gesendet am 12. November 2000 von Dr. Hans Frisch |
|
Drittletzter Sonntag in Kirchenjahr - soweit ist das Jahr 2.000 schon gekommen. Kein Festtag, kein besonderer Anlaß helfen bei der Wahl des Themas - das ist die Gelegenheit, von etwas zu erzählen, was mich schon lange bewegt - die Schöpfungsgeschichte. Keine Angst, es wird nicht fundamentalistisch. Eher habe ich Angst, daß Zuhörer, die den Schöpfungsbericht auf eine bestimmte Weise wörtlich nehmen, irritiert oder verärgert sein könnten - ich würde die aber bitten, trotzdem bis zum Ende zuzuhören. Andererseits gibt es viele Menschen, die den Schöpfungsbericht der Bibel nicht kennen - und manche, die ihn gar nicht kennen wollen, weil sie meinen, er widerspricht dem wissenschaftlichen Bild, daß wir uns von der Weltentstehung machen.Deshalb werde ich auch einiges aus dem Bericht in der Bibel zitieren, was Kennern eigentlich überflüssig erscheinen wird. Am Anfang ein Erlebnis: Vor einer Reihe von Jahren saß ich im Sessel und las den Schöpfungsbericht in einer anderen Übersetzung - dabei hatte ich plötzlich den Eindruck, als fielen mir Schuppen von den Augen. Schon lange habe ich gestaunt, wie weit die Schöpfungsschritte in der Bibel mit meiner wissenschaftlich geprägten Anschauung übereinstimmten - und plötzlich sah ich, daß diese Übereinstimmung sogar ganz exakt ist. "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Die Erde aber war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe" - das deckt die ganze Entwicklung vom Urknall bis zur frühen Erdgeschichte ab, als unser Planet noch ein Glutball war, wahrscheinlich erhitzt durch das Trommelfeuer von Meteoreinschlägen allen Kalibers. Rauch, Vulkanasche, Schwefel- und Salpetersäuredämpfe und noch manche andere Chemie umhüllten diesen Glutball. Die Wasser der Ozeane waren als Dampf in der Höhe. Ein chaotisches Durcheinander in der Atmosphäre, wenn man das Gemisch "Atmosphäre" nennen will. Kein Lichtstrahl der Sonne drang bis auf den Grund - so wie es auf der Venus heute noch ist. "Die Erde aber war wüst und leer" - übersetzt Luther, was Hebräisch lautet "Tohuwabohu". Und mancher wird vielleicht noch im Ohr haben, wie seine Eltern das komplette Durcheinander im Kinderzimmer oder in der Bude des Jugendlichen - ein "Tohuwabohu" nannten. "Und es war finster auf der Tiefe". Kürzer und präziser ist dieses Stadium unserer Erdgeschichte wohl kaum zu beschreiben. Die Dampfmassen in der Atmosphäre kühlten sich zum Weltraum hin ab, regneten in tiefere, heiße Schichten der Atmosphäre und verdampften wieder - beim Aufsteigen transportierten sie die Verdampfungswärme wieder nach oben, wo sie abgestrahlt wurde - bis die Abkühlung so weit fortgeschritten war, daß zum ersten Mal Regen auf die Erdoberfläche fiel. Da stürzten die Ozeane auf die Erde. Asche- und Rauchpartikel, die Säuren und alle Chemie wurden aus der Atmosphäre gewaschen, so daß zum ersten Mal Sonnenlicht durch die Wolkendecke dringen konnte. "Und der Geist Gottes schwebte über den Wassern, und Gott sprach, es werde Licht. Und es ward Licht". Auch das ist kurz und präzise. "Und Gott sprach, es sei eine Wölbung zwischen den Wassern". Irgendwann war die Abkühlung soweit fortgeschritten, daß sich die Wolkendecke hob wie ein regnendes Gewölbe über dem grenzenlosen Wasser. "Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an besondere Orte, daß man das Trockene sehe. Und es geschah so" - geht der Bericht der Bibel weiter. "Nun ja" dachte ich, "vielleicht war die Erdkruste so dünn, daß die Plattentektonik und die Faltenbildung der Gebirge noch nicht Kontinente über die Wasseroberfläche heben konnten. Am nächsten Morgen kam "Bild der Wissenschaft", das ich abonniert hatte. Auf dem Titelbild - eine ganz von Wasser bedeckte Erdkugel: "Die panthallasische Erde" war das Thema - da gab es noch einige andere Theorien für den Zustand, den die Bibel hier beschreibt. Daß in dem Protokoll der Bibel die Unmasse von Algen im Urmeer nicht vermerkt ist, sei verziehen - das Mikroskop war ja noch nicht erfunden. Als aber das Pflanzenwachstum die Kontinente eroberte - da explodierte es dort in unvorstellbarer Weise. Eine dicke Wolkendecke, ständiger Regen, praktisch 100 Prozent Kohlendioxid und mineralreiche Vulkanaschen als Nährboden - das war ein Treibhaus. "Und Gott sprach: Es wimmle das Wasser von lebendigem Getier, und Vögel sollen fliegen