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Jahreslosung 2007
gesendet am 14.01.2007 von Dr. Hans Frisch
 

Wieder ist ein neues Jahr angebrochen - und wieder gibt es eine neue Jahreslosung. Diesmal redet sie von etwas Neuem. Hier ist sie :

Denn siehe, ich will ein Neues schaffen,
jetzt wächst es auf,
erkennt ihr's denn nicht ?

Jesaja 43,19

Wie bei jeder Jahreslosung gibt es wieder Poster, Postkarten, Titelbilder dazu - die allermeisten zeigen eine junge Pflanze, einen Keim oder andere Bilder wo etwas aufwächst. Ich würde als Bild eine Zwiebel wählen.

Wenn der Winter weiter kein Winter bleibt, dann werden bald die Krokusse erscheinen, einfach so, ohne ein Blatt blühen sie auf, dann kommen die Primeln, schließlich die Tulpen - und die Schneeglöckchen haben wir ganz übersehen, sie waren der ersten.

Kenner wissen natürlich, wie diese Blumen das schaffen, gleich da zu sein - vielleicht haben sie selbst die Zwiebeln gesteckt in ihrer Gartenwiese.

Das Wunder hat sich lange vorbereitet. Unten im dunkeln Boden, da haben die kleinen Wurzeln Nährstoffe und Wasser aufgenommen, Schale um Schale ist die Zwiebel gewachsen, in ihrem Inneren bereitete sich die Blüte vor - und mit dem Schwinden der Kälte da zündete das Wachstum.

Mit Kraft schob sich der Keim zum Licht, und da war das Wunder.

Die Blumenzwiebel, welche dort am Aufwachsen war, das war das Volk der Juden in der babylonischen Gefangenschaft. Nun waren die ja nicht unter der Erde, sonst hätten sie das Wort des Propheten gar nicht gehört, aber dunkel war es schon und Wachstum war von außen nicht zu sehen.

Schon 49 Jahre dauerte die Gefangenschaft. Am Anfang war es hart nicht, damals als Nebukadnezar Jerusalem erobert hatte und sie nach Babylon verschleppt wurden zur Zwangsarbeit auf den Baustellen von Babylon und beim Kanalbau am Euphrat. - Inzwischen hatten sie weitgehende Freiheit, konnten sogar reich werden mit Handel oder Karriere machen in der Verwaltung - doch Jerusalem war zerstört, der Tempel ihres Gottes, des einzigen Gottes, lag in Trümmern, der Traum vom Volk Gottes war ausgeträumt - und das Schlimmste (oder das Beste!) war, sie hatten selbst Schuld daran.

Über 30 Jahre hatte vor der Katastrophe der Prophet Jeremia sie gewarnt vor der Gottlosigkeit und dem Götzendienst. Die Schriftrolle seiner Reden war mitgekommen ins Exil, und jetzt erkannten sie, dass er Recht gehabt hatte. Doch es war zu spät.

Auch der Prophet Hesekiel hatte sie gewarnt - der war jetzt bei ihnen. Auch er deutete die Katastrophe als Folge und Konsequenz der Untreue und Schuld - und jetzt ist das Volk breit zu hören.

Wie durch Wurzeln nehmen sie die Erkenntnis der Wahrheit auf und im Inneren entsteht etwas Neues: Schuldbewußtsein und Sehnsucht nach Vergebung.

* * * Musik * * *

Schuldbewußtsein und Sehnsucht nach Vergebung, das war das Neue im Volk der Juden. Und wie ein guter Gärtner den Boden gießt, in dem die Zwiebel heranwächst, so hilft Hesekiel mit wunderbaren Trostreden.

Aber dieser Jahreslosung stammt nicht aus Hesekiel sondern von - ja von wem eigentlich?

Da trat plötzlich ein neuer Prophet auf mit einer neuen Botschaft: (Jes. 40,1)

Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott.

Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat doppelte Strafe empfangen von der Hand des HERRN für alle ihre Sünden.

so beginnt seine Rede.

