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Taufe Jesu

gesendet am 12. Januar 2014 von Dr. Hans Frisch
 

Advent, Weihnachten, Neujahr und Heilige Drei Könige – die Parade der Festtage ist vorüber, heute ist der erste Sonntag nach Epiphanias. (Wenn Epiphanias dir fremd ist – es ist der gleiche Tag wie Dreikönige)
In fast allen evangelischen und katholischen Kirchen wurde heute - vor ungefähr einer Stunde – das dritte Kapitel des Matthäusevangeliums gelesen, über den Täufer Johannes und die Taufe Jesu – denn am Sonntag nach dem 6. Januar ist der Gedenktag dieser Taufe.

Für die meisten von uns liegen in der Vorstellung Geburt und Taufe nah beieinander – bei Jesus liegen 30 Jahre dazwischen, die drei Jahrzehnte aus denen fast nichts überliefert ist.

Für Baptisten ist selbstverständlich, dass ein Mensch sich taufen lässt, wenn er zum Glauben an Jesus Christus gekommen ist – aber das konnte ja für Jesus nicht gelten. Oder vielleicht doch? Wagen wir einmal, mit unserer Fantasie da hinzuschauen.

„Jeschua“ war sein Name – wahrscheinlich hatte die Mutter ihm irgendwann erzählt, dass ein Engel ihm diesen Namen gegeben hatte, als er seine Geburt ankündigte. Auch dass er „Sohn des Höchsten“ genannt werden soll, und dass als er der verheißene Nachkomme Davids ein König Israels sein wird für alle Zeit. Was kann ein Kind schon damit anfangen?

Doch als er mit zwölf Jahren im Tempel war, da fühlte er sich wie zuhause, denn Gott hatte er sich immer vorgestellt als Vater. Doch wie es weitergehen sollte mit dem „Stuhl Davids“ und „König über Israel“, das war unklar. So wurde er erwachsen, und nichts geschah.

Der Jordan, der Fluss, an dem Johannes taufte. Seit dem Sechs-Tage-Krieg bildet er die Grenze zwischen Jordanien und Israel.
Foto von David Bjorgen bei wikipedia unter creative commens lisence

Sein Cousin Johannes, von dem der Engel wohl auch einiges erzählt hatte, den hatten seine Eltern in ein ganz strenges Kloster gegeben - in der Wüste, unten am Toten Meer. Der wusste: „Ich bin ein Prophet, ich soll die Ankunft des Messias ankündigen“.

Und nun trat er auf, unten am Jordan, bekleidet mit einem Prophetenmantel aus Kamelhaar und predigte: „Das Reich Gottes bricht bald an - tut Buße und lasst euch taufen, wenn Ihr dabei sein wollt. Der Messias ist schon unter euch - bald werdet ihr ihn sehen.“

Ganz Jerusalem war in Aufregung. Massen liefen an den Jordan und ließen sich taufen.

Da wusste Jesus: „Johannes meint mich - ich bin der, den er ankündigt.“ Er geht zu Johannes: „Taufe mich!“ Der ist verwundert: „Ich dich? Du bist es doch! Taufe du mich.“ Doch Jesus gibt nicht nach - und er geht ins Wasser. Johannes taucht ihn unter. Als er wieder auftaucht, da hört er eine Stimme: „Du bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe“ - und wie eine Taube kommt in seinen Geist die Gewissheit: „Ich bin es wirklich.“

Musik

Wir wollten versuchen, uns vorzustellen, ob Jesus sich taufen lassen konnte, weil er zum Glauben an Jesus Christus gekommen war.

„Christus“, das ist griechisch für „Messias“, „der Gesalbte“.
Denn die Könige in Israel wurden nicht gekrönt, sondern gesalbt. Auch David war ein „Meschiach“ - und bei der Salbung wurde ihm zugesprochen: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.“ Damit galt er als Sohn des Höchsten.
Nun, bei der Taufe, hatte Jesus gehört: „Du bist mein lieber Sohn“ - nun wusste er: „Ich bin sein Sohn, ich bin der gesalbte Gottes, der Messias“. Jetzt konnte er es glauben.
Rein menschlich gesprochen könnten wir sagen: Jetzt war Jesus zum Glauben an Jesus Christus gekommen.
Doch reicht menschliche Fantasie und menschliches Reden nicht aus, um das zu begreifen und es auszudrücken, was dort geschah.
Die Kindheit, die Jugend und die Zeit des jungen Mannes bis zur Taufe können wir mit unserer Fantasie füllen – wie es in einigen apokryphen Evangelien und auch im Koran geschehen ist. Von jetzt an ist Jesus der Gesalbte Gottes, der Messias, der Sohn des Höchsten – und es ist Gottes Geist, der in ihm und durch ihn wirkt und in Erscheinung tritt. Deshalb beginnen die Evangelien eigentlich mit der Taufe - Matthäus und Lukas im dritten Kapitel, Markus und Johannes in ersten.
1000 Jahre waren vergangen, seit der Verheißung an David, dass einer seiner Nachkommen der eigentliche Gesalbte Gottes sein wird. Durch kritische Zeiten - das babylonische Exil, den Wideraufbau nach der Befreiung, die griechische Besatzung und die Befreiungskriege hatte die Verheißung Trost, Mut und Hoffnung lebendig erhalten. Doch jetzt war es höchste Zeit! Es musste sichtbar werden, dass nicht der göttliche Kaiser in Rom sondern der Gott Israels wirklich herrscht, in der Person des Messias auf dem Stuhl Davids.
Wenn die römischen Besatzer erkannt hätten, was der Massenzulauf zu der Taufe durch Johannes bedeutet, soviel wie ein Eid auf den kommenden Messias – sie wären nervös geworden.

