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Das wichtigste Gebot

gesendet am 15.03.2009 von Dr. Hans Frisch
 

Fangfrage an Jesus

Ein Schriftgelehrter fragte Jesus: "Meister, welches ist das höchste Gebot im Gesetz?" Er versuchte ihn, also, er versuchte, ihm eine Falle zu stellen, ihn zu einer ketzerischen Aussage zu verleiten, damit man ihn anklagen und aus dem Verkehr ziehen kann. (Matthäus 22, 34 - 40)

Jesus aber antwortete ihm:

»Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt« (5.Mose 6,5). Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich:

»Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3.Mose 19,18).
In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten
(Matthäus 22, 40 im Bibelflash)

"Aha - Gottesliebe und die christliche Nächstenliebe", so könnte man es verstehen - entweder zustimmend nickend oder zynisch lächelnd, angesichts der christlichen Lieblosigkeiten, denen man begegnet ist oder von denen man gehört hat.

Gottesliebe

Das mit der "Gottesliebe" klingt einfacher als es ist - "von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt". In Momenten des höchsten Glücks könnten wir eine Ahnung davon kommen - aber als Gebot?! Für den Schriftgelehrte war es klar: Schma Israel, Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein.
Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. Das ist das Glaubensbekenntnis Israels, bis heute - und das Gebot gilt Israel, ausdrücklich! Gegeben wurde es nach der Rettung aus der Sklaverei in Ägypten, vor dem Einzug ins verheißene gelobte Land.
Einen Bund hat Gott mit diesem Volk geschlossen dort auf dem Berg Sinai - nicht weil es das beste oder größte Volk war, es war das kleinste und wahrlich kein gutes - sondern weil er es liebte, und weil er dem Stammvater Abram einen Eid geschworen hatte.

Immer wieder bezeichnet Gott seine Beziehung zu dem Volk als Ehebund und Abfall hin zu anderen Göttern als Ehebruch. Und damit wird das Gebot der Gottesliebe greifbar und konkret. Einer verliebten jungen Frau brauchst du nicht zu gebieten: "Liebe deinen Partner!", Schon gar nicht, wenn dieser sie aus schlimmen Verhältnissen gerettet hat und sie reich beschenkt.

Doch es kommen Zeiten, wo die Liebe nicht selbstverständlich aus ganzem Herzen kommt, weil sich das Herz an dieses und jenes, vielleicht auch an diesen und jenen hängt, wo die Seele nicht ungeteilt mit dem Partner in Einklang ist, wo es aller Kraft bedarf, die Beziehung zu klären, zu sichern, zu retten, lebendig zu halten.
Vielleicht ist es tröstlich für jemand, der im Beziehungsschwierigkeiten steckt, wenn er hört: Gott ging es auch so. Nun wünsche ich niemand eine so katastrophale Beziehung, wie sie Gott mit seinem Volk erleben musste - manchmal ging es fast über seine Kräfte. Doch er hat seine Treue bewahrt und seine Liebe blieb lebendig. Und immer wartet er auf Umkehr und auf Rückkehr, auf Wiederherstellung der Liebe, und ist bereit zur Vergebung. Und jedem der es nötig hat, wünsche ich den Mut und die Kraft zur Umkehr und einen Partner, der bereit ist zur Vergebung und Wiederherstellung der Liebe.

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Jüdisches Gebot und Glaubensbekenntnis

Falls es jemand irritiert, wenn dieses hohe Gebot: "Du sollst Gott über alle Dinge lieben" als jüdisches Gebot, ja, als jüdisches Glaubensbekenntnis verstanden wird - es handelt sich hier um ein Gespräch zwischen einem jüdischen Schriftgelehrten und dem Juden Jesus über das Gesetz. "Aber Nächstenliebe, die ist doch christlich" höre ich schon als Einwand. Wenn Du in Google nach "christliche Nächstenliebe" fragst, erhältst du über 15.000 Adressen - viele lobende aber auch viele kritische und manche richtig böse. Kaum einer registriert, das es hier nicht um christliche Nächstenliebe geht, sondern um das jüdische Gesetz. In 3. Mosebuch steht: Du sollst dich nicht rächen noch Zorn bewahren gegen die Kinder deines Volks. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der HERR. Also um den Zusammenhalt im Volk Gottes geht es.

"So eng hat Jesus das aber nicht gesehen" meinst du. So eng sieht es auch das Gesetz nicht. Einige Verse weiter steht "Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Ich bin der HERR, euer Gott.

