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Die Auferstehung Jesu -
Fiktion oder Wirklichkeit ?

gesendet am 16.04.2006 von Elsbeth Rosen
 

Streitgespräch über die Auferstehung: Prof. Lüdemann versus Prof. Thiede. Aus dem Buch "Die Auferstehung Jesu - Fiktion oder Wirklichkeit?", Brunnen Verlag

These I: Die Evangelien wurden zu einem späteren Zeitpunkt von fremden Autoren geschrieben

"Der auferstandene Christus: die Leiche im Keller der Kirche"
So betitelt Prof. Lüdemann einen Beitrag über die Glaubwürdigkeit der Auferstehung Jesu. Er ist Anhänger einer theologischen Richtung, die den christlichen Glauben gründlich entrümpeln möchte, d.h. er will ihn von den sog. historisch unhaltbaren Mythen befreien. Dazu zählt er auch die Berichte von der Auferstehung Jesu in der Bibel.
Seiner Meinung nach haben sie keinerlei historischen Wert.
Er behauptet, dass keines der vier Evangelien im NT von einem Augenzeugen geschrieben wurde. Er glaubt vielmehr, dass sie erst zu einem viel späteren Zeitpunkt von heute unbekannten Christen verfasst wurden. Diese hätten bereits vorhandene Evangelien und eine Sammlung von Reden Jesu zu den heute vorliegenden Berichten im NT verarbeitet. Die Namen der heute bekannten Autoren seien erst viel später eingesetzt worden, um die Autorität der Berichte zu unterstreichen.

Prof. Carsten Peter Thiede untersucht die biblischen Berichte als Historiker und Papyrologe. Sein Fachgebiet sind die tatsächlichen Quellen: antike Texte, alte Papyrusrollen und Fragmente. Er wirft Prof. Lüdemann vor, diskutierbare Thesen als bewiesene Tatsachen hinzustellen. Dazu gehört die Behauptung, die Schreiber der Evangelien hätten eine Sammlung von Reden Jesu benutzt, weil sie seiner Meinung nach weder Augen- noch Ohrenzeugen waren. Diese ominöse Sammlung ist jedoch bis heute nicht gefunden worden.

Prof. Thiede weist darauf hin, dass bereits die ältesten Handschriften des Matthäusevangeliums um 110 n. Chr., den Jünger Matthäus als Verfasser bezeichnen. Das Gleiche gilt für das Johannesevangelium. Nicht nur der Schreiber selbst behauptet, dass er alles mit eigenen Augen gesehen hat, sondern auch die älteste urchristliche Überlieferung geht von dem Jünger Johannes als Schreiber des Evangeliums aus. Was Markus und Lukas betrifft, so behauptet keiner von beiden ein Augenzeuge zu sein, aber Lukas will ausdrücklich durch die Befragung von Augenzeugen die Wahrheit über Jesus herausfinden, nachzulesen in den ersten Versen seines Evangeliums. Der Evangelist Markus wird schon in ganz frühen Schriften als Schüler des Petrus bezeichnet, also eindeutig als einer, der direkten Zugang zu einem Augenzeugen hatte, nämlich zu dem Jesusjünger Petrus.

Der fünfte Auferstehungsbericht der Bibel stammt vom Apostel Paulus. Er schreibt in seinem Brief an die Gemeinde in Korinth von über 500 Männern, denen der auferstandenen Jesus begegnet ist. Dieser Brief wurde ca. 25 Jahre nach der Kreuzigung verfasst und die meisten der Zeugen der Auferstehung waren damals noch am Leben und konnten befragt werden.

Für Prof. Thiede ist die Quellenlage eindeutig: Die Auferstehungsberichte in den Evangelien sind historisch glaubwürdig. Seiner Meinung nach gibt es kein Ereignis der Vergangenheit, das so früh und so vielfältig bezeugt ist wie die Auferstehung. Zum Vergleich dazu, einige andere Beispiele aus der Weltgeschichte:

Im November des Jahres 333 besiegte Alexander der Große das persische Heer in einer vernichtenden Schlacht bei Issos. Kurz zuvor hatte er den berühmten gordischen Knoten durchschlagen. So zumindest wird es in den Schulen gelehrt. Tatsache ist jedoch, dass es dafür keinerlei zeitgenössische Zeugenaussagen gibt. Der einzige schriftliche Bericht über Alexander den Großen stammt von einem römischen Offizier namens Arrian, der erst ca. 450 Jahre nach dem Tod Alexanders gelebt hat. Einen anderen gibt es nicht. Trotzdem käme es keinem in den Sinn, Zweifel an seiner historischen Glaubwürdigkeit anzumelden.