Als dann Jesus seine Sendung antrat nach der Taufe und die Messiashoffnung sich auf ihn richtete, da wurden zunächst die jüdischen Führer und Priester nervös – denn sie wussten, was daraus werden kann, ja, bei der explosiven Situation werden muss.
Wir gedenken in diesem Jahr des Kriegsbeginns vor 100 Jahren - und sicher werden die Ursachen, die Vorzeichen und die Auslöser dieser Explosion des Schreckens analysiert.
Die Priesterschaft in Jerusalem erkannte bald die Gefahr, die mit dem messianischen Auftreten Jesu entstand - und konnte sie abwenden, wenigstens aufschieben (dank der Hilfe von Judas). 40 Jahre danach begann der Aufstand, der Tempel wurde zerstört. 100 Jahre später kam ein Anführer, Bar Kochba, der „Sternensohn“, bezeichnete sich als Messias und wurde vom Rabbi Akkiba bestätigt. Der Bar Kochba-Aufstand brach los und brachte das Ende des jüdischen Staates und die Zerstreuung des Volkes in die Welt. Judäa hieß seitdem Palästina.
In so einer explosiven, dramatischen Zeit lebte Jesus – und mit der Taufe wurde er in ihren Brennpunkt gestellt.

Musik

Zwischen Taufe und Kreuzigung liegen drei Jahre. Wahrscheinlich blieb Jesus noch ein Jahr mit Johannes dem Täufer zusammen - das machte ihn sicher bekannt. Es gesellten sich einige Jünger zu ihm.
Als dann Johannes eingekerkert wurde, da trat Jesus öffentlich auf mit seiner Botschaft: „Ich bin der, den Johannes angekündigt hat. Ich bin der, den der Vater gesandt hat. Ich bin der Weg, die Wahrheit, das Leben – niemand kommt zum Vater als durch mich“. Und es geschahen wunderbare Dinge, die es bestätigten - und den Zulauf zum Täufer umlenkten in einen Zulauf zu Jesus.

Es könnte manche irritieren, dass so menschlich von Jesus, dem Sohn Gottes geredet wird – aber die meisten von denen sind jetzt im Gottesdienst und hören nicht zu.

Dagegen wird mancher sich wundern, dass die Erzählungen der Evangelien so wörtlich zitiert und ernst genommen werden. Haben doch Generationen von Theologen versucht, den historischen Hintergrund der Geschichten zu ergründen – und nicht allzu viel gefunden. Im Nachhinein hätten die Christen die Geschichten so gestaltet, dass sie passen - ist oft zu lesen. Erstaunlich ist schon, wie alles zusammenpasst - das so hinzukriegen wäre eine literarische Meisterleistung gewesen.

Doch eigentlich ist es ja recht einfach: 50 Tage nach Karfreitag und Ostern ist die erste Christengemeinde zu Pfingsten entstanden - 3000 Taufen an einem Tag (vielleicht auch etwas weniger). Selbstverständlich wollten die neu getauften etwas von Jesus erfahren, und die Jünger mussten erzählen und immer wieder erzählen, was sie in den vergangenen zwei Jahren, besonders in den letzten Zeit vor der Kreuzigung mit ihm erlebt hatten.

In einer Zeit, die weitgehend auf mündlicher Überlieferung fußte, dürfte diese sehr zuverlässig gewesen sein - besonders bei so frischen, so eindrücklichen und erschütternden Erlebnissen. Auch die mündliche Weitergabe wird zuverlässig erfolgt sein, wurde doch damals der gesamte Talmud nur mündlich überliefert. Erst nach der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 wurde der Talmud schriftlich fixiert, damit er nicht verloren geht.

Lukas hatte sein Evangelium (und die Apostelgeschichte) sicher früher geschrieben – und er hat schon Geschichten vorgefunden, die im Markusevangelium aufgeschrieben sind. Also ist dieses noch früher entstanden.

Kaum ein historisches Werk aus alter Zeit ist näher an den Ereignissen als diese Erzählungen. Die Zweifel kommen wohl eher aus dem Inhalt, zum Beispiel die Stimme vom Himmel, die Wunder, die Auferstehung und die Erscheinung des Auferstandenen nach Ostern. Die eigentliche Frage, die dahinter steht lautet: „Ist Jesus wirklich der von Gott gesandte Retter - der Messias?“ Oder: „Ist Gott wirklich?“

Wenn ich das bejahe, dann wäre eher verwunderlich, wenn in diesem wichtigen Moment der Menschheitsgeschichte keine Wunder geschehen.

Wenn ich es verneine, dann ist der genaue Ablauf eigentlich nicht interessant – doch müsste ich dann eine Begründung finden für die Tatsache, dass die Botschaft von Christus, dem Erlöser, durch zwei Jahrtausende lebendig geblieben ist.

Selbst diese Frage verblasst neben der entscheidenden Frage: „Ist er für mich gestorben?“

Wenn ich dies bejahe, dann bekommen die Erzählungen, dann bekommt das ganze Geschehen - auch die Entwicklung im jüdischen Volk bis dahin und die Entwicklung der Gemeinde Christi danach - für mich und für die Welt wirklich Bedeutung – und die Taufe Jesu steht da an wichtiger Stelle.

Dr. Hans Frisch