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Advent

gesendet am 18.12.2011 von Dr. Hans Frisch
 

„Letzter Sonntag im Advent. Noch eine Woche bis Weihnachten.“ Schon so ein Satz genügt fast, den guten Vorsatz zu löschen: „In diesem Jahr gibt es keinen Weihnachtsstress.“

Ein Baum mit Lichtern muss schon sein - und diesmal besorgen wir den früh genug. Und auch Geschenke müssen doch sein (obwohl alle ja alles schon haben), die Gänse für den Festbraten die sind schon bestellt, schließlich ist es ein Familienfest.
So kommt eins zum andern, und schließlich kommen auch alle zum Weihnachtsfestessen - und sicher wird es wieder sehr schön.

Damit sind wir in der richtigen Adventstimmung, denn Advent heißt „Ankunft“, und wir warten auf das was, und auf jeden der kommt. Doch warum alle am gleichen Tag - weltweit?

Ich habe noch den „Führergeburtstag“ miterlebt, und auch Stalins Geburtstag wurde gefeiert - aber nur in ihrem Machtbereich, und nur von wenigen mit wirklicher Feststimmung. Kein Vergleich mit dem Geburtstagsfest eines Kindes, das vor 2.000 Jahren geboren wurde und dessen wirkliches Geburtsdatum keiner kennt - von dem sehr viele nur sehr wenig wissen - und relativ wenige feiern wohl Weihnachten wirklich als „Christgeburtsfest“.

Es ist schon ein interessantes Phänomen - eine große Gesellschaft, ein ganzes Volk, ja ein ganzer weltweiter Kulturkreis stimmt sich ein auf einen Abend und eine Nacht der Lichter, der Lieder, der Liebe, und lässt es sich etwas kosten. Offensichtlich sind da menschliche Grundbedürfnisse im Spiel, die in jedem vorhanden sind - meist überlagert von Aktivitäten, verdrängt oder zurückgehalten durch Konventionen und Hemmungen, manchmal völlig unbewusst - jetzt dürfen sie sich zeigen, ja sie sind gefragt. Der strenge Chef darf seinen Untergebenen zeigen, dass es sie als mit Menschen wahrnimmt, und der Pförtner ihm, dass er nicht nur aus Respekt immer freundlich grüßt. Kinder erleben, wie Eltern sich freuen an ihrer Freude und dass sie ihnen Freude machen mit ihren kleinen Möglichkeiten. Freunde haben einen Anlass, sich ihre Freundschaft wieder zu bekennen, oft über große Entfernung. Liebende finden Zeichen, in denen der Glanz ihrer Liebe wieder aufleuchtet.

„Süßer die Glocken nie klingen, als zu der Weihnachtszeit“ – das Klingeln der Kassen im Weihnachtsgeschäft gehört wahrscheinlich zum Fundament des Festes. Aber noch ist es ja nicht so weit, noch sind wir im Advent, wir warten auf die Ankunft, und die meisten wissen: „Erst nach der Kirche an Heiligabend ist die Zeit gekommen.“ Es sieht aus wie ein Spiel, doch es ist wohl tiefer Ernst.

Musik

Advent ist das Thema - noch für eine Woche. Dass die meisten da nur die Vorbereitung auf Weihnachten sehen, sollte uns nicht hindern, einmal genauer hinzuschauen. Nach Kerze vier, steht das Christkind vor der Tür - das klingt gut, ist aber für vier Wochen Advent und auch für ein Fest wie Weihnachten etwas zu kindlich – denn „Christkind“ meint Christus – um dessen Ankunft geht es.

Wenn wir den Namen wieder zurückübersetzen ins Hebräische, dann kommen wir der Wirklichkeit schon näher. „Messias“, „Meschiach“ wurde in der griechischen Welt zu „Christos“ - denn „Meschiach“ ist „der Gesalbte“, der Gesalbte Gottes, und „Chrestos“ kommt von Einreiben mit Öl, wie es die Athleten bei der Olympiade machten. Denn für Messias im jüdischen Sinn gab es kein griechisches Wort, er kam im griechischen Denken nicht vor. Auf den Messias wartete (und wartet) das jüdische Volk, und damals, vor 2.000 Jahren, da wartete es dringend auf seine Ankunft, seinen Advent (das ist lateinisch „Ankunft“).

Vor einem Jahr am vierten Advent haben wir hingeschaut auf Maria und Josef in der Zeit vor der Geburt, auf ihrem Weg von Nazareth nach Bethlehem, wohin sie mussten wegen des Zensus, der römischen Volkszählung mit Steuerschätzung – einer recht unruhigen und unangenehmen Sache für alle Beteiligten. „Weil sie aus dem Hause und Geschlecht Davids waren“, mussten sie in die „Stadt Davids“, zur Eintragung in die Steuerlisten. In diesen Listen stand dann, wie viel jeder an die Steuereintreiber, die „Zöllner“, für Rom bezahlen muss. Da kann keine Weihnachtsstimmung auf, im Gegenteil. Bei einer ähnlichen Aktion 14 Jahre später brach ein gewaltiger Aufstand los, „Judas der Galiläer“ hieß der Anführer. Das Land kann nicht mehr zur Ruhe - und 130 Jahre später kam ein falscher Messias. Nach dem Bar-Kochba-Aufstand war die Katastrophe vollkommen.

