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Pfingsten
gesendet am 19.5.2002 von Gerhard Marsing
 

"Geistesgegenwart"

Als Jugendlicher meinte ich, ich wüsste genau, was Pfingsten ist. Die Geschichte hatte ich mehrfach gehört, das war interessant und ich hatte nicht den Eindruck, dass mir etwas fehlt, auch wenn mir nicht so ganz klar war, was das Ganze denn konkret mit mir zu tun hatte. Heute ist Pfingstfeiertag und wir Kirchenleute werden damit an das erste Pfingsten erinnert, wie es in der Apostelgeschichte im Neuen Testament im 2. Kapitel beschrieben wird.

So war es damals: Ein überfüllter Tempel und eine begeisterte Menschenschar. Nicht König Fußball, nicht Bands und Sänger brachten die Leute außer Rand und Band. Der Grund war Gottes Nähe.
Der Text erzählt von Windesbrausen, Feuerzungen und Sprachenwunder. Faszinierend: Menschen aus aller Welt verstehen sich. Wo gab's das je ? Wo gibt es heute trotz Dolmetscher und Übersetzungscomputer eine solche Verständigung ?
Aber ganz am Anfang, in der Geburtsstunde der christlichen Kirche damals war das so. Viele wurden vom Glauben berührt, getroffen und beglückt. Aber auch schon bei dieser ersten großen Veranstaltung der Christenheit gab es Kritiker, die das ganze einfach nicht kapierten. Sie spotteten: Diese Spinner, sie sind von ihrem Glauben besoffen.

So war Pfingsten damals. Inzwischen weiß ich: Pfingsten zielt nicht auf das Spektakel. Die Botschaft des Pfingstfestes heute heißt Geistes-Gegenwart. Geistesgegenwärtig ist dabei allerdings nicht der, der immer schlaue Sprüche drauf hat und dem auch in verzwickten Situationen etwas einfällt. Wo Gott mit seinem Geist anwesend ist, da herrscht Geistesgegenwart.
Sie kann in Gottesdiensten geschehen. Menschen lernen Gott kennen - und sie lernen dadurch auch den Mitmenschen besser kennen und akzeptieren einander.

Geistesgegenwart erleben Einsame. Dankbar spüren sie: Ich bin nicht allein. Gott verlässt mich nicht. Ich fühle mich in ihm geborgen. Geistesgegenwärtig sind Leute, die nicht mehr überheblich auf andere herabschauen. Sie hören zu. Sie fühlen sich ein. Sie wollen verstehen.
Geistesgegenwärtig werden Gleichgültige, die Interesse bekommen. Das Leben spricht sie an. Sie fragen nach Sinn. Sie suchen Jesus.
Durch Geistesgegenwart bekommen Unsichere seelisches Rückgrat. Sie werden selbstbewusst, denn sie wissen, sie sind wertvoll in Gottes Augen.

Gottes Geist verändert uns. Gottes Geist schützt Begabte vor Arroganz. Gottes Geist macht Traurige fähig, wieder zu lächeln. Gottes Geist schafft immer Gemeinschaft - auch unter Menschen, die sich sehr unterscheiden und die scheinbar nicht zusammenpassen. Wenn wir uns immer nur mit solchen zusammen tun, die uns gefallen, dann vergessen wir, dass wir Gottes Geist nötig haben. Aber wir brauchen ihn. Mit ihm können wir einander achten, auch wenn wir uns widersprechen und manchmal sogar streiten.

Gottes Geist ist geduldig. Er wächst in uns, wie eine Liebesbeziehung, und dabei überfällt er uns nicht wie ein heftiger Flirt, der rasch vergeht. Er wächst in uns, wie eine Blume, wie ein Baum, und es ist klar, dass die Zeit des Reifens nicht immer nur Blütezeit ist, sondern auch da gibt es Höhen und Tiefen.

