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Abendmahl
gesendet am 24. August 2003
von Dr. Hans Frisch
 

Abendmahl

Nürnberg war schon oft im Blickpunkt von Rom. Sicher schon lange bevor der Stadtrat dafür sorgte, dass ihr Stadtpatron Sebaldus heilig gesprochen wurde, bestimmt auch als Kaiser Karl die Reichskleinodien nach Nürnberg brachte und ganz bestimmt als Nürnberg 1524 protestantisch wurde, die erste evangelische freie Reichsstadt.

Großhabersdorf ist jetzt wohl zum ersten mal Thema im Vatikan gewesen - und noch nie war dieses fränkische Dorf in Deutschland so bekannt.

Was ist geschehen? Auf dem Kirchentag in Berlin - dem ökumenischen - hatte der Dorfpriester von Großhabersdorf am evangelischen Abendmahl teilgenommen! Dafür traf ihn zwar nicht der Bannstrahl aus Rom, aber die Reaktion war heftig. Ich weiß zwar nicht, wie hoch auf der weit reichenden Skala der Kirchenstrafen die Konsequenzen einzuordnen sind - doch ein einhelliges Kopfschütteln und eine mehr oder weniger laute Kritik geht durchs Land, auch durchs katholische. Wahrscheinlich war Pater Kroll in Großhabersdorf und darüber hinaus noch nie so beliebt und verehrt wie jetzt.

Nun könnten wir als Freikirchler, als Baptisten, uns ja zufrieden zurücklehnen und zuschauen, wie die Kirche, die einst die Täufergemeinden verfolgt hat, in sich selbst uneins wird - zwar nicht über die Frage der Taufe, aber doch über ein zentrales Sakrament.

Die Diskussion hat ja längst die Konfessionsgrenzen übersprungen - ja, Leute die seit Jahren nicht mehr beim Abendmahl waren, haben eine feste und engagierte Meinung dazu. „Mittelalterlich“, „inquisitorisch“, „intolerant“ und mancher andere Vorwurf wird laut. „Die Ökumene ist in Gefahr“, „die Christen machen sich unglaubwürdig“, und ähnliche Befürchtungen tauchen auf.

Bei so viel Einmütigkeit verschiedenster Kreise sollte man schon genauer hinsehen, denn so viel dümmer, als alle die jetzt eine feste klare Meinung haben, kann Rom ja nun doch nicht sein. Vielleicht steht etwas sehr wichtiges, zentrales auf dem Spiel, was so auf den ersten Blick nicht sichtbar wird. Und wenn es dabei um ein Sakrament, also um etwas Heiliges geht, ist die öffentliche Diskussion, noch dazu mit breiter Beteiligung der verschiedensten Medien, sicher nicht der richtige Ort zur Klärung.

Wir wollen versuchen, genauer hinzusehen. Weil N1 nicht in Rom zu empfangen ist und die Internetseite von aref.de dort wohl auch nicht gelesen wird, brauchen wir die Inquisition ja nicht zu fürchten. Es geht zunächst um das Abendmahl in der katholischen und in der evangelischen Kirche. Ohne in die verschiedenen Deutungen einzusteigen, die dieses Sakrament in den verschiedenen Konfessionen hat, es ist das zentrale Thema der Trennung beider Kirchen.

Wer in Berlin-Spandau die Nikolaikirche besucht, der steht vor einem wandgroßen Gemälde. Ein Abendmahl in eben dieser Kirche ist dargestellt, wohl im 16. Jahrhundert - und der Fürst trinkt aus dem Kelch!

„An dem und dem Tag wurde in dieser Kirche das Abendmahl in beiderlei Gestalt genommen“ so ähnlich der Text unter dem Bild. Es war die Handlung, mit der die Nikolaikirche evangelisch wurde - und damit alle Untertanen des Fürsten. Das war die Bruchstelle: Die Gemeinde, Laien, tranken aus den Kelch, der dem Priester vorbehalten war. Und Luther hat wahrlich deutlich gemacht, dass hier die Bruchstelle ist. Wer sich an unsere Sendung vom Fronleichnamstag erinnert, der hat vielleicht seine derben Worte noch etwas im Ohr.

