Weihnachten 2009gesendet am 26.12.2009 von Dr. Hans Frisch |
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Das ist schon angenehm: Heiligabend am Donnerstag, Freitag und Samstag die Weihnachtsfeiertage und danach noch Sonntag.
Noch besser ist ja, wenn es am Mittwoch anfängt, dann kommen nach dem zweiten Feiertag noch zwei Tage Wochenende - aber so war es im vorigen Jahr, es wird erst 2014 wiederkommen.
Wir hatten früher einen Kollegen, wenn der aus dem Urlaub kam, war seine erste Beschäftigung, den Kalender studieren nach solchen Konstellationen und sie in die Planung für den nächsten Urlaub einbauen - wir hatten nicht den Eindruck, dass er dadurch glücklich geworden ist.
"Man soll die Feste feiern wie sie fallen", und heute ist zweiter Weihnachtsfeiertag. Weihnachtsglocken und Weihnachtslieder sind verklungen - aber die Weihnachtsbäume leuchten noch. Die Geschenke sind begutachtet und sind (für Große und Kleine) in Gebrauch genommen. Sicher nicht nur bei uns ist der zweite Feiertag dem Familientreffen geweiht, mit Gänsebraten, Glühwein, Gebäck, Gespräch, und vielleicht auch Gesang. Möge es auch dem Familienfrieden dienen.
Dass Weihnachten ein Fest des Friedens ist, oder sein soll, darüber herrscht
Einigkeit, nicht nur weil die Engel damals gesungen haben: "Frieden auf
Erden".
Sie haben damals noch mehr verkündet. "Denn euch ist heute der Heiland
geboren, welcher ist Christus, der Herr in der Stadt Davids." Wenn wir
am Heiligabend in der Christmette waren, dann haben wir die Botschaft noch im
Ohr.
Für einen Abend im Jahr ist eine solche Botschaft eigentlich zu stark,
und die Folgen der damaligen Verkündigung sind ja weltbewegend geworden
- durch zwei Jahrtausende. Es lohnt sich schon, da genauer hinzuhören,
auch auf die Gefahr hin, dass für die, welche am Heiligabend und am ersten
Feiertag AREF gehört haben, etwas wiederholt wird.
Vier Kinder haben wir, und neun Enkelkinder - jede Geburt eines neuen Menschen
war ein unfassbares Wunder. Und das Wissen: "Auch wir waren solche Kinder
und solche Enkel", bindet uns ein in die Geschichte der Generationen.
Bei mir geht der Blick da zurück in die Ukraine - in einem deutschen Dorf
bin ich da geboren, in einer Mennonitensiedlung.
Damit öffnet sich der Ausblick auf die Geschichte der Siedler, die von
Katharina der Großen aus Ostpreußen gerufen wurden, um die Ukraine
urbar zu machen.
Deren Vorfahren kamen aus den Niederlanden, wo die Gemeinschaft der Mennoniten
sich gebildet hatte - nach der Reformationszeit, als verfolgte Gemeinde von
Christen, die sich auf Grund ihres Glaubens als Erwachsene taufen ließen.
Die Gemeinden sind gewachsen, es gibt jetzt viele von ihnen in vielen Ländern
- nicht wenige sind in der Stalin-Zeit aus der Ukraine geflohen.
Auch in der Weihnachtsbotschaft geht der Blick weit zurück, da wollen wir nach der Musik hinschauen.
Musik
Über tausend Jahre geht der Blick zurück in der Botschaft der Engel.
"In der Stadt Davids" ist das Kind geboren, und dieser König
David stammte aus Bethlehem. Der größte König Israels war er
gewesen und legendär war sein Ruf. Von so einem König, von so einem
Reich konnte das Volk der Juden nur noch träumen, und es träumte davon.
War doch dem David verheißen worden, von Gott: "Einst wird einer
deiner Nachkommen auf deinem Thron sitzen. Dessen Reich wird ein ewiges Reich
sein und alle Völker werden dazugehören. Ein Friedensreich wird es
sein, das Heiligtum deines Gottes wird ein Heiligtum für alle Menschen
sein."
Tausend Jahre war das her, doch immer noch nicht vergessen - denn die Verheißung
hat Eingang gefunden in die Bücher der Bibel, sie wurde lebendig gehalten
in den Verheißungen der Propheten und ist verkündet worden in den
Gottesdiensten.
