Buß- und Bettaggesendet am 18. November 2012 von Dr. Hans Frisch |
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Die Kastanie, der Vogelbeerbaum und auch der Haselstrauch vor dem Fenster haben schon ihr Laub verloren - nur die Hainbuche hält noch ihre Blätter fest. In der Morgensonne leuchten sie golden - wenn die Sonne denn scheint.
Wir sind im November - der goldene Oktober ist vorbei. Es wird kalt, feucht und dunkler und die Feiertage in diesem Monat passen dazu: Allerheiligen, Allerseelen, heute Volkstrauertag, am Mittwoch Buß- und Bettag - und zuletzt noch Totensonntag, ehe der Advent wieder Licht bringt.
An den meisten dieser Feiertage ist AREF auf Sendung, außer am Buß- und Bettag, denn das ist seit 17 Jahren kein gesetzlicher Feiertag mehr. Er wurde für die Finanzierung der Pflegeversicherung geopfert. Außer dem Verlust eines arbeitsfreien Tages war da nicht viel bedauern. "Putz- und Fegtag" wurde er genannt - eine gute Möglichkeit, das Laub von der Gartenwiese zu fegen.
Wer kann mit Buße etwas anfangen, und wer betet so intensiv, dass er einen freien Tag dafür braucht? Auch mein Bedauern um den Verlust hält sich in Grenzen, trotzdem wollen wir diesen Feiertag etwas aus seinem Schattendasein mitten in der Woche hervor holen und genauer ansehen.
"Das sollst du mir büßen!" haben wir als Kinder gesagt, wenn jemand uns etwas angetan hatte - meistens im Spaß, und meinten dem damit Strafe oder Rache - auch meist im Spaß. Die Bußgeldbescheide für zu schnelles Fahren oder anderes sind leider kein Spaß - doch wenn sie bezahlt sind, ist die Angelegenheit erledigt. Wenn jemand eine Strafe verbüßen muss, dauert es manchmal lange.
Doch dergleichen ist mit Bußtag nicht gemeint. Es ist ein kirchlicher Feiertag - er hat also etwas mit Gott zu tun - und der kennt unseren Fahrstil - auch wenn keine Radarkontrolle droht, auch unsere Flüche und Verwünschungen, wenn andere uns ärgern, sogar das Gute, das wir unterlassen, ist bei ihm registriert - und nicht nur im Straßenverkehr. Da kommen einige Strafpunkte zusammen, bei manchem so viel, dass es gut wäre, ihn für eine Weile aus dem Verkehr zu nehmen. Schon lange bevor es Massenspeicher wie in Flensburg gab, hatten die Menschen die Ahnung, dass dort, wo sie einmal hinkommen, nichts vergessen ist.
Die Ägypter wussten,
dass sie vor einem himmlischen Tribunal sich verantworten müssen, deshalb
wurden den Toten Buchrollen mit den richtigen Antworten in den Sarg gelegt.
Drohende oder eingetretene Katastrophen wurden oft als Strafen für sündhaftes
Verhalten und sündhafte Verhältnisse angesehen, durch Bußübungen
hoffte man auf Rettung.
Als Jona der Stadt Ninive das Gericht Gottes ankündigte, da ging die ganze
Stadt in Sack und Asche und fastete, auch der König und sein Hof. Jona
war sauer, dass die Strafe ausblieb.
Eine neue Qualität bekam Buße in Israel, und hat sie dort bis heute behalten, mehr als 3.000 Jahre. "Teschuwa" heißt sie hebräisch und meint "Umkehr" - Umkehr zu Gott.
Musik
Die "Kinder Israels", das sind die zwölf Söhne (und eine Reihe Töchter) von Jakob, der den Namen "Israel" bekam. In Ägypten wurden daraus zwölf Sippen, und der Auszug aus Ägypten machte sie zum Volk. Zum "Volk Gottes" wurden sie durch den Bund, den der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs mit ihnen schloss. "Bundesurkunde" ist das Gesetz, durch Mose dem Volk übergeben und von diesem feierlich angenommen.
Artikel 1 dieses Grundgesetzes
lautet: "Ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges
Volk sein."
Nicht nur Antisemiten zweifeln daran, dass Israel - das alte und das neue -
ein heiliges Volk ist. Die Propheten haben schonungslos Klartext geredet bei
ihrem Urteil über das Volk, über seine Führer und über seine
Priester.
Doch immer wieder hat Gott durch seine Propheten zur Buße, zur Umkehr
gerufen, und dieser Ruf wurde immer wieder gehört, durch die Jahrtausende.