Das gleiche gilt für die Schriften Cäsars z. B. über den gallischen Krieg. Sie entstanden im ersten Jahrhundert v. Chr., die uns erhaltenen Abschriften aber erst 900 n. Chr., also 1000 Jahre später. Trotzdem zweifelt wohl keiner daran, dass Cäsar der Autor ist.

Und noch ein letztes Beispiel: Alles, was wir über den griechischen Philosophen Sokrates wissen, stammt von seinem Schüler Plato. Er lebte im 4. Jahrhundert v. Chr., die frühesten uns erhaltenen Abschriften seiner Werke entstanden aber erst um 900 n. Chr., also 1200 Jahre später. Käme da einer auf den Gedanken, Sokrates habe vielleicht gar nicht gelebt, sondern sei nur eine Erfindung Platos?

Und nun noch einmal im Vergleich dazu die Evangelien. Als Historiker ist Prof. Thiede davon überzeugt, dass alle fünf Auferstehungsberichte der Bibel nur wenige Jahrzehnte nach dem Geschehen niedergeschrieben wurden. Wenn eine Quellenlage eindeutig ist, so Thiede, dann die der biblischen Berichte. Für ihn besteht kein Zweifel an ihrer historischen Echtheit.


These II: Die Berichte der Evangelien unterscheiden sich in Einzelheiten

Nach Meinung von Prof. Lüdemann ging es den Verfassern der Evangelien überhaupt nicht um die historische Wahrheit in unserem Sinne. Sie gestalteten und komponierten ihre Berichte um das vorhandene Material herum, um Glauben zu wecken. Dabei scheuten sie, nach
Ansicht Lüdemanns, auch nicht davor zurück, Ereignisse zu erfinden, um ihre Erzählabsicht zu unterstreichen.

Das schließt er aus den unterschiedlichen Versionen der Auferstehungsgeschichte in den vier Evangelien, was die näheren Einzelheiten betrifft. Alle bezeugen die Auferstehung, aber z.B. nennt Markus in seinem Evangelium namentlich drei Frauen, die am Ostermorgen zum Grab gehen um Jesu Leichnam einzubalsamieren.
Matthäus erwähnt nur zwei der genannten Frauen, und bei Lukas wird nur von Frauen allgemein gesprochen, er nennt weder Zahl noch Namen.

Auch die Anzahl der Engel, die den Frauen von der Auferstehung berichten, unterscheidet sich in den vier Evangelien. Matthäus und Markus erwähnen einen, Lukas und Johannes zwei.

Bestärkt in seiner Meinung sieht sich Prof. Lüdemann auch durch jene Berichte, die nur in einem der vier Evangelien vorkommen:
So erzählt z.B. nur Lukas davon, wie Jesus zwei seiner Jünger auf dem Weg nach Emmaus begegnete. Dort erklärt er ihnen anhand von Worten der Propheten aus dem AT, warum er hat sterben müssen, für Lüdemann ein Hinweis darauf, dass der Schreiber Texte aus dem AT benutzte, dann eine Geschichte dazu erfand, um bei seinen Lesern Glauben zu wecken bzw. ihren Glauben zu stärken.

Die Schilderung des Matthäus, dass ein Engel vom Himmel herabsteigt, den Stein vom Grab wegwälzt und der lebendige Jesus herauskommt, verweist Lüdemann komplett in das Reich der Phantasie. Der historische Wert der Auferstehungsberichte in den Evangelien ist für ihn gleich Null. Sein Fazit: Das Grab war nicht leer, der Leichnam Jesu ist verwest.

Prof. Thiede bewertet diese Berichte als Historiker völlig anders.
Er ist der Überzeugung, dass kein Ereignis der Weltgeschichte so gut bezeugt ist wie die Auferstehung Jesu, und dass die biblischen Berichte historisch zuverlässig sind.
Auf Grund seiner Forschungen ist er der Meinung, dass die Ereignisse an erster Stelle standen und die Evangelisten erst hinterher die Erfüllung der Prophezeiungen des AT erkannten.
Dass sich die Auferstehungsberichte in Einzelheiten unterscheiden, ist für ihn kein Grund an ihrer Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Im Gegenteil! Er bringt dazu folgendes Beispiel:

"Nehmen wir einmal an, spätere Historiker würden vom Fall der Mauer am 9. November 1989 einen Bericht lesen, der die Rolle Gorbatschows in den Vordergrund stellt; dann einen, der die Rolle der Fackelumzüge in den Straßen Leipzigs betont, ohne Gorbatschow überhaupt zu erwähnen; dann einen, der die Gottesdienste in der Leipziger Friedenskirche akzentuiert; und schließlich einen, der schlicht sagt, die Leute hätten auf der Mauer gesessen, und kein DDR-Soldat hätte die Waffe gegen sie erhoben.