In eine solche Zeit hinein wurde das Christkind geboren - doch zunächst war die kleine Welt der Maria wohl noch in Ruhe. Ein warmer Stall, eine Krippe als Wiege - und schließlich war das Kind da, das verheißene. Die Hirten kamen und später die Weisen aus dem Morgenland - Astrologen vom Euphrat.

Wahrscheinlich war es nicht ganz so schön und festlich wie die Weihnachtskrippen, die Krippenspiele und die Weihnachtslieder es darstellen, doch reichte es wohl, um Maria die Sicherheit zu geben, dass ihre Engelsvision und die Engelsbotschaft am Anfang keine Einbildung waren. „Mein Sohn ist der Messias“, das wusste sie nun gewiss - aber was aus dieser Ankunft werden sollte, davon hatte sie zum Glück keine Ahnung.

Wahrscheinlich freute sie sich schon darauf ihre Cousine Elisabeth mit dem Kind zu besuchen. Deren Sohn Johannes war schon ein halbes Jahr alt, und er sollte der Prophet des Advent werden.
„Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen“ so ruft er 30 Jahre später, und es „ging zu ihm hinaus die Stadt Jerusalem und ganz Judäa und alle Länder am Jordan und ließen sich taufen von ihm im Jordan und bekannten ihre Sünden.“ Sie waren bereit, den Messias, den Retter und Befreier empfangen.

Musik

Aus den 30 Jahren zwischen der Geburt in Bethlehem und dem Täufer dort am Jordan ist kaum etwas über Jesus berichtet, außer der Geschichte von dem Zwölfjährigen im Tempel. Es muss ein ganz normaler Junge gewesen sein, vielleicht auch ein tüchtiger Zimmermann.

Doch jetzt verkündete sein Verwandter, Johannes der Täufer: „Es kommt einer nach mir, der ist stärker als ich, der wird euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen“ - und Jesus weiß: „Er meint mich.“ Da geht er auch an den Jordan und lässt sich taufen. Er hört die Stimme Gottes: „Du bist mein lieber Sohn an dem ich Wohlgefallen habe“ - und erst jetzt ist er angekommen in seiner Sendung. Auch er verkündet das Kommen von Gottes Reich. „Mit mir ist es angekommen“ lautet seine Adventbotschaft – und damit ist sein Schicksal besiegelt.

Wenn die Massen glauben: „Er ist der Messias“, dann glauben sie an die Befreiung - die Befreiung von den Römern, und das heißt Aufstand - auch wenn er eine ganz andere Freiheit bringen will. Viele wollen es glauben, sie sind bereit zum Kampf. Die Verantwortlichen erkennen: „Wenn der nicht beseitigt wird, kommt die Katastrophe“ – und sie beschließen seinem Tod. Jesus sieht es klar kommen, und in den Propheten, aus denen das Volk die Messiaserwartung bekommen hat, liest er jetzt die Texte vom leidenden Gottesknecht, der für die Schuld des Volkes stirbt.

Da sind wir plötzlich aus der vorweihnachtlichen Zeit schon in die Passionszeit geraten - doch im Kirchenjahr folgt ja auch auf Epiphanias am 6. Januar, dem Fest der Weisen aus dem Morgenland aber auch dem Fest der Taufe Jesu, bald die Passionszeit. Im Leben Jesu waren es zwischen Taufe und Tod nur drei Jahre, von denen er nicht viel mehr als die Hälfte öffentlich auftrat - seit Johannes im Gefängnis war.

Ich gebe zu, zur Einstimmung auf Weihnachten ist das nicht hilfreich. Wenn aber dieser oder jene etwas klarer erkennt, was für ein Christkind da geboren wurde, nehme ich Vorwürfe gerne auf mich.

Ansonsten: es ist noch eine ganze Woche Zeit, sich einzustimmen - auch für mich. Wir sollten es versuchen. Schließlich sind da menschliche Grundbedürfnisse im Spiel - und viel älter als Weihnachten, auch älter als das Christentum sind mythische Feste zur Zeit der Wintersonnenwende. Die Kirche hat den Geburtstag des Christus auf dieses Fest gelegt, und wenn das falsch war, ist sie daran schuld.

Ob das römische Fest des „sol invictus“, der „siegreichen Sonne“, ohne Christkind überlebt hätte, ist sehr fraglich. Bestimmt wäre es nicht so schön. Und das Argument der Kirche: „Jesus ist das Licht der Welt, die siegreiche Sonne für die Menschheit“, dieses Argument ist für mich überzeugend.

So wünschen wir allen - denen die Christi Geburt feiern und denen die ein Fest der Lichter, der Lieder und der Liebe feiern, eine gute gesegnete Weihnachtszeit.