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Bibel-Flash
Nathan
gesendet am 1.8.2004 von Gerhard Marsing
 

Es gibt Frauen, die machen mit ihrer Schönheit alle Kerle verrückt. Könige nicht ausgeschlossen. Batseba könnte so eine gewesen sein. David jedenfalls, ein ungewöhnlich gut aussehender Mann, ist völlig hin, als er sie vom Dach seines Hauses erblickt. Er verliert keine Zeit, sendet einen Boten, lässt sie kommen, schläft mit ihr und schwängert sie. Das nennt man Leidenschaft. Dumm nur, dass Batseba verheiratet ist. Für einen König kein Problem. Schon gar nicht im Krieg. Uria, Batsebas Mann, ist Soldat, gehört zur Elitetruppe. Also befiehlt David ihn an die vorderste Front. Er kann sicher sein, das Uria dort umkommt. Was prompt geschieht. Selbst der Tod anderer Männer wird in Kauf genommen: "Das Schwert frisst bald diesen, bald jenen." Nicht die feine Art. Aber ein König hat recht rabiate Möglichkeiten, Konflikte im Keim zu ersticken. Jedenfalls wird es so im Alten Testament berichtet. Soviel egoistische Kälte muss erschrecken. Und von Reue keine Spur. Zunächst nicht. Nach Totenklage und Trauerzeit wird Batseba Davids Frau. So wird die Form gewahrt und das Verbrechen vertuscht.

 

Aber David kommt nicht ungeschoren davon. Nathan, ein Prophet und einflussreicher Mann am Königshof, aus dessen jahrzehntelangem Wirken nur ganz wenige Ereignisse überliefert sind, setzt sich in Szene. Er erzählt dem König eine Geschichte von zwei Männern, einer arm, der andere reich. Der Reiche hat viele Schafe und Rinder, der andere gerade mal eines. Als der Geizhals Besuch erhält, denkt er nicht daran, eines seiner Tiere für das Gastmahl zu opfern, sondern nimmt das Lamm des Armen. Stinkreich missbraucht er seine Macht, bringt den Armen um sein Einziges und Liebstes. Unrecht, das nach Sühne schreit. David wird sehr zornig, fordert die Todesstrafe für den Täter. Nathans Appell an sein Gerechtigkeitsgefühl hat voll getroffen, doch David erkennt erst, dass er selbst das Subjekt dieser Fabel, der Reiche, ist als Nathan zu ihm sagt „Du bist das“. David der König, der Gesalbte, vor den Feinden errettet, mit Häusern und Harem, verurteilt David, den Menschen, den undankbaren, spricht das Urteil über ihn und damit über sich selbst.

 

Es wird nicht vollstreckt, doch die zweifache Sünde wird doppelt bestraft: Als Sühne für den Mord wird David vier seiner Söhne durch das Schwert verlieren. Den Ehebruch vergilt der eigene Sohn, der mit den Nebenfrauen des Vaters schläft. Ein schwerer Frevel zwar, doch wer den königlichen Harem übernimmt, gibt sich öffentlich als Herrscher aus, eignet sich des Vaters Königtum symbolisch an.

 

Am Ende der Strafpredigt kann Nathan dem zerknirschten David versichern, dass er am Leben bleibt. Nicht aber der Sohn, den er mit Batseba gezeugt hat. Da hilft kein Fasten und kein Beten. Nathan, der im Auftrag Gottes handelt, kennt kein Erbarmen. Dann folgt dem großen Auftritt des Propheten ein ganz leiser Abgang: "Und Nathan ging heim."

 

(2. Samuel 11,12).

 

Gerhard Marsing