Kain gesendet am 04. Juli 2004 von Dr. Hans Frisch |
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Kain" - der Name verlangt geradezu nach "Abel", denn als "Kain und Abel" hat sich das Bruderpaar, hat sich der Brudermord, in das Gedächtnis der Menschheit eingeprägt. Man kann Kain als geschichtliche Person ansehen oder als Person in einer Geschichte - ihn genauer anzuschauen lohnt sich so oder so !
Als erstes Menschenkind des ersten
Menschenpaares hatte er bestimmt vom Leben im Paradies gehört, das noch
ganz war, ganz eingebettet in die Natur und in die Beziehung zu Gott, als Teil
des Ganzen. Das war vorbei, jetzt galt der Satz: "Im Schweiße deines
Angesichts sollst du dein Brot essen" - als Bauer merkte er es. Die Sehnsucht
blieb; der Wunsch nach Beziehung zum Ganzen, aus dem man gefallen war, aus dem
man vertrieben war - die Sehnsucht nach Beziehung zu Gott.
Da macht Kain eine grandiose Entdeckung, eigentlich eine Erfindung: das Opfer.
Er verbrennt etwas von seiner Ernte, für den Gott, der seinen Eltern so
nahe war und der jetzt so weit weg ist - und der Rauch zieht hinüber, er
stellt Beziehung her. Kain weiß: "Ich bin nicht allein". Wir
müssten uns in einer völlig fremden Umgebung verlaufen und nach langem
Umherirren plötzlich den Rauch eines Hofes sehen, um etwas Ähnliches
zu spüren.
Was Kain damals erfunden hat, das Opfer, das ist in der Geschichte der Menschheit ein zentrales Element der Religion geblieben. Doch Kain hat es kein Glück gebracht: Abel, sein jüngerer Bruder, der Schafhirte, der macht es nach, und das Fett der Tiere brennt besser, der Rauch steigt senkrecht auf. "Gott sah Abel und sein Opfer gnädig an, aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an" - so deutet die Geschichte den Unterschied, und sicher deutete es Kain auch so.
Da ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick. Da sprach der HERR zu Kain: Warum ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick? Ist's nicht also? Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie.
Da sprach Kain zu seinem Bruder Abel: Lass uns aufs Feld gehen! Und es begab sich, als sie auf dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot.
So fängt die Menschheitsgeschichte
an, jenseits von Eden, und so geht sie weiter. Altäre und Tempel, Religionen
und Kulturen sind entstanden aus der Sehnsucht des Menschen nach dem Heiligen,
nach dem Ganzen, nach Gott - und Mord und Krieg haben oft ihre Wurzel in Verletzungen
oder Schändung dieser Sehnsucht.
Uns allen gilt Gottes Zuspruch an Kain: "Die Sünde lauert vor der
Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie."
Auch die Frage Gottes: "Wo ist dein Bruder?" gilt uns. Kains Gegenfrage: "Soll ich meines Bruders Hüter sein?", die hat auch für uns keine Gültigkeit. Gott sei Dank, GOTTES Heilsgeschichte ist die Geschichte mit den Nachkommen Kains, und sie schließt alle ein, die so oder so die Herrschaft über die Sünde nicht geschafft oder nicht gewollt haben.
Kains Sünde war der Brudermord - für unsere Sünden starb Jesus, der unser Bruder geworden ist.
Dr. Hans Frisch