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Der Auftrag

gesendet am 5. Juni 2011 von Dr. Hans Frisch
 

Drei Tage nach Himmelfahrt ist heute – also 43 Tage nach Ostern. Keiner von uns zählt die Tage, doch die Jünger damals haben sie genau gezählt. „43 Tage seit dem Omer“ sagten sie gestern Abend bei Einbruch der Dunkelheit, und sprachen ein Gebet.

BARUCH ATA ADO-NAJ ELOHENU MELECH HAOLAM ASCHER KIDESCHANU BEMIZWOTAV WEZIWANU AL SFIRAT HAOMER.
Gesegnet seist Du, G-tt, unser G-tt, König des Universums, der uns durch Seine Gebote geheiligt und uns befohlen hat, das Omer zu zählen.

Wenn Juden unter den Hörern wären, die könnten es erklären. Juden feiern nicht Ostern sondern Pessach, das Fest der Erinnerung an den Auszug aus Ägypten, der Befreiung aus der Sklaverei - und zugleich war an Pessach der Beginn der Ernte. Die erste Garbe wurde im Tempel geopfert (Garbe heißt „Omer“ auf Hebräisch) - erst danach durfte Brot von der neuen Ernte gegessen werden.

Nach 50 Tagen war die Ernte abgeschlossen, jetzt wurde Schawuot gefeiert, die Erinnerung an die Gabe des Gesetzes damals auf dem Sinai. Von Pessach an wurde Tag für Tag gezählt. „Heute ist ein Tag seit dem Omer“, „heute sind zwei Tage nach dem Omer“ bis zu „49 Tage“ – und nach jedem Zählen das Gebet. Ja, auch heute noch zählen Juden auf der ganzen Welt Omer, alles ist genau geregelt.

Doch wir sind kein jüdischer Sender, sonst hätten wir heute nicht den 43. Tag nach Ostern, sondern würden heute Abend den 48. Tag nach dem Omer zählen - und übermorgen würde Schawuot beginnen. Wir haben aber noch eine ganze Woche bis Pfingsten. Das liegt am Sonntag – denn am Ostersonntag, am Tag nach Pessach, war die Auferweckung Jesu – und der Sonntag wurde der christliche Feiertag. So sind wir in den Sonnenkalender geraten – die jüdischen Feste richten sich aber nach den Mondphasen, das geht dann immer etwas mehr oder weniger auseinander. Wir feiern auch nicht 50 Tage nach Ostern die Gesetzgebung am Schawuot, sondern die Gabe des Heiligen Geistes an Pfingsten.

Heute sind wir noch näher an Himmelfahrt als an Pfingsten. Wie mag den Jüngern damals zu Mute gewesen sein. Am Freitag vor sechs Wochen, da war ihre Messiashoffnung und Zuversicht zusammengebrochen, als Jesus am Kreuz starb. Am Sonntag erlebten sie den Auferstandenen.

In den 40 Tagen danach begegnet er ihnen wieder und wieder - und schließlich hatten sie es verstanden: Das Kreuz war nicht das Ende, sondern der Anfang - denn Jesus war nicht der mächtige Messias sondern der siegreiche Erlöser.

Aber nun war er nicht mehr da, „im Himmel“ war er, weit weg. Und einen Auftrag hatte er ihnen gegeben, unmöglich zu erfüllen!

„Darum geht hin und macht zu Jüngern alle Völker: Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes
und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe."

Zum Glück hatte er keinen Termin genannt - eigentlich hatten sie alle Zeit der Welt, denn als Letztes sagte er: „Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.“ Sie hätten zwar nicht geglaubt, dass es über zwei Jahrtausende gehen würde - doch auch wir sollten vom Evangelium erreicht werden, und wir leben halt im 21. Jahrhundert.

Musik

Wenige Worte Jesu haben so viel bewirkt wie das Vermächtnis an seine Jünger beim Abschied - und keines ist so schlimm missbraucht worden wie dieses. „Missionsbefehl“ wird der Text oft genannt, auch „Taufbefehl“. Das klingt nicht nur nach Missbrauch, das wurde in der Geschichte wieder und wieder verstanden als Aufforderung, als Befehl dazu. Lasst uns das zuerst klären, dann brauchen wir die wirkliche Botschaft nicht weiter vor dem Missverständnis um den Missbrauch zu schützen.

Eine scheinbar kleine Änderung war die Weichenstellung: „Macht zu Jüngern durch die Taufe“, daraus wurde die Taufe als Heilssakrament und zusammen mit der Erbsünde die rettende Kindertaufe. Durfte man dieses Sakrament den armen wilden Völkern vorenthalten?

So wurden ganze Stämme und Völker in ihr Heil getauft - als erstes die Sachsen durch Karl den Großen. Wer sich dagegen wehrte, der wurde getötet. Es ging dabei nicht um Heil, sondern um Macht, und von Karl wurde damals das Fundament des Deutschen Reiches gelegt - auch die Verbindung von Macht und Kirche. Die Geschichte des christlichen Abendlandes ist ohne diese Verbindung nicht zu verstehen - es ist unsere Geschichte.

