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Palmsonntag 2008

gesendet am 16.03.2008 von Dr. Hans Frisch
 

Palmsonntag ist wieder, eine Woche vor Ostern.

In echt bayerischen Gegenden werden heute die „Palmzweige“ geweiht, die dann im Herrgottseckchen vor dem Kruzifix stehen das Jahr über. Natürlich sind das in Bayern keine Palmwedel, es werden blühende Weidenzweige genommen mit „Palmkätzchen“. Damals in Jerusalem, eine Woche vor dem Passahfest, da waren es echte Palmzweige. Jetzt muss noch der Palmesel vorgestellt werden. In manchen alten Kirchen ist der noch zu bewundern: Jesus sitzt auf einem Esel aus Holz, nicht ganz lebensgroß. Der Esel steht auf einem Brett mit Rädern und wurde bei der Palmsonntagprozession durch den Ort gezogen .

 Es könnte ja sein, dass dieser oder jener der Zuhörer nicht weiß, was der Esel und die Palme sollen - denen will ich es kurz vorlesen aus dem Johannesevangelium (Johannes 12, Vers 12-15):

Als am nächsten Tag die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem käme, nahmen sie die Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und riefen: Hosianna! „Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel!“ Jesus aber fand einen jungen Esel und ritt darauf, wie geschrieben steht beim Propheten Sacharja:

»Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.«

Das klingt schon recht festlich und friedlich - das war es aber nicht.

Die Palme

Fangen wir bei den Palmen an. Wer alte jüdische Münzen sieht, findet dort oft eine Palme (wie auf deutschen Münzen den Adler). Besonders häufig tauchten sie auf nach siegreichen Befreiungskämpfen. Rom hatte nach dem Sieg im jüdischen Krieg eine Münze geprägt, wo unter der Palme ein gefesselter Jude steht und eine trauernde Frau sitzt – „Judäa kapta“, „Judäa erobert“ lautet die Inschrift.

Zur Zeit Jesu waren die Siege der Makkabäer schon Geschichte, und bis zum letzten jüdischen Krieg war es noch 100 Jahre hin - doch friedlich war es nicht. Zweimal war der Tempelhof Kampfplatz gewesen mit Tausenden Toten. 2.000 Juden wurden nach einem Sieg der Römer gekreuzigt, doch der nächste Aufstand folgte gleich, das Blut floss in Strömen. Da war Jesus noch ein Kind.

Jetzt war es äußerlich ruhiger, doch die Zeloten schlugen hier und da zu, überfielen römische Trupps, Dolchmänner die „Sikkarier“ erstachen einzelne Römer und tauchten im Volk unter. Jederzeit konnte wieder der große Aufstand losbrechen. Und der römische Prokurator Pilatus tat nichts, um die Situation zu entschärfen. In diese Zeit fällt der Palmsonntag, der Einzug Jesu nach Jerusalem.

Musik

Palmenzweige gehörten beim Passahfest zur Tempelliturgie

Die Palme als eine Art Markenzeichen für Judäa hatten wir angeschaut - doch nicht nur auf den Münzen kam sie vor als Siegeszeichen der Juden über die Besatzer oder als Zeichen der Sieger über die Juden. Die Palmenzweige hatten auch eine religiöse Bedeutung, sie gehörten zur Tempelliturgie beim Passahfest. „Schmückt das Fest mit Maien, bis an die Hörner des Altars“ übersetzt Luther diesen Psalmvers. Wahrscheinlich kannte er auch schon die Weidenzweige als Ersatz für Palmwedel.

Doch die Pilgerscharen, die da Jesus begleiten bei seinem Ritt auf den Esel, die hatten sich mit echten Palmzweigen eingedeckt. Nicht in Jerusalem, da gibt es keine Palmen. Durch Jericho waren sie gezogen auf ihrem Weg aus Galiläa. Jericho wurde die Palmenstadt genannt - es ist heute noch so.

 

Doch nun zum Esel. Jesus war mit seinen Jüngern vom Jordangraben hinauf gegangen nach Jerusalem - von 300 m unter dem Meeresspiegel auf über 800 m Höhe, und für den Rest des Weges, wo es abwärts geht vom Ölberg zur Stadt, da reitet er. Aus Erschöpfung? Nein! Die galiläischen Pilger haben es gleich verstanden: er zitiert damit ein Prophetenwort - ja, er behauptet mit diesem Ritt: „Ich bin der, von dem der Prophet redet: "Siehe, dein König kommt“ und die Landsleute, die ihn kennen und meinen das könnte der Messias sein, die verstehen gleich.