Gottes Geist bewegt auch heute die Kirche und die Welt. Die erste christliche Gemeinde in Jerusalem wird nach diesem außergewöhnlichen Geschehen an Pfingsten so beschrieben: Sie blieben beständig in der Apostel Lehre, auch nach der Anfangsbegeisterung, beständig in der Gemeinschaft, im gegenseitigen Füreinander-da-sein, im Brotbrechen, also im Feiern des Abendmahls und im Gebet. Das ist christliche Gemeinde, auch heute noch, auch wenn es recht oft nicht so perfekt klappt. Christliche Gemeinde ist durch Gottes Geist "begeistert" und damit weit mehr als nur durch Sympathie und gemeinsames Interesse zusammengeschweißt. Wohl dem, der eine Gemeinde hat, in der Gottes Geist weht.

"Gott wohnt in uns"

"Was ist Pfingsten für ein Fest? Was hat es eigentlich mit dem Heiligen Geist auf sich." Solche Fragen hört man immer wieder. Es gibt leichtere Fragen des christlichen Glaubens. Und eine schnelle Antwort ist nicht parat. Aber das scheint vielen Theologen in der Kirchengeschichte nicht viel anders gegangen zu sein. Dafür gibt es in der Bibel einige Geschichten, die etwas vom Heiligen Geist oder vom Geist Gottes erzählen. Zum Beispiel im Richterbuch: "Der Geist Gottes geriet über ihn und die Stricke an seinen Armen wurden wie Fäden, die das Feuer versengt hat, so dass die Fesseln an seinen Händen zerschmolzen." Von Simson, dem Naturburschen wird hier erzählt, der den Feinden Israels zu schaffen machte. Oder David, der große König, blamierte sich einmal vor den Augen seiner Frau und seines Volkes: Als das Heiligtum Israels in die neue Hauptstadt Jerusalem gebracht wurde und David voller Freude in der Prozession mitlief, packte ihn der Geist Gottes, und er tanzte halbnackt vor allen her. Er der König - man stelle sich das vor!

Gut, diese Geschichten sind wohl nicht als Paradebeispiel gedacht für das Wirken des Heiligen Geistes. Aber sie sind Beispiele dafür, dass Gottes Geist auch handfeste Auswirkungen zeigt.

Der Geist Gottes kommt über Menschen. Die sehen plötzlich die Welt ganz anders. Sie gehen anders mit Menschen um und reden anders mit ihnen - ja, sie werden andere Menschen.

Die, die an jenem ersten Pfingsten ohne den Heiligen Geist blieben, behaupteten spöttisch: "Die sind voll süßen Weines - betrunken."
Es ist bei Verliebten so ähnlich: Sie sehen manches mit anderen Augen. Sind erfüllt von Gedanken an den geliebten Menschen und tun hin und wieder Dinge, die die anderen - die Nichtverliebten - für verrückt halten.
Der Heilige Geist erzeugt in uns so ein ähnliches Gefühl, das auf Gott ausgerichtet ist. Das ist es, was den Menschen, die damals, an jenem ersten Pfingsten zusammensaßen, geschah.
Gott kommt zu den Menschen, genauer gesagt: in den Menschen. Das meint der Apostel Paulus, wenn er die Christen in Korinth fragt: "Wisst ihr nicht, dass ihr der Tempel Gottes seid und der Heilige Geist in euch wohnt?" Der Tempel, das wusste jeder Jude, war der Ort der Gegenwart Gottes. Gott wohnte im Tempel. Heiliger Geist - das heißt also: "Gott wohnt in uns".
Und das kann tatsächlich neue Menschen aus uns machen. Menschen, die plötzlich die Welt anders sehen. Mit den Augen von Liebenden die Menschen erkennen. Die sehen, dass Gott nicht nur Vergangenheit ist oder eine Zukunftshoffnung, sondern auch eine Gegenwart für seine Welt und seine Geschöpfe hat, in der die Liebenden dazu befreit sind, aktiv mitzuwirken. Die Menschen, in denen der Geist Gottes ist, werden frei von der Last ihrer Sorgen um sich selbst und ihre Zukunft - und damit frei zum Handeln für andere.