( Musik )

„Worum geht es beim Abendmahl“? - mit der Frage wären wir lange beschäftigt. Ein knapper Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu dem Thema füllt vier DIN A4 Seiten. Wir wollen uns beschränken auf die Frage: „Worum geht es bei dieser Bruchstelle zwischen den beiden Kirchen?“

Wenn beim Credo, beim Glaubensbekenntnis im katholischen Gottesdienst, gesprochen wird – „ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden und das ewige Leben“, dann kann der gutwillige evangelische oder baptistische Gast ja übersetzen: „katholisch“ das heißt „allgemein“, und er braucht die Kirche nicht zu verlassen.

Die meisten gutwilligen katholischen Mitchristen würden ihn da zustimmen - doch Kardinal Ratzinger hätte ganz entschiedene Einwände.

„Katholische Kirche, das meint die römisch- katholische Kirche - und nicht zufällig steht das zusammen mit Vergebung der Sünden und dem ewigen Leben, denn das gehört zusammen. Nur in der römisch-katholischen Kirche, wo der Priester die Weihe erhalten hat, die auf Petrus zurückgeht und die über die Reihe der Päpste von Rom weitergegeben wurde, nur in dieser Kirche haben die Priester die Vollmacht, die Jesus einst Petrus zugesprochen hat: ,Welchen du die Sünden vergibst, dem sind sie auch im Himmel vergeben´. Und daran hängt das ewige Leben!

Deshalb ist die katholische Kirche die allein selig machende Kirche. Bleib ruhig in der Kirche, doch geh nicht zur Kommunion - denn die ist das Zentrum der katholischen Messe!“ So ähnlich würde Ratzinger in aller Liebe uns evangelischen oder evangelisch-freikirchlichen Christen erklären.

Dass in dem Moment, wenn der Ministrant mit den kleinen Glocken läutet, da vorn die „Wandlung“ geschieht, also aus den Oblaten tatsächlich „Leib Christi“ wird, das wissen wir schon - doch warum nur der Priester aus dem Kelch trinkt, das ist schwieriger zu verstehen.

In Filmen ist der Beichtstuhl ein nicht selten auftauchendes Thema, und wo es ernsthaft dargestellt wird, kann auch ich eine Ahnung davon bekommen, was die Absolution, die Freisprechung durch den Priester für einen katholischen Christen bedeuten kann.

Diese Bedeutung kommt aus der besonderen Vollmacht des Priesters, und diese Heilsvermittlung durch den Priester ist das zentrale Ereignis im katholischen Glauben.

„Dies ist mein Blut, dass vergossen wird zur Vergebung der Sünden“ - so hatte Jesus den Kelch des Abendmahls gestiftet. Da ist es einleuchtend, dass der Kelch dem Priester zusteht, der die Vollmacht der Sündenvergebung hat.

Als Luther, der von Sündenangst getrieben war, und auch nicht durch Beichte und Absolution, erst recht nicht durch eine Pilgerreise nach Rom zur Heilsgewißheit kam, als dieser katholische Mönch und Theologe sich durch den Brief, den Paulus an die Gemeinde in Rom geschrieben hatte, überzeugen ließ, dass unsere Erlösung nur aus den Glauben an Jesus Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen kommt, da brauchte er nicht mehr die Heilsvermittlung durch den Priester. Das „allgemeine Priestertum aller Gläubigen“ war seine Devise, und Brot und Wein, Leib und Blut Christi, waren Zeichen der ein für allemal geschehenen Erlösung, die keiner Vermittlung mehr bedarf.

So kam es zum Bruch Luthers mit seiner römischen Kirche, und dieser Bruch ist bis heute gültig. Zu überbrücken wäre er nur, wenn die evangelische Kirche katholisch würde oder die katholische Kirche evangelisch - vor beidem bewahre uns Gott.
Jetzt wird es schwierig, nach der Musik wollen es trotzdem versuchen.

( Musik )

Wahrscheinlich haben wir ein Gefühl dafür bekommen, dass der Bruch zwischen katholisch und evangelisch nicht zu überbrücken ist. Dass Ökumene nicht zu einer einheitlichen christlichen Weltkirche führen kann, das ist wohl allen bewusst, die etwas davon verstehen. „Wir glauben doch alle an den einen Gott“ - das Argument ist zu billig, um daraus ein Credo für alle Christen zu machen. Es geht beim christlichen Glauben ja nicht um den Glauben an Gott, den haben Juden und Moslems doch mit uns gemeinsam, es geht um den Glauben an Jesus Christus, der uns erlöst hat - also: der unsere Beziehung zu Gott gestiftet, in Ordnung gebracht, und endgültig festgemacht hat.

