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Reformation

gesendet am 20.10.2006 von Dr. Hans Frisch
 

Reformationstag 2006

Turm des Lutherhauses in Wittenberg, wo Luther sein "Turmerlebnis" hatte
Turm des Lutherhauses in Wittenberg,
wo Luther sein "Turmerlebnis" hatte
Quelle: wikipedia.de

Oft - für eine Arbeitsgemeinschaft evangelischer Freikirchen, also AREF, erstaunlich oft - kommen wir auf den Papst zu sprechen - und ich habe meine Sympathie für ihn nicht verborgen. Am 31. Dieses Monats sind wir nicht auf Sendung - es ist der Reformationstag. Grund genug, wieder einmal über Martin Luther nachzudenken. Auch da ist die Sympathie eines Freikirchlers, eines Baptisten, nicht selbstverständlich, denn im Kampf gegen die Wiedertäufer war Luther sich mit dem Papst einig - den er ansonsten übel beschimpfte. Zu wessen Lasten der größte Anteil der Zehntausenden von Opfern geht, kann nicht gesagt werden. Wenigstens haben die Protestanten keine Scheiterhaufen errichtet (bei den Katholiken wurden reuige Wiedertäufer immerhin "begnadigt", von der Verbrennung zur Enthauptung.) Doch das ist Geschichte und vergessen, von den Kirchen und von den Freikirchen, das soll hier auch nicht das Thema sein, zumindest nicht im Hinblick auf den Reformationstag.

31. Oktober 1517

Am 31. Oktober 1517, einen Tag vor Allerheiligen, schlug Martin Luther seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel an die Tür der Schloßkirche in Wittenberg, er tat es nicht als Protest gegen den Papst, sondern in der Hoffnung, dass dieser die Missstände abschafft.

So wie in der Nazizeit bei schlimmen Erscheinungen immer wieder zu hören war: "Wenn der Führer das wüsste", so meinte Martin Luther: "Wenn der Papst das erfährt, was hier läuft, dann wird er es beenden." Was da lief war auch wirklich schlimm.

In Rom sollte der Petersdom gebaut werden, ein gewaltiges Unterfangen, und sehr teuer. Da bot sich das bewährte Instrument des Ablassverkaufs an - schon mancher Dom war damit finanziert worden, auch der in Bamberg. Der Petersdom kostete allerdings ein Vielfaches von Bamberg (oder auch von Naumburg). Da schickte Rom seinen Profi, den Mönch Tetzel. Die Zustimmung der Landesherren erkaufte der sich mit der Hälfte der Einnahmen, dafür musste er doppelt tüchtig sein - und er war es. So drastisch und schrecklich malte er die Plagen der armen Seelen im Fegefeuer aus - der gestorbenen Eltern, Geschwister und Freunde, dass kein Auge trocken blieb. Zügig füllte sich der berühmte "Tetzelkasten", denn "wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt". Und ein bißchen hatten selbst arme Leute übrig, wenn es um die Befreiung der armen Seelen ging, die endlich in den Himmel durften.

Luthers Landesherr machte das Geschäft nicht mit - und so mussten Luthers katholische Pfarrkinder ins Nachbarland pilgern, wenn sie Ablass kaufen wollten. Sie taten es, und Luther ärgerte sich. Nicht nur, dass seine Kirche sich leerte, sondern noch mehr über die Ausbeutung der Armen.
So entschloß er sich zum Handeln. Er wollte mit seinen Thesen zu einem Streitgespräch über das Thema Ablass einladen.

Musik

"Wenn der Papst das wüsste" meinte Luther - und hatte sich schwer getäuscht. Natürlich erfuhr Rom von den Thesen Luthers, er hatte sie ja an viele kompetente Professorenkollegen geschickt, als Einladung zum Gespräch. Doch aus Rom kam keine Zusage, sondern eine strenge Aufforderung zur "Absage". Luther sollte seine Thesen widerrufen, sonst drohe ihm der Kirchenbann, und das bedeutete, nicht ins Fegefeuer für ein paar hundert Jahre, sondern direkt und endgültig in die Hölle nach seinem Tode. Und auf den brauchte er dann nicht mehr lange zu warten.

