Olympia-Nachlesegesendet am 26.08.2012 von Dr. Hans Frisch |
|
80.000 Menschen völlig still - bis zum Startschuss. Eigentlich hätten sie, auch die 50.000 im Hydepark beim public viewing und die eineinhalb Milliarden weltweit an den Bildschirmen die Luft anhalten können bis zum Ende nach 10 Sekunden - doch die Begeisterung über den fantastischen 100 m Lauf machte sich Luft schon nach den ersten Metern, und sie explodierte, als die ersten durchs Ziel gingen - nach 9,63 Sekunden der erste. 2 Millionen Karten hätten verkauft werden können, doch das Stadion war voll. 80,- bis 950,- Euro hatten die Karten gekostet für diesen Abend. Da dürften über 20 Millionen Euro zusammen kommen - um dabei zu sein!
7. August 2012, 18:20: Start des Start des 100-Meter-Finales der Männer Foto: DarrenWilkinson unter Creative Commens Lizenz Namensnennung |
Nun liegt das schon drei Wochen zurück,
doch fing ich schon am Tag danach an, über die heutige Sendung nachzudenken
(damit ich es nicht im Urlaub machen muss.) Schon bei der Olympiade in Peking,
auch bei der Fußball WM und bei der EM taucht die Frage auf: Was
wird da gekauft mit den Tickets, zu denen ja oft auch Reise- und Hotelkosten
kommen? (Von den Preisen für Übertragungsrechte wollen
wir gar nicht reden, und erst recht nicht von den Kosten für Stadien, Organisation
und