Je schlimmer die Verhältnisse wurden, umso fester klammerte sich das Volk an die Verheißung, und oft genug war Anlass dazu gegeben. Das Land und das Volk wurden zunächst Opfer der Assyrer, danach der Babylonier, danach der Griechen, und in der Zeit dieser Weihnachtsbotschaft, der Römer. "Jetzt muss er kommen, der Nachkomme Davids, der Gesalbte Gottes, der Messias, als Retter, als Heiland", das war die Erwartung.
Es waren Hirten aus Bethlehem auf dem Hirtenfeld, wo David damals die Schafe
hütete, als der Prophet Samuel kam, um ihn zum König zu salben. Denen
erschien ein Engel und sprach: "Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige
euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute
der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids."
Wenn der Engel tatsächlich griechisch gesprochen hätte, dann hätte
er gesagt "der Christus ist euch geboren", doch dann hätten die
Hirten ihn wohl kaum verstanden, denn Griechisch war die Sprache der Gebildeten.
"Der Messias" wird er gesagt haben - und das Wort verstanden damals
alle in Judäa - und in Bethlehem, der Stadt Davids, erst recht.
Dieses Wort hatte sich im Verlauf der tausend Jahre aufgeladen, von der Bezeichnung
des gesalbten Königs zu dem Namen des endgültigen Retters und Herrschers.
Und ihnen, den armen Hirten, gewissermaßen den späten Berufskollegen
des Hirtenjungen David, wurde dort auf dem Hirtenfeld seine Ankunft kundgetan.
Hier fing vor tausend Jahren die Geschichte an, deren Erfüllung der Engel
verkündet. Gewissenhaft ist der Stammbaum aufgeschrieben in den Evangelien.
Es sind zwei Stammbäume, sie stimmen nicht überein aber beide gehen
von David auf Josef, dessen Vaterrolle ja rechtlich und nicht genetisch begründet
war.
Aber, als Davidnachkomme wurde Jesus angesehen und hat er sich selbst verstanden.
Als solcher war er auch der Maria verheißen.
Hätte Maria die Messiaserwartung nicht gekannt und nicht geteilt, nie
hätte sie verstehen können was das bedeutet, was der Engel ihr verkündete.
Wir mögen Schwierigkeiten haben mit der Vorstellung der Verkündigung,
die Veit Stoß im englischen Gruß in der Lorenz Kirche so wunderbar
dargestellt hat - doch, wie sollte Maria sonst zu der Überzeugung gekommen
sein, dass ihr Kind der erwartete Davidsohn ist - eine Überzeugung, die
sie ihrem Sohn offensichtlich weitergegeben hat. Sie konnte nicht ahnen, auf
welchen Weg sie ihn damit bringt. Als sie es erlebt, da ist es zu spät,
ihn vor der Verfolgung zu retten.
Doch heute, am zweiten Tag nach der Geburt, da ist alles noch wunderbar. Die
Anstrengungen und die Schmerzen sind schon vergessen, es ist ein gesunder Sohn,
er hat schon geschrien und wurde schon gestillt - und die Hirten waren gekommen,
hatten von den Engeln berichtet und von ihrer Botschaft. Die Verkündigung
des Anfangs wurde für Maria wieder lebendig, und sie hielt den Verheißenen
als lebendiges Kind in den Armen.
Es wird wohl noch einige Zeit vergangen sein, bis die Weisen aus dem Morgenland
erschienen und mit ihren Geschenken gewissermaßen die Verheißung
besiegelten -und zugleich auch Dramatik in die Geschichte brachten durch die
Verbindung zu Herodes
Die Flucht über die Sinai Halbinsel bis nach Ägypten und die Zeit
in der Fremde dürfte die Beziehung zwischen Mutter und Sohn sehr vertieft
haben. Doch während für die Mutter in den Aufgaben des Familienlebens
langsam die Gewissheit verblasst, wächst das Kind in seine Bestimmung hinein,
die sie ihm übermittelt hat. Mit 12 Jahren weiß er sich im Tempel
zuhause, im Hause "seines Vaters", und beeindruckt die Priester und
Schriftgelehrten mit seinem Wissen und seiner Erkenntnis.
Als die Eltern ihn schließlich finden, macht die Mutter ihm Vorwürfe.
Da fragt er zurück: "Mutter weißt du nicht, dass ich in dem
sein muss, was meines Vaters ist?"
