlöser ist.

Am Anfang seines öffentlichen Auftretens hat er seine Sendung erklärt:

„So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde“. (Johannes 3, 16)

„Die Welt geliebt“ – das meint auch mich und dich. Wir dürfen Nein oder Ja dazu sagen – und das macht den Unterschied bei Weihnachten.

Dr. Hans Frisch