Wenn wir in unseren Kirchen zu Pfingsten Lieder aus dem Gesangbuch singen, erschallt oft der Ruf: "Komm, Heiliger Geist". Wie oft habe ich diesen Satz selbst schon gesungen und mir nicht klar gemacht, dass ich hier eine konkrete Einladung ausspreche. Vielleicht rechnen wir gar nicht mehr damit und denken, er kommt ja sowieso nicht.
Wenn er aber doch kommt ? Wenn er wirklich in jeden einzelnen von uns kommt ?
Wie viel Befreiung aus vielerlei Zwängen und Lasten hätte der Heilige Geist für uns heute parat? Oder wehren wir uns standhaft, weil wir uns da wohl fühlen, wo wir gerade stehen und weil wir es uns gut eingerichtet haben in unserem Netz von Notwendigkeiten, Abhängigkeiten und Imagepflege?
Denn eines ist sicher: Menschen, die vom Heiligen Geist erfüllt werden, verändern sich, bewegen sich und werden aktiv.
Ist das nicht ein Angebot ? Ein kostenloses Angebot für alle. Ein Angebot das bei weitem all die marketinggeschwängerten Sonderangebote dieser unserer glitzernden Konsumwelt übertrifft.

"Pfingsten, so war es damals"

Am fünfzigsten Tag nach Ostern war es soweit. Der Heilige Geist, den Jesus versprochen hatte, kam auf die Erde. Viele Menschen waren an diesem Tag in Jerusalem versammelt. Sie alle feierten ein fröhliches Fest der Ernte. Aus vielen Ländern des damaligen römischen Reiches waren die Menschen gekommen. Sie alle wollten mitfeiern.

Die Jünger Jesu hatten sich in einem Haus versammelt. Und da geschah das seltsame und wunderbare: "Plötzlich hörte man ein mächtiges Rauschen, wie wenn ein Sturm, der vom Himmel herabweht. Das Rauschen erfüllte das ganze Haus. Dann sah man etwas wie Feuer, das sich zerteilte, und auf jeden von ihnen ließ sich eine Flammenzunge nieder. Alle wurden vom Geist Gottes erfüllt und begannen in verschiedenen Sprachen zu reden, jeder wie es ihm der Geist Gottes eingab.

Und die vielen Menschen, die nach Jerusalem gekommen waren, waren sehr erstaunt. "Als sie das mächtige Rauschen hörten, strömten sie alle zusammen. Sie waren bestürzt, denn jeder hörte die versammelten Jünger in seiner Sprache reden. Außer sich vor Staunen riefen sie: ,Die Leute, die da reden, sind doch alle aus Galiläa! Wie kommt es, dass wir sie in unserer Muttersprache reden hören?"

Ein großes Wunder war geschehen. Zu Pfingsten erhielten die Jünger den Heiligen Geist, das heißt den lebendigen Glauben, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hat, dass Jesus heute lebt. Die kleine ängstliche Gruppe von Jüngern stand plötzlich in Jerusalem und erzählte von dem, was Gott Großes getan hatte. Jeder sprach in einer anderen Sprache, die der Heilige Geist geschenkt hatte. Somit konnten die Menschen aus verschiedenen Ländern sie verstehen. Was wollte Gott damit deutlich machen? Von nun an sollten alle Menschen auf der Welt von der großen Liebe Gottes hören. Jeder soll wissen: Durch Jesus ist der Weg zu Gott offen und jeder Mensch kann nun zu Gott kommen. Wenn er dies tut, macht Gott ihn zu seinem Kind und schenkt ihm ein neues Leben. Diese gute Nachricht muss jeder Mensch hören!

Schnell sprach sich diese gute Nachricht herum. Viele Menschen kehrten ihrem alten Leben den Rücken. Bei Gott konnten sie ihre Schuld loswerden. Sie wollten nun ein neues Leben anfangen. Regelmäßig kamen sie zusammen, um mehr über Jesus zu lernen. Sie feierten miteinander und waren wie eine große Familie. Pfingsten war somit der Geburtstag der christlichen Kirche. Aber auch heute noch kann jeder Pfingsten erleben, der an Jesus Christus zu glauben beginnt.

Seit dem dritten Jahrhundert wird das Pfingstfest gefeiert. Immer am fünfzigsten Tag nach Ostern. Fünfzig heißt im Griechischen "pentecoste", und von daher leitet sich der Name "Pfingsten" ab. Es ist ein frohes Fest, und es erinnert uns an den Heiligen Geist, der neues Leben schenkt. Fröhlich und besinnlich zugleich ist das Fest auch bis heute geblieben.

Gerhard Marsing