Als er mit dem Schreiben der Bannandrohung zu seinen Studenten kommt, da sind die gerade um ein Feuer versammelt, in dem sie päpstliche Bücher verbrennen. Luther wirft den Brief aus Rom in die Flammen, und weiß, was das bedeutet. Er wird nach Rom zitiert, geht aber nicht. Ein Abgesandter des Papstes kommt nach Augsburg um ihn zu überzeugen - und wenn das nicht gelingt ihm die Bannbulle zu übergeben. Es gelingt nicht - doch Luther hat sich in der Nacht abgesetzt, und die Bulle muss mit einem Boten zugestellt werden.

Luther verfasst seine Schrift "Von der Freiheit eines Christenmenschen"

Als Antwort verfasst Luther seine Schrift "Von der Freiheit eines Christenmenschen" - auf Deutsch und an alle gerichtet. Drei Druckereien arbeiten mit Hochdruck, doch können sie die Nachfrage kaum befriedigen, trotz der modernen Drucktechnik von Gutenberg. Die Menschen sind begeistert, und Rom ist alarmiert, auch der Kaiser. Der lädt Luther zum Reichstag nach Worms, in der Hoffnung, ihn zähmen zu können. Freies Geleit hat er ihm zugesagt.

Luther kommt, zusammen mit seinen Landesherrn, der am Reichstag teilnimmt. Unmissverständlich machte er klar: "Nur wenn ich anhand von Gottes Wort, der Bibel, und mit vernünftigen Argumenten überzeugt werde, widerrufe ich." Das gelingt nicht - kann nicht gelingen. Und Luther tut seinen berühmten Ausspruch: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir." Mindestens wird es so berichtet.

Luther -Keiner darf ihm helfen und jeder traf ihn töten

Für 21 Tage ist er noch durch das freie Geleit des Kaisers geschützt, danach gilt der Reichsbann - er ist vogelfrei, keiner darf ihm helfen und jeder traf ihn töten und erwirkt sich dadurch noch Verdienst. Doch auf dem Weg zurück nach Wittenberg wird er überfallen und entführt - die Leute seines Landesherren hatten Räuber gespielt. Sie brachten ihn auf die Wartburg. Als "Junker Jörg" lebt er dort inkognito. Die Tarnung hält, und Luther hat dort Zeit und Ruhe - er übersetzt das neue Testament ins Deutsche.

Luther übersetzt das neue Testament ins Deutsche

Von jetzt ab können die Menschen selbst prüfen, wieweit die Aussagen der Kirche dem Wort Gottes entsprechen - und, wieweit sie davon entfernt sind. Dank der Gutenberg Presse sind es bald sehr viele, die zum ersten Mal in ihrem Leben in der Bibel lesen, und die Folgen bleiben nicht aus. Fast überall bilden sich evangelische Gemeinschaften die das Evangelium studieren, auch einflußreiche und mächtige Personen sind darunter. Es droht der Untergang der Kirche oder der Bürgerkrieg.
Mancher Versuch wird unternommen, doch alle scheitern letztlich, bis es zum großen, zum dreißigjährigen Krieg kommt. Viele deutsche Länder haben danach nur noch die Hälfte ihrer Bevölkerung.

Im "Westfälischen Frieden" wird vereinbart: "Wes die Herrschaft, des die Religion" - das heißt, wenn der Landesherr katholisch ist, sind es alle Bürger, auch die schon evangelisch waren. Erst viel später wird ihnen die Auswanderung offiziell erlaubt. Ist er, oder wird er evangelisch, sind alle seine Untertanen evangelisch, ungefragt, über Nacht!

Musik

Alle Bußübungen halfen ihm nicht

Das war jetzt alles recht politisch - angefangen hatte es aber geistlich. Selbstverständlich war Martin Luther katholisch getauft und katholisch erzogen - es gab ja keine andere Kirche. Er nahm es sehr ernst, auch die Angst vor dem Fegefeuer und der Hölle.

Er wurde Mönch, später Doktor und Professor der Theologie - doch die Angst wurde eher noch stärker, alle Bußübungen halfen ihm nicht. Als er in Wittenberg eine Vorlesung über den Römerbrief vorbereitet, stößt er auf eine Stelle von der "Gerechtigkeit Gottes", und wird wütend, dass auch das neue Testament den Menschen Angst vor Gott macht. Doch nach tagelangem und nächtelangem Nachsinnen merkt er plötzlich, dass diese Gerechtigkeit Gottes im Evangelium ja die Gerechtigkeit ist, die Gott uns schenkt durch den Kreuzestod Jesu und seine Auferstehung.