Weil niemand seinen Namen kennt, wurde er einfache ins Buch Jesaja mitaufgenommen - die Theologen nennen ihn „Deuterojesaja“, zu deutsch: „der andere Jesaja“.

Doch dieser namenlose Prophet nennt Namen, besonders einen Namen – Kyros, den jungen Perserkönig.

„Er wird uns befreien“ war die Botschaft, aber das war nicht sehr prophetisch, denn in allen eroberten Ländern ließ dieser König die Deportierten in die Heimat zurückkehren und gab ihnen die geraubten Götterstatuen mit.

Auch dass er Babylon erobern würde, dass war abzusehen - er hatte sein Reich schon von Indien bis zum Mittelmeer ausgedehnt, und Babylon hatte damals einen sehr schwachen Herrscher.

Sogar, dass Kyros zu den Juden besonders freundlich sein würde, konnte er ahnen, denn Kyros war ein Anhänger der Zarathustra-Religion. Wie das Judentum war diese fast ein Monotheismus mit dem guten Gott Ahura Mazda (und dem bösen Ariman).

Also, die Befreiung durch Kyros, das war nicht das wirklich prophetisch Neue in der Botschaft des Deuterojesaja. Die neue Botschaft steht einige Verse nach der Jahreslosung:

Da sagt Gott zu seinem abtrünnigen Volk:

Nicht, dass du mich gerufen hättest, Jakob, oder dass du dich um mich gemüht hättest, Israel.

mir hast du Arbeit gemacht mit deinen Sünden und hast mir Mühe gemacht mit deinen Missetaten.

Ich, ich tilge deine Übertretungen um meinetwillen und gedenke deiner Sünden nicht.

Und im nächsten Kapitel (44,22).

Ich tilge deine Missetat wie eine Wolke und deine Sünden wie den Nebel. Kehre dich zu mir, denn ich erlöse dich!

Keinen Zweifel läßt der Prophet, keinen Zweifel läßt Gott daran: Es ist nicht die Befreiung eines Unschuldigen, es ist die Erlösung des Schuldigen durch Vergebung - es ist nicht die Entlassung in die Freiheit, es ist die Berufung in den erneuerten Bund.

Wieder und wieder wird das bekräftigt, und viele der starken Zitate im Alten Testament stammen aus dem Deuterojesaia.

Sechs Kapitel weiter:

Kann auch eine Frau ihr Kindlein vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie seiner vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen.

Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet;

nach 10 Kapiteln:

Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.

und am Ende:

Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.

Schuldbewußtsein und Sehnsucht nach Vergebung, das war das Neue in diesem Volk, das seinen Bund mit Gott gebrochen hatte - und das Neue, was Gott schafft, was schon aufwächst im Inneren des Volkes, ist - Erlösung durch Vergebung und Erneuerung des Bundes - ja, ein Neuer Bund!

Und da wird aus dieser alten Geschichte, über 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung, unsere Geschichte. Da wollen wir nach der Musik hinschauen.

* * * Musik * * *

Einen neuen Bund hatte schon der Prophet Jeremia geschaut, kurz vor der Zerstörung Jerusalems und der Deportation nach Babylon, einen Bund, der auf der Vergebung beruht. Das Kommen dieses Bundes kündet der Deuterojesaia jetzt an.

Um den neuen Bund zu begreifen sollten wir den alten Bund genauer betrachten.

Als Gott die Nachkommen Abrahams aus Ägypten führte, da löste er ein Versprechen ein das er ihm gegeben hatte: „Deine Nachkommen werden ein großes Volk werden und ich will einen ewigen Bund mit ihnen schließen.“

Am Sinai geschah dieser Bundesschluß, und das Gesetz ist die Urkunde. Nicht das Verbot von Lüge, Mord, Ehebruch, Diebstahl ist Gegenstand dieses Gesetzes - in allen Völkern und Kulturen galten diese Verbote.