"Christliche Nächstenliebe" ist in der Bibel nicht zu finden

Nirgends ist in der Bibel "christliche" Nächstenliebe zu finden - doch das Gebot: "Liebe deinen Nächsten, und liebe den Fremdling der bei ihr wohnt wie dich selbst", dieses Gebot gilt auch Christen (und eigentlich allen Menschen), und, Gott sei Dank, es wird gehalten von vielen Menschen, unabhängig von Rasse, Nationalität und Religion. Ganz so einfach wie es klingt, ist das Gebot: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" aber nicht.

Wie selbstverständlich wird meist unterstellt, "jeder liebt sich, jeder liebt sich selbst am meisten". Wenn es so wäre, dann wäre viel gewonnen. Ist es euch auch so gegannen wie mir? Als ihr verliebt wart, ihr hättet die ganze Welt umarmen können. Ich halte den Umkehrschluss für berechtigt: "Nur wer geliebt wird, kann die Nächsten lieben" ja sogar: "Nur wer geliebt wird, kann sich selbst wirklich lieben."

So wie "Gottesliebe" nur dem möglich ist, der Gottes Liebe erfahren hat. Streng logisch genommen, folgt ja aus: "Du sollst den Nächsten lieben, wie dich selbst" - "wer sich nicht selbst liegt, darf den Nächsten nicht lieben". Das klingt nur überzogen - ohne die vielen, die durch die Liebe zum andern sich selbst helfen, also Menschen, mit dem so genannten Helfersyndrom - hätten die Sozialberufe wohl ziemlichen Personalmangel. Doch das Gebot stammt ja nicht von Berufsberatern, sondern von dem Gott, der aus Liebe sein Volk erwählt, gerettet, geführt, getragen und ertragen hat. Als Antwort erwartet er nur ungeteilte Liebe, Gottesliebe und Nächstenliebe, und ist immerzu bereit der Helfende und Rettende zu bleiben.

* * * Musik * * *

Ohne Gottes Liebe gäbe es das jüdische Volk wohl nicht mehr

Das klingt schon nach einer einfachen, starken Liebesgeschichte: "Ich habe dich aus Liebe erwählt und gerufen, ich will von dir nur deine ungeteilte Liebe." Als Film oder als Roman wäre sie langweilig, aber langweilig ist die Geschichte Gottes mit seinem Volk absolut nicht. Wenn man sieht, was diese Erwählung dem Volk eingebracht, fast könnte man sagen "eingebrockt" hat, dann könnte man meinen: "Jetzt gib endlich auf, Gott, und lass das Volk in Ruhe. Denn ohne dich gäbe es dieses verfolgte Volk ja nicht mehr."

Doch niemand kann sagen, wie die Welt wäre, ohne jüdisches Volk. Sicher völlig anders. Niemand darf behaupten, die Opfer, die dieses Volk gebracht hat und die ihm abverlangt wurden, waren sinnlos, und niemand wird behaupten, auf den jüdischen Beitrag könnte die Menschheit verzichten. Unzerstörbarer Kern des Volkes war durch die Jahrhunderte und Jahrtausende das "Schma Israel, höre Israel, du sollst den Herrn deinen Gott lieben von ganzem Herzen."

Was hat der Gott Israels mit uns zu tun?

Auch der Schriftgelehrte hat damals Jesus nicht widersprochen. Doch was hat dieser innerjüdische Dialog mit uns Christen zu tun?
Es ist der Gott Israels, der uns in Jesus Christus begegnet - und in diesem Gebot offenbart er, um was es in der Beziehung zu ihm geht - um Liebe, ungeteilte, ernsthafte, starke Liebe. Und so wie beim Volk Israel Gottes Liebe erst die Gottesliebe möglich macht, so auch bei uns. Nicht, damit Gott uns liebt, sollen wir ihn lieben, sondern weil er uns liebt. Er liebt uns nicht, weil wir ihm so gefallen, sondern weil es ihm so gefallen hat.

Sicher freut sich der Schöpfer an seiner gewaltigen und wunderbaren Schöpfung - doch seine Sehnsucht ist unsere Liebe. In Jesus hat er uns diese Liebe so offenbart, gezeigt und bewiesen, dass wir sie annehmen können, uns darauf einlassen und dadurch frei werden, uns selbst wirklich zu lieben. Die Liebe zum Nächsten ist dann fast selbstverständlich, selbst wenn er sie nicht erwidert - wir geben ja nur die Liebe weiter, die uns ergriffen hat.

Dr. Hans Frisch