Wer das Gesetz übertreten hatte, war aus dem heiligen Volk herausgefallen - Doch er konnte umkehren. Mit einem Opfertier ging er zum Heiligtum. Außen schlachtete er das Tier, und der Priester kam heraus, nahm etwas von dem Blut des Tieres und strich ist an die "Hörner des Altars", die steinernen Zacken an den Ecken. "Und ihm wird vergeben!" Er darf wieder ins Heiligtum hinein, gehört wieder zum heiligen Volk Gottes.
Das war so, bis der Tempel zerstört wurde in Jahr 70. Seitdem sind die Opfer durch Gebete abgelöst, und Jom Kippur, der große Versöhnungstag, wurde das heiligste Fest der Judenheit, ein absoluter Fastentag.
Zur Zeit des Tempels wurde an diesem Tag vom Hohen Priester die Sünde des Volkes dem Sündenbock "aufgestemmt", und der wurde dann in die Wüste geschickt.
Jetzt wird am Vorabend des Jom Kippur die persönliche Schuld einander bekannt und vergeben - nur dann vergibt auch Gott die Sünden. Zehn Tage, von "Rosch ha-schana", dem jüdischen Neujahrstag, bis Jom Kippur ist Zeit für Buße. Ddanach werden die Bücher im Himmel geschlossen. Auch nichtreligiöse Juden halten sich daran.
Stellt euch vor, ein Weihnachtsfest an dem statt Geschenke Vergebung geschenkt wird, und alle machen mit - und das jedes Jahr wieder! Das wäre ein Buß- und Bettag!
Ich glaube, ohne Schabbat und ohne Jom Kippur hätte das jüdische Volk nicht überlebt - und ich glaube, Vergebung von Schuld ist das kostbarste, was wir schenken können und das Wichtigste, was wir brauchen, denn Schuld vergiftet die Beziehungen. Aber nur erkannte und bekannte Schuld kann vergeben werden, deshalb geschieht es so selten. Da könnte ein Bußtag wie Jom Kippur schon hilfreich sein.
Leider wird unser Buß- und Bettag kaum diese Qualität bekommen, doch niemand hindert uns daran, ihn für uns ernst zu nehmen.
Musik
"Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen" so ruft Johannes der Täufer. Er kündet damit das Kommen von Jesus an. "Tut Buße, und glaubt an das Evangelium" so redet Jesus, nachdem Johannes im Kerker ist. "Tut Buße und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesus Christus zur Vergebung der Sünden" so antwortet Petrus nach der ersten Predigt zu Pfingsten den Pilgern im Tempel auf ihre Frage: "Was sollen wir tun?" - und damit beginnt die Kirchengeschichte. 3000 ließen sich taufen.
Kein Opfer, kein Altar, kein Priester - Buße und Taufe führen in die Vergebung, Taufe "auf den Namen Jesus Christus", das ist der Name des gekreuzigten, auferstandenen und aufgefahrenen Jesus. Ist das nicht zu billig?
Zu billig war es, wenn sich
Menschen mit einem Opfer freikaufen wollten. Die Propheten haben dagegen gewettert.
Als David vom Propheten Nathan konfrontiert wird mit seinen Verbrechen - Ehebruch
und Mord - da bekennt er: "Ich habe gesündigt gegen den HERRN."
"So hat auch der HERR deine Sünde weggenommen." antwortete Nathan.
Das klingt billig, doch wer die Bußpsalmen Davids liest, Psalmen die öffentlich vorgetragen wurden, der erkennt, was Buße wirklich ist. Sie ist die Voraussetzung für Vergebung. Das Opfer bringt den Menschen in die Haltung, in der Vergebung ihn ergreifen und verändern kann.
"Taufe auf den Namen Jesus Christus", das ist Bekenntnis der Erlösungsbedürftigkeit und zugleich Annahme der Erlösung durch das Opfer, das Jesus am Kreuz ist. "Buße" heißt da: Zugeben, dass kein Rechtsanspruch auf das Heil, auf die Annahme durch Gott besteht, und die dankbare Erkenntnis, dass die Gnade, die Vergebung, die Annahme geschenkt sind, aus Liebe.
Wer das billig findet, hat
es nicht verstanden. Wer es versteht, der wird verändert, so wie nur Liebe
verändern kann.
"Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen auch
lauter Güte" sagt Gott durch den Propheten Jeremia zu Israel.
"So sehr hat Gott die
Welt geliebt dass er seinen eingeborenen Sohn dahingab" sagt Jesus am Beginn
seines Weges.
"So sehr bist du geliebt!" ist Gottes Wort an dich, wenn du den Gekreuzigten
siehst.
So gesehen könnte der Bußtag ein wirklicher Freudentag werden, eine Vorbereitung auf Weihnachten, wenn wir die Geburt dieses Sohnes feiern.