Jetzt ist er allein auf seinem Weg - doch erst mit 30 Jahren startet er wirklich.
Musik
Wir haben die Geschichten von Jesus so zitiert, als wären sie echte biografische
Angaben. Theologen und sonstige Schriftgelehrte werden dabei wohl lächeln
- hoffentlich nachsichtig. Allerdings haben auch sie keine echte Biografie anzubieten
- bei manchen bleibt nach ihrer kritischen Arbeit kaum noch etwas Gültiges
von den Evangelien übrig.
Die Erzählungen im Neuen Testament haben den Vorteil, dass mit ihnen nachvollziehbar
wird, wie ein Kind auf einen solchen Weg kommen kann, der ihn schließlich
ans Kreuz bringt. Die entscheidende Weichenstellung kommt dabei (wie in den
meisten Biografien) von der Mutter, und auch deren Prägung wird eigentlich
nur verständlich, wenn wir die Geschichten von der Verkündigung, von
den Hirten und von den Weisen aus dem Morgenland gelten lassen.
Wer meint: "Jesus war der Sohn Gottes und als solcher war er nicht auf
frühkindliche Prägung und Erziehungseinflüsse in der Kindheit
angewiesen", der nimmt die Menschwerdung Gottes nicht ganz ernst, und er
radikalisiert den Begriff "Gottessohn" unnötig.
Schon den Königen in Israel wurden bei der Salbung, wenn sie "Meschiach"
"Gesalbter" wurden, mit dem zweiten Psalm, dem Krönungspsalm,
von Gott zugesprochen: "Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt."
Und "Gottessöhne" waren nicht nur die Könige Israel! Auch
das "Volk Israel" war "Sohn Gottes" - und auch ich, wenn
ich das Vaterunser bete, darf mich als Sohn dieses Vaters empfinden.
Jesus wusste sich nicht nur als Sohn des Vaters im Himmel, er war der "eingeborene
Sohn"; nicht "ein Gesalbter" Gottes, sondern "der Gesalbte",
der rettende, einmalige Messias.
Als ihm das bei seiner Taufe vom Himmel her zugesprochen wird: "Du bist
mein lieber Sohn", da tritt er öffentlich auf. Da war er schon 30
Jahre - es dauert keine drei Jahre, und er ist am Kreuz gestorben, als der "leidende
Gottesknecht", als "das Lamm Gottes welches der Welt Sünde trägt",
als unser Erlöser.
Das klingt jetzt nicht mehr weihnachtlich - doch die Bedeutung der Krippe ist
ohne den Blick zum Kreuz nicht zu ermessen.
Sicher hat das Weihnachtsfest auch ohne solche Gedanken und Inhalte seine Bedeutung,
so wie Geburtstage, Hochzeits- und Erinnerungstermine, Jubiläen. Weil aber
nicht nur Familien, Firmen oder Gruppen an diesem Fest teilhaben, sondern das
ganze Volk, sogar viele Völker, deshalb ist die Bedeutung kaum zu überschätzen.
Hinter und unter allem "Geschäftigen" und "Geschäftlichen"
werden Emotionen und Begegnungen ermöglicht und erzeugt, die sonst brachliegen.
Das kann man begrüßen und genießen und sich damit begnügen
- die Weihnachtsbotschaft gibt dann dem Fest noch einen eigenen Glanz und Klang.
Man darf, ja, eigentlich sollte man, auch hinschauen auf den, dessen Geburtstag
von allen gefeiert wird. Dessen Person kommt aber nicht in den Blick, wenn nur
das Kind in der Krippe betrachtet und besungen wird. Sein Tun und sein Reden
ist so eindrucksvoll, dass auch heute noch jeder davon berührt wird, der
ihm begegnet.
Wirklich begreifen kann ihn aber nur, wer ihn begleitet bis zu dem Moment, wo
er sagt: "Es ist vollbracht", und stirbt.
Die letzte, die schwerste und wichtigste Aufgabe seiner Sendung hatte er vollbracht,
und er meinte, es ist die endgültige Offenbarung von Gottes Liebe zu mir
und zu dir.
Was für ein Lebensweg war das!
Weihnachten ist die Einladung, die Geschichte dieses Lebens, dieser Person,
wieder von Anfang an zu betrachten.
AREF kann dabei begleiten - Epiphanias als sind wir wieder dran.
Dr. Hans Frisch