auf Erden unter der Feste des Himmels. Und Gott schuf großen Seeungeheuer und alles Getier, das da lebt und webt, davon das Wasser wimmelt, ein jedes nach seiner Art, und alle gefiederten Vögel, einen jeden nach seiner Art." Daß tierisches Leben zunächst im Meer auftauchte, das ist richtig protokolliert. Wer will, kann bei den Großen Seeungeheuern an Saurier denken. Danach die Tiere auf dem Land, und schließlich der Mensch. Da dürfte wohl alles klar sein. Wer hat es gemerkt ? Einen Schöpfungstag habe ich ausgelassen: "Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht und geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre, daß sie scheinen auf die Erde. Und es geschah so. Und Gott machte ein großes Licht, das den Tag regiere, und ein kleines Licht, das die Nacht regiere, dazu auch die Sterne. Da ward aus Abend und Morgen der vierte Tag." Der vierte Tag. Nach dem Pflanzenwachstum - da erst Sonne und Mond und Sterne. Das paßt natürlich nicht ins wissenschaftliche Weltbild. Langsam: Wir müssen annehmen, daß eine Treibhausatmosphäre aus überwiegend CO2 mit einer zusammenhängenden Wolkendecke bestand. Das Kohlendioxyd wurde durch die Algen in Kalk eingebaut und sank auf den Meeresgrund - der Kalkstein der Dolomiten und anderer Gebirge ist damals entstanden. Durch absterbende Pflanzen wurde Kohlenstoff in den Kohlelagern gebunden, im Austausch gegen Sauerstoff. Die Veränderungen der Atmosphäre mußten zum Klimawechsel führen - zur Abkühlung. Zum ersten Mal riß die Wolkendecke auf - und da waren Lichter am Himmel, die vorher nie zu sehen waren. Die Schöpfungsgeschichte berichtet von der Erde aus: "Die Erde aber" - steht da am Anfang. Und auf der Erde waren erst jetzt die Himmelkörper sichtbar. Was wie ein Fehler aussah, erweist sich als präzise richtig. "Na und" - wird mancher meinen, "dazu brauche ich nicht die Bibel, das habe ich in der Schule schon so gelernt." Hast du dort auch gelernt, welche Schöpfungsberichte vor 3000 Jahren modern waren, zu welchen der Bericht in der Bibel in Konkurrenz steht? Da werden Götterstammbäume aufgezählt; da tötet ein junger Gott die gewaltige Urmutter und spaltet sie wie einen Fisch - aus den Hälften macht er die Erde und das Himmelsgewölbe; da schneidet ein Sohn mit der Sichel dem Vater die Genitalien ab und wirft sie ins Meer - aus dem Schaum, der sich da bildet entsteigt Aphrodite; da frißt ein Vater alle seine Kinder gleich nach der Geburt; da erschaffen sich Götter die Menschen, damit diese sie durch die Opfer ernähren. Ich will keinen dieser Schöpfungsmythen klein reden - in jedem sind wohl tiefe Fragen des Menschseins beantwortet. Aber, mit der Logik des biblischen Berichtes sind sie nicht zu vergleichen. Wer hat diesen Bericht geschrieben in jener Zeit, mit einer Richtigkeit, wie sie erst 3000 Jahre später durch lange Forschungen erkannt wurde? Als ob er dabei gewesen wäre und Protokoll geführt hätte bei den Entwicklungsstadien der Erde, in denen zunächst von Leben oder vom Menschen noch keine Spur war. Wenn das ein Zufallstreffer war, dann fange ich an Lotterie zu spielen, da ist die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen, millionenfach größer. Seit jenem Tag, als es mir wie Schuppen und den Augen fiel, da habe ich viel über diesen Bericht nachgedacht - und der Begriff "Verbalinspiration", als Ausdruck dafür, daß der Geist Gottes den Text wörtlich eingegeben hat, ist bis heute die einzige Erklärung, die mir einleuchtet (fragt mich bitte nicht, wie das ging). "Ja aber" - höre ich einige sagen - "das war ja nur der erste Schöpfungsbericht, der "jahwistische". Der zweite, mit Paradies und Schlange, mit Apfel und Engel mit dem Flammenschwert, der ist doch wie ein Märchen und paßt gar nicht zum ersten." Recht habt ihr: Wie ein Märchen ist die Geschichte. Aber, hier wird nicht mehr von der Weltenstehung berichtet, sondern vom Menschen erzählt. Und die wirkliche Wahrheit des Menschen ist viel eher im Märchen zu finden, als in einem wissenschaftlichen Protokoll - und die Wahrheit des Märchens kann man nur als Märchen weitergeben. Wenn jetzt andere erschrecken, daß ich hier von Märchen rede - wartet ab. Die Frage: "Was ist der Mensch" - die findet keine Antwort in dem ersten Schöpfungsbericht. Der ist mehr ein Protokoll. Die Geschichte, in der diese Frage beantwortet wird, die verlangt Personen. Wie ein Scheinwerfer