Grundlage und Ziel war: „Denn ich bin heilig, und ihr sollt heilig sein!“

Der Heilige Gott hatte sich ein heiliges Volk erwählt und sich mit ihm verbunden, auf ewig!

Nicht mehr das Bemühen um Gerechtigkeit und Heiligung führte zur Beziehung zum Heiligen Gott, in diese Beziehung jeder im Volk hineingeboren, auch Kinder und Kindeskinder. Es galt in dem heiligen Bund zu bleiben.

„Eine totale Fehlkonstruktion“ wird da jeder vernünftige Mensch erkennen – „denn spätestens in der nächsten Generation hat sich die Sache erledigt, weil keiner wirklich heilig sein kann“ - und so kam es auch. Die babylonische Gefangenschaft war die endgültige, aber längst nicht die erste Katastrophe.

Doch jetzt wird sichtbar, welches Ziel der Bund Gottes mit seinem Volk hat: Ihm geht es nicht um Gerechtigkeit sondern um Liebe, um Seine heilige Liebe.

Wer aus dem Bund herausgefallen (oder herausgetreten) ist und es erkennt - der kann umkehren, zurück zu dem Heiligen Gott, darf seine Schuld bekennen mit einem Schuldopfer (immer nur ein Lamm für eine kleine Schuld oder ein schweres Verbrechen - wobei es vor dem Heiligen ja keine „kleine“ oder „große“ Schuld gibt) - „und ihm wird vergeben!“ Vom Priester bestätigt.

Wen das nicht zur Liebe bringt, der hat es nicht ernst genommen und zählt auch nicht dazu. Doch das wahre, das bleibende Volk Gottes ist die Schar der aus Liebe Begnadigten (und vielleicht Einzelner, die wirklich heilig sind).

Das ist der neue Bund, den schon Jeremia geschaut hatte und das ist das Neue, welches der Deuterojesaia hier ankündigt.

Es folgten noch einige Propheten, sie begleiteten den Neuanfang in Jerusalem, den Wiederaufbau des Tempels, den Kyros selbst angeordnet und gefördert hatte, sie warnten vor erneutem Abfall und verkündeten den endgültigen Anbruch von Gottes Reich, das Kommen des Messias.

Als Jesus auftrat, mit dem Anspruch, das Reich Gottes zu bringen, da hält er eine Predigt in Nazareth - über einen Text aus dem Deuterojesaja; als er in die Leiden der Passionsgeschichte geht, da begleiten ihn die Worte des Propheten über den leidenden Gottesknecht, der die Sünden des Volkes trägt; als er ans Kreuz genagelt wird, da hört er wohl auch die Worte dieses Propheten: (53, 10-12)

Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, wird er Nachkommen haben und in die Länge leben, und des HERRN Plan wird durch seine Hand gelingen.

Durch seine Erkenntnis wird er, mein Knecht, der Gerechte, den Vielen Gerechtigkeit schaffen; denn er trägt ihre Sünden.

Darum will ich ihm die Vielen zur Beute geben und er soll die Starken zum Raube haben, dafür dass er sein Leben in den Tod gegeben hat und den Übeltätern gleichgerechnet ist und er die Sünde der Vielen getragen hat und für die Übeltäter gebeten.

Es ist gewiß, dass jeder, der umkehren will zum Heiligen Gott, der ihm seine Liebe anbietet, dieses Opfer am Kreuz annehmen kann und Vergebung erlebt - und dass dieser neue Bund für alle Völker gilt, nicht nur für das Volk Gottes, die Juden.

Auch das hatten die Propheten schon geschaut und verkündet.

Wer in Schuldbewußtsein und in Sehnsucht nach Vergebung lebt, oder gefangen ist in den Folgen seiner Fehler, oder Sehnsucht hat nach einem Leben in befreiter Liebe - in dem wächst der Keim des Neuen auf, auch wenn er es noch nicht sieht.

Ich wünsche allen denen, und immer wieder auch mir, dass die Kälte weicht und das Neue aufwächst und blüht.

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