„Hosianna, gelobt sei der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel!“ rufen sie; es ist ein Vers aus den Hallelpsalmen die beim Passahfest im Tempel erklingen, und die für die Liturgie gedachten Palmzweige fliegen vor ihm auf den Weg. Es ist wie eine Krönungsliturgie oben über Jerusalem

Mancher Sikkarier wird seinen Dolch unter dem Gewand fest umklammert haben, bereit, unter der Führung des Messias das Reich Gottes zu erkämpfen. Vielleicht gehörte auch Judas  Iskarijot zu denen.

 

Diese Hoffnung war verständlich, aber unbegründet, denn Jesus war nicht auf den Weg in den Kampf sondern ans Kreuz, und er wusste, dass keiner verstehen kann, dass er sich dort als Messias offenbart.

 

Die Befürchtungen der in Jerusalem Verantwortlichen, dass es wieder zu einer Schlacht, und zu einen Schlachten, im Tempelhof kommt und der große Aufstand losbricht, die war begründet - ein Blick auf die damalige Situation in Jerusalem wird es erklären.

Musik

Stellt euch vor, eine Stadt so groß wie die Altstadt von Nürnberg mit 30.000 Einwohnern wird gefüllt mit 120.000 Pilgern, und alle müssen zur gleichen Zeit ihr Osterlamm essen, das Passahopfer zur Erinnerung an die große Befreiung aus Ägypten. In der Stadt muss das geschehen, dazu musste der heilige Stadtbezirk ausgedehnt werden bis auf den Ölberg. Wer zu spät kam, der konnte nur noch ein Zelt aufschlagen außerhalb der Mauern (und in Jerusalem können die Nächte empfindlich kalt werden!)

Wahrscheinlich zogen deshalb Pilger schon eine Woche vor dem Fest ein.

Wenn in einer so überfüllten Stadt Unruhen oder eine Panik ausbrechen, wären die Folgen schlimm - doch ein Aufstand wäre furchtbar. Und der Einmarsch einer fanatischen Schar rebellischer Galiläer, die ihren Anführer zu zum König ausrufen, das bedeutete Kampf (selbst wenn dieser Anführer es gar nicht gewollt hätte).

Keine Chance diesen Führer aus der Mitte der Anhänger heraus zu verhaften.

Da muss Judas den Priestern wie ein Gottesgeschenk erschienen sein. „Ich weiß wo ihr ihn ohne Aufsehen ergreifen könnt!“ Diese Information war mehr wert, als eine Bankdiskette aus Liechtenstein - und sie kostete keine 2 Millionen, sie war für 30 Silberlinge zu haben.

Ich stelle mir vor, wie enttäuscht Judas war, als Jesus über Jerusalem weinte statt zum Kampf aufzurufen. Vielleicht meinte er, wenn sie ihn verhaften, dann muss er seine Macht zeigen - wenn nicht, dann ist er der Falsche.

So könnte der Entschluss zum Verrat schon an diesem Tag gefallen sein - bis zur Verhaftung dauerte es noch vier Tage, da ergab sich die passende Gelegenheit im Garten Gethsemane, unterhalb des Ölbergs, direkt neben seinem Weg, auf dem er unter dem Jubel der Pilger in die Stadt eingeritten war, über Palmzweige auf einem Esel.

Am Vorabend des Passahfestes war er schon tot, gestorben am Kreuz als die Opferlämmer geschlachtet wurden. Und dann geschah das Unbegreifliche - er hatte das Grab verlassen, erschien seinen Jüngern, eigenartig, durch verschlossene Türen, verschwand wieder, erklärte ihnen 40 Tage lang, was sie nicht verstanden hatten: dass sein Leiden die Offenbarung von Gottes Liebe ist, wie der Prophet Jesaja vom leidenden Gottesknecht verheißen hatte.

Dann sehen sie ihn in den Himmel auffahren, auch so eigenartig, dass einige die dabei waren noch immer zweifelten. Doch blieb er für sie lebendig und für viele danach, bis heute, auch für mich.

Der Zugang zu ihm führt unter das Kreuz, zu dem er endgültig aufbrach mit seinem Ritt auf den Esel, eine Woche vor Ostern.