Wie das geschehen ist und immer wieder und immerzu geschieht - darüber gab es Streit von Anfang an. Jeder hielt natürlich seine Erkenntnis, auf die er seine Erlösung, sein Seelenheil, sein ewiges Leben gründete, für absolut richtig, und damit auch verbindlich für alle.

Den Judenchristen, also den ersten Christen in Jerusalem war klar, dass Jesus der den Juden verheißene Messias ist, und dass zum Glauben an ihn auch die Einhaltung von Gottes Gesetz gehört, das dem Mose gegeben wurde.

Die Heidenchristen, besonders die von Paulus gegründeten Gemeinden, kannten das Gesetz nicht, aber sie erlebten Erlösung, eine Befreiung aus Ratlosigkeit und Aberglauben, aus Lastern und Schuld, aus Bindungen und Angst zu einem begeisterten, frohen Leben, durch Jesus Christus, der für sie, für ihre Schuld und Gottferne gestorben war und den sie als den Auferstandenen erlebten.

Wir können uns die Gottesdienste und das Gemeindeleben dieser Menschen kaum vorstellen. Eins war zumindest vorhanden bei all den verschiedenen Geistesgaben - Begeisterung. Und das war den Judenchristen, wenn sie denn Kontakt zu den Heidenchristen bekamen, so wenig geheuer, wie wenn heute ein Katholik oder ein braver evangelischer Christ in eine Pfingstgemeinde gerät.

Da gab es keinen Weg zu einer Einheitskirche - und das merkte schon Petrus. Als Paulus ihn in Jerusalem aufsuchte, um die „theologischen Grundfragen“, wie wir heute sagen würden, mit ihm zu klären, da gaben sie sich die Hand darauf, dass dem Petrus das Evangelium für die Juden und dem Paulus das Evangelium für die Heiden anvertraut ist.

Es fällt nicht schwer, in der römischen Kirche judenchristliche Elemente zu sehen: Jerusalem war Zentrum des jüdischen Glaubens - wie Rom für den katholischen, der Hohepriester war oberste Autorität - wie der Papst für die Katholiken das Sündopfer, durch das der Mensch Vergebung erlangt, konnte nur durch Vermittlung des Priesters geschehen - wie das Messopfer in dem katholischen Gottesdienst, die Einhaltung des Gesetzes stand im Mittelpunkt des jüdischen Glaubenslebens - so wie Gebote und Verbote aus Rom verbindlich sind für alle katholischen Christen.

Wer da Kritik hört, der hat mich nicht verstanden!

"Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen." In diesem Wort von Jesus sieht die katholische Kirche ihr Fundament, und ohne das Fundament im Judentum, besser: ohne die Wurzeln im Alten Testament, gibt es kein Christentum.

Im katholischen Raum sehe ich diese Wurzeln, und am Stamm der durch die Jahrtausende dauernden katholischen Kirche konnten die lebendigen Zweige der anderen Konfessionen und Gemeinschaften wachsen. Ich bin sicher, dass einsichtige Katholiken Martin Luther dankbar sind, dass sie Gott danken für den Anstoß der Reformation, der ihre Kirche wachgerüttelt hat in einer Zeit in der das lebensnotwendig war.

Die Äste und Zweige am Baum können nur hoffen, dass der Stamm gesund und lebendig bleibt. Wenn Zweige aus dem Stamm austreiben, ist das ein erstes Zeichen von Krankheit. Den Zweig zu entfernen - einen Landpriester aus dem Amt zu nehmen - das ist keine Therapie.

Es wäre heilsam, wenn die evangelische Seite ihre zentrale Aussage, „durch das Leiden und Sterben Jesu sind wir ein für allemal erlöst“, mit dem gleichen Ernst klärt und verkündetet wie die katholische Kirche ihren Auftrag bewahrt.

Aus der Spannung zwischen beiden könnte immer wieder lebendiger begeisterter Glauben entstehen.
Das möge Gott uns schenken.

Dr. Hans Frisch