Nehmen wir schließlich an, in keinem der vier Berichte würde genau das stehen, was in den jeweils anderen steht: Käme dann ein klar denkender Leser auf den Gedanken, die Berliner Mauer wäre nie gefallen oder gar, es hätte sie nie gegeben? Eine absurde Vorstellung, denn in den "hard facts" sind sie sich ja alle einig - es gab eine Mauer, sie fiel, und die Menschen konnten wieder vom einen Teil des Landes in den anderen gehen ohne erschossen zu werden. Gerade die Unterschiedlichkeit der Berichterstattung ergibt das Gesamtbild."

Das gleiche gilt für die Evangelien. Die Tatsache, dass die Evangelisten unterschiedlich detaillierte Einzelheiten erwähnen, ist für einen Historiker sogar ein entscheidendes Kriterium dafür, dass das jeweilige Ereignis historisch wahr ist. Wenn dagegen alle vier Evangelisten exakt das Gleiche geschrieben hätten, vielleicht sogar bis in den Wortlaut hinein, dann würde das bei einem Historiker einen Verdacht auf Manipulation der Wahrheit wecken. Dass sich die Evangelien in Nuancen unterscheiden, ist also eines der stärksten Argumente für die historische Wahrheit der Auferstehung.


These III: Die Auferstehungsberichte sind nicht objektiv, weil von Anhängern Jesu geschrieben

Eine weitere Behauptung Prof. Lüdemanns lautet: Die sog. Zeugen der Auferstehung waren alle Anhänger von Jesus. Sie konnten unmöglich objektive Berichte liefern.

Prof. Thiede entgegnet, dass in der Antike sicher mehr historische Texte von Anhängern als von Gegnern bestimmter Personen verfasst worden sind. Man denke nur an all die Berichte, von den Hofschreibern der Herrschenden. Man würde also von den biblischen Texten etwas
verlangen, was man vernünftigerweise von antiken Quellentexten nicht fordern kann.

Außerdem dürfte es jedem einleuchten, dass die Schrift eines Gegners ebenso wenig objektiv ist wie die eines Anhängers. Ein Geschichtswerk ohne Tendenz wäre von antiken Lesern als schlichtweg langweilig aus der Hand gelegt worden. Neutralität in der Geschichtsschreibung gibt es bis heute nicht, genauso wenig wie es in unserer Zeit eine neutrale Berichterstattung in den Medien gibt. Die Fakten sind dieselben, aber je nach der politischen Einstellung des Journalisten wird eine Person oder ein Vorfall unterschiedlich beurteilt und dargestellt, werden bestimmte Einzelheiten betont oder weggelassen. Nicht die Tendenz ist ein Kriterium für die historische Wahrheit eines Textes, so Thiede, sondern seine Glaubwürdigkeit.

Lüdemanns Vorwurf der Voreingenommenheit mag vielleicht für die vier Evangelisten gelten, Paulus jedoch war zunächst alles andere als ein Anhänger Jesu. Er hat seinen ersten Auftritt als fanatischer Verfolger der Christen, als einer der zufrieden beobachtete, wie ein führender Judenchrist namens Stephanus gesteinigt wurde, und der sich gleich anschließend mit Vergnügen daran machte, die Urgemeinde in Jerusalem mit Hausdurchsuchungen und Verhaftungen zu verfolgen. Noch immer nicht ausgelastet, reiste er in offiziellem Auftrag nach Damaskus, um auch dort Christen aufzuspüren.
Was immer man von Markus, Matthäus, Lukas und Johannes denken mag, dieser später Paulus genannte Mann war jedenfalls kein frustrierter, in seiner Karriereplanung getäuschter und enttäuschter Jünger, der sich mit Hilfe irgendwelcher Einbildungen einen Rest von Lebenssinn schaffen wollte. Er war vielmehr ein überzeugter, brutaler, tötungsbereiter Verfolger, dessen Leben sich radikal änderte, weil er dem auferstandenen Jesus begegnete, nachzulesen im 9. Kapitel der Apostelgeschichte.


These IV: Begegnungen mit dem Auferstandenen waren nur Visionen

Prof. Lüdemann kommt nach dem Studium der Bibeltexte zu dem Schluss: Der historische Wert der Auferstehungsberichte in den Evangelien ist gleich Null. Das Grab war voll, der Leichnam Jesu verweste.

Wie aber erklärt er sich die Verwandlung der Jünger nach der Auferstehung? Keiner von ihnen hatte sie erwartet, obwohl Jesus es angekündigt hatte. Sie waren ein niedergeschlagener, orientierungsloser Haufen von Männern und Frauen, die sich aus Angst vor den Behörden versteckten. Sie waren enttäuscht in ihren Erwartungen und ohne jegliche Hoffnung. Als einige Frauen ihnen von ihrer Begegnung mit dem lebendigen Jesus erzählen, wollen sie es zuerst nicht einmal glauben. Woher nehmen sie nun plötzlich den Mut, ihren Glauben öffentlich zu bezeugen ohne Angst vor dem Märtyrertod?

Für Prof. Lüdemann gibt es nur eine stichhaltige Erklärung: Die Begegnungen mit Jesus haben nur in den Köpfen seiner Anhänger stattgefunden. Seiner Ansicht nach begann alles mit einer Vision, einer umstürzenden Erfahrung des Petrus, an die sich, fast ansteckend, andere Einzel- und Gruppenvisionen anschlossen. Bei diesen Visionen handelte es sich nach Ansicht Prof. Lüdemanns aber keinesfalls um den auferweckten Körper des irdischen Jesus. Das schließt er auch daraus, dass die Jünger in einigen Fällen Jesus nicht gleich erkannten. Visionen, so Lüdemann, sind Vorgänge im menschlichen Geist und Produkte der menschlichen Vorstellungskraft, auch wenn Visionäre behaupten, sie hätten Bilder von außen empfangen. Ein Großteil der Osterberichte, wie z. B. der auferstandene Jesus mit seinen Jüngern Brot und Fisch isst, sei später dazu erfunden worden, um den Glauben an eine leibliche Auferstehung zu stärken und um die These abzuwehren, Jesus sei nur geistig auferstanden.

Nun gibt es aber Auferstehungsberichte nicht nur von Anhängern Jesu. Einer der ältesten Texte stammt aus der Feder von Paulus. Darin verteidigt er vehement die Tatsache der leiblichen Auferstehung, ja er macht sie zum Dreh- und Angelpunkt des christlichen Glaubens. Wie konnte es ohne eine tatsächliche Auferstehung zu so einer radikalen Kehrtwendung vom fanatischen Christenverfolger zu einem ebenso leidenschaftlichen Verfechter des christlichen Glaubens kommen?

Prof. Lüdemann versucht dieses Problem mit Hilfe der Psychologie zu lösen. Der aggressive Christenverfolger Paulus sei möglicherweise unbewusst stark vom christlichen Glauben angezogen gewesen. Jedoch aus Angst vor seinen unbewussten Neigungen habe er diese auf die Christen projiziert, um sie dort umso heftiger bekämpfen zu können. Das wiederum habe zu einem unbewussten, schweren Schuldkomplex geführt. Durch die Christusvision vor Damaskus sei der aufgestaute Schuldkomplex abgelöst worden durch die Gewissheit, ein neues Ich in Christus erhalten zu haben. Das habe Paulus als Erleuchtung und Befreiung zu einem neuen Leben empfunden. Alles klar? Diese Erklärung erfordert ja wohl mindestens genau so viel Glauben wie die leibliche Auferstehung!

Prof. Thiede entgegnet, dass Visionen in der antiken Literatur ganz anders wiedergegeben werden. Die Jünger und Paulus waren überzeugte Juden und der jüdische Auferstehungsglaube war nicht mythisch oder symbolisch. Es ging nicht um Astralleiber und Visionen, sondern um Knochen und Körper. Die Propheten Jesaja und Daniel sprechen davon dass Tote wieder lebendig werden, und in einer Prophezeiung des Propheten Hesekiel gibt Gott verdorrten Knochen wieder Sehnen und Fleisch und neuen Atem.

Es geht also im jüdischen Auferstehungsglauben immer um eine körperliche Auferstehung und es ist ein neuer, veränderter Körper. Die Jünger erkennen deshalb Jesus nicht immer sofort, sondern erst an seinen Worten und Handlungen. Dass er einen wirklichen Körper hatte, betonen die Evangelisten aber immer wieder in ihren Berichten: er hat mit ihnen gegessen und sie konnten sogar die Wundmale an Händen und Füßen sehen. Ohne die Voraussetzung eines wirklichen Körpers hätte es zu dieser Zeit unter Judenchristen nie einen Auferstehungsglauben gegeben.

Und die Vision des Paulus, war sie auch ein Produkt seiner eigenen Vorstellung? Aber, hätte er seine lukrative Karriere aufgegeben um sich seinen Todfeinden anzuschließen, nur weil er auf einer staubigen Straße von der Sonne geblendet wurde und Stimmen hörte? Dieser hoch intelligente Mann, aus der Universitätsstadt Tarsus, ausgebildet vom international geachteten Rabbiner Gamaliel, war kein Esoteriker, der sich auf Visionen spezialisiert hatte. Er war nicht verunsichert und verzweifelt wie die Jünger. Er hatte keinen Grund sich eine Erscheinung von Jesus herbeizuwünschen. Für Prof. Thiede gibt es nur die eine Erklärung: Der Auferstandene ist ihm tatsächlich begegnet.

Elsbeth Rosen