Dokumentation des WDR:
Martin Luther im Turm des Schwarzen Klosters zu Wittenberg
Quelle: www.wdr.de

Über dieses Erlebnis - "Turmerlebnis" wird es genannt, weil es in der Turmstube des schwarzen Klosters in Wittenberg geschah - darüber schreibt Luther später:

Da fühlte ich mich neugeboren. Die Tore hatten sich mir aufgetan; ich war in das Paradies eingetreten.
"Bekehrung" wird das genannt, wenn ein Mensch Zugang findet zu der Erlösung aus Schuld und Angst durch Jesus Christus.
In seiner Übersetzung des Römer Briefes bringt er das später auf den Punkt - das heißt: auf ein Wort:
Römer 3 Vers 28 übersetzt er: So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben - obwohl das Wort "allein" nicht im griechischen Urtext steht.

Daraus folgt sein Spruch: "sola fides", allein durch Glauben, zu dem noch kommt: "sola gratia" - allein durch Gnade, und "sola scriptura", allein durch die Schrift.
Für Rom war dieses allein nicht anzunehmen, bedeutete es doch: ein Ende des Ablasshandels - und der Petersdom war noch nicht fertig, ein Ende der Priestervollmacht zur Absolution, ein Ende des Fegefeuers und damit der Angst, auf der die Macht der Kirche beruhte. Also ein Ende der alleinseligmachenden Kirche.

Das Turmerlebnis blieb lebendig für Luther, so wie die erste Liebe in einer Ehe (hoffentlich) lebendig bleibt. Doch die Ehejahre bringen ihre eigenen Probleme - und Luther mußte gewissermaßen die Ehe mit den politisch Mächtigen, den Fürsten und Königen eingehen - und die brachten ihre eigenen Interessen mit, die nur zum geringsten Teil geistlich waren.

Loslösung von Rom, Kassieren der Klöster mit ihrem Land und ihren Gebäuden, Kirchen mit ihren Kunstschätzen nebst Pfarrhäusern, Geistlichkeit nach eigenem Geschmack und noch manches andere lockte Landesherren in die neue Kirche. Dazu gehörten jetzt viele zu dieser Kirche die in ihrem Herzen noch tief katholisch waren, mit Angst vor der Hölle und dem Fegefeuer. Weil die "Erbsünde" ein Kind gleich in die Hölle gebracht hätte wenn es stirbt, mußte diese Erbsünde durch das Sakrament der Taufe abgewaschen werden - und eine Verweigerung der Taufe hätten diese Menschen um keinen Preis akzeptiert.

So blieb manches katholisch in der evangelischen Kirche - und praktisch war's auch, wenn jeder Mensch von Geburt an dazugehört. Da konnten ganz Fromme, die darauf bestanden, dass nur Menschen, die sich "bekehrt" haben getauft werden, nur stören. Und so kam es zur Feindschaft gegenüber den Wiedertäufern.

Noch schlimmer als die ganz Frommen waren die, welche die Rede von der Freiheit wörtlich nahmen und ihre Freiheit forderten - besonders die Bauern, die zum großen Teil noch Leibeigene waren. Auch sie beriefen sich auf Luther wenn sie bei ihrem blutigen Aufstand Schlösser und Burgen in Brand steckten.
"Wider die räuberischen und mörderischen Bauern" heißt die Schrift Luthers in dieser Zeit - und die ist noch viel schärfer als das, was er gegen die Täufer schrieb.

Dass nach allen Wirren und Kämpfen schließlich Frieden einkehrte, dass die evangelische Kirche Bestand hatte, dass die Verfolgung und Benachteiligung der Täufergemeinden aufhörte und heute die evangelische und katholische Nachbargemeinde zusammen mit den Baptisten in deren Gemeindezentrum Gottesdienste feiern - nicht oft aber gerne - das ist ein Wunder und ein Gottesgeschenk.
Dass der Papst bei den vorsichtigen Worten zur Ökumene die Freikirchen überhaupt nicht erwähnt, dass nehmen wir zur Kenntnis - und sind einverstanden. Der Graben wäre viel zu breit, die Brücken für gegenseitige Besuche genügen schon.

Dr. Hans Frisch