beleuchtet die Paradiesgeschichte einen konkreten Ort, einen Garten, zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris. Da drinnen ist der Mensch - Adam. Er soll den Garten pflegen und bebauen. "Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei" findet Gott - und Er führt ihm die Tiere zu. Wie er sie nennt, so sollen sie heißen - doch da ist kein Partner dabei. Adam fällt in einen tiefen Schlaf. Als er erwacht, steht eine Frau vor ihm. "Bein von meinem Bein, Fleisch von meinem Fleisch - Eva soll sie heißen" sagt er. Sie haben ein paradiesisches Leben: Kein Mangel, keine Feinde, kein Gedanke an den Tod. Nur ein Verbot: "Vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen, da sollt ihr nicht essen - sonst müßt ihr sterben". Im Märchen wüßten wir gleich, - sie werden davon essen! Und: Eva sieht den Baum, die Früchte gefallen ihr. Eine verführerische Stimme redet ihr die Bedenken aus. Sie greift nach der Frucht, die schmeckt gut. Nichts passiert. Die Angst war überflüssig. Sie gibt auch Adam davon. Doch schon ist es vorbei mit der paradiesischen Unschuld - sie brauchen ein Feigenblatt, um ihre Scham zu verdecken, als Gott ruft. Sie leugnen nicht, daß sie von dem Baum gegessen haben, Adam schiebt aber die Schuld von sich weg auf die Partnerin, und die schiebt sie auf die Schlange. "Nun ist der Mensch geworden wie unser einer, er weiß was gut und böse ist" sagt Gott nach diesem Ereignis. Im ersten Schöpfungsbericht hatte er gesagt, "wir wollen Menschen machen, ein Bild das uns gleich sei". Trotzdem die Konsequenz: das Paradies ist zu Ende. - "Im Schweiße deines Angesichts sollst Du Dein Brot essen" - und noch einige andere schlimme Folgen werden versprochen. Es beginnt das Leben jenseits von Eden. Wer die Geschichte nicht kennt, sollte sie unbedingt lesen ganz am Anfang der Bibel, im Alten Testament. Wem das mit Paradies und Apfel und Schlange alles zu märchenhaft erscheint, der sollte einmal versuchen, genau zu beschreiben, wie der Mensch Mensch geworden ist. Wir stellen uns doch vor, daß die Evolution aus einem gemeinsamen Vorfahren von Menschenaffen und der Gattung Homo schließlich den Menschen hervorgebracht hat. Wenn es nun eine scharfe Grenze gibt, zwischen noch nicht Mensch und Mensch, dann muß diese Grenze doch einmal überschritten worden sein - von einem oder mehreren dieser Lebewesen der Gattung Homo sapiens. Die Geschichte erzählt: dieses Individuum lebte paradiesisch, im Einklang mit der Natur und mit seinen Instinkten, angepaßt an seine Umwelt. Wer die Gorilla-Filme vom Kilimandscharo gesehen hat, der kann sich das vorstellen. Doch dann war da der Baum, und der Instinkt sagte "Nein!" - Doch die menschliche Vernunft meldete sich und sagte: "Ich will es wissen". Da nahm Eva die Frucht, sie griff über die Grenze der instinktiven Hemmung hinaus und ergriff die menschliche Freiheit. Daß die andere Seite dieser Medaille die Schuld ist, hat sie und ihr Partner bald bemerkt. Diese Individuen, und ihre Nachkommen bis auf uns, werden nie mehr vor einer instinktiv gespürten Grenze zurückschrecken - bis zur Atombombe und sicher auch bis über die Grenzen der genetischen Manipulationen hinaus. Kann das klarer erzählt werden, als in dieser Geschichte? Die Folgen lassen nicht lange auf sich warten - der Brudermord ist das erste geschichtliche Ereignis jenseits von Eden - kein Lebewesen außer dem Menschen überschreitet diese instinktive Grenze. Wie gesagt, den Zugang zu dieser Schöpfungsgeschichte, den fand ich vor einer Reihe von Jahren. Ich habe viel darüber nachgedacht und staune unverändert, wie dieser Bericht vor über 3000 Jahren in dieses Buch kam. Ein Bericht, der durch die Jahrtausende immer aktuell geblieben ist und ohne Korrektur auch in unser heutiges wissenschaftlich fundiertes Weltbild paßt. Eine Geschichte, die mir sagt: Das Wesentliche am Menschen ist seine Freiheit - und seine Schuld. Die Geschichte dieser Menschheit macht Gott zur Heilsgeschichte - davon berichtet das ganze folgende Buch, und ich glaube, ein Buch, das so einen Anfang hat, das sollte man ganz ernst nehmen von der ersten bis zu der letzten Seite. Bei vielen Geschichten in der Bibel habe ich noch Schuppen vor den Augen - aber wunderbar ist es, wenn plötzlich wieder eine Geschichte, ein Text anfängt deutlich zu reden. Ich wünsche Euch allen solche Erlebnisse. Dr. Hans Frisch mehr bei uns: |