Wir können uns keine andere herbei wünschen - und ob eine Geschichte ohne Christentum weniger Unheil gebracht hätte bezweifle ich. Die Blutbäder der Französischen Revolution, der „Großen sozialistischen Oktoberrevolution“ und des Sowjetreiches, der Kulturrevolution in China und mancher anderer antichristlichen Siege spricht dagegen. Um so viele Menschen zu töten, wie die katholische Kirche in Jahrhunderten auf dem Gewissen hat, brauchte Mao dse Dung 20 min.

Zurück zum Text: „Macht zu Jüngern“, das ist eine Übersetzung aus dem Griechischen. „Jünger“ wie Jesus sie hatte gab es in Griechenland nicht. Da gab es zum Beispiel Philosophenschulen, wo ein geistiger Führer Schüler um sich scharte. In dem präzis übersetzten „Münchner Neuen Testament“ steht auch: „Gehend nun, macht zu Schülern alle Völker.“

Gott sei Dank, die Geschichten von Jesus sind nicht nur in einem Evangelium erzählt, so sind wir nicht auf die orthodoxe Auslegung einzelner Worte angewiesen. Markus berichtet Jesu Vermächtnis so:

„Geht hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur.
Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.“

Oder nach der Münchner Übersetzung:

„Gehend in die ganze Welt verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung“ – wobei „Evangelium“ eigentlich auch noch übersetzt werden muss: „verkündet die frohe Botschaft“.

Damit ist nun keine Politik zu machen, schon gar keine Machtpolitik.

Dieses Vermächtnis hatten die Jünger in den Tagen nach Himmelfahrt, und keinerlei „Ausführungsbestimmungen“. Da wird es spannend, was draus wird.

Musik

Nun war Jesus weg, er hat ihnen den Auftrag gegeben, gewissermaßen „die Welt zu gewinnen“. Ihnen, den Fischern und Handwerkern aus Galiläa - und wir in Nürnberg des einundzwanzigsten Jahrhunderts reden davon und denken darüber nach. Irgendwie ist es also geschehen!

Einen Satz aus dem Vermächtnis haben wir bisher unterschlagen:

„Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden, darum geht hin.“

„Mir ist die Vollmacht gegeben“ ist die bessere Übersetzung – die Vollmacht wird erteilt von dem, der die Gewalt besitzt. Das könnte klären: Jesus wusste sich gesandt vom allmächtigen Gott, und er war Eins mit ihm in seiner Sendung, so dass er ihn „Vater“ nannte.

Am Kreuz hat er die Sendung vollendet, nicht für sich sondern für „die Völker“ – hebräisch „Gojim“, die Heiden. Für alle sollte der Zugang zu Gott, dem Gott Abrahams, Moses, der Propheten, zu dem einen heiligen Gott frei werden.

Wer diese Botschaft, das „Evangelium“ annimmt, der kann es durch die Taufe bekennen und besiegeln – im Namen des Vaters, des allmächtigen Gottes, im Namen Jesu, der geboren wurde und lebte, um die Sendung zu erfüllen und im Namen des Geistes, der Gott mit den Menschen verbindet. So würde ich das heute übersetzen.

Wer als Kind getauft ist, der darf es bekennen in der Konfirmation oder Firmung – und wir alle sollen es bekennen immer wieder - denn der Auftrag, das Evangelium weiterzusagen gilt uns allen. Wir müssen nicht so aufdringlich reden wie die Handywerbung – obwohl die Verbindung zu Gott viel wichtiger ist, dazu noch ohne Gerät und eine totale „Flatrate“.

Wie die Jünger es damals gehört haben, können wir nicht wissen. Sie haben ja miterlebt, wie Jesus von Gott und zu Gott sprach als Vater, Abba, Papa. Sie haben seine geistige Vollmacht erfahren und er hat ihnen den Heiligen Geist versprochen, den auch die Propheten schon verheißen haben. Sicher hatten sie kein „Trinitätsproblem“ bei der Taufformel: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“

Mit einer Massentaufe fing dann zehn Tage später die Geschichte an, die heute noch weitergeht, und interessant ist, Petrus tauft nur auf „den Namen Jesus, zur Vergebung der Sünden“ und verspricht die Gabe des Heiligen Geistes.

Dass es Gott ist, der Vergebung schenkt, ist für die Jünger und die anderen Juden selbstverständlich. In der Taufe nehme ich die Vergebung an und bekenne, dass ich aus der Vergebung leben will. Daran hat sich bis heute nichts verändert, und deshalb ist es immer noch die gleiche Geschichte.

So wie die Geschichte Gottes mit seinem Volk nach dem Bund am Sinai wurde auch seine Geschichte mit der Kirche Christi recht bewegt, oft dramatisch, zeitweise sehr schwierig. Doch hatte er Geduld, auch das Volk Gottes und die Kirche leben aus der Vergebung, immer wieder, immer neu.

Müssten wir uns dann immer wieder neu taufen lassen? Nein – der geschlossene Bund bleibt gültig, so wie auch der Ehebund gültig bleibt, trotz Ehekrach.

Wie gut, dass die Liebe bleibt, und „Gott ist Liebe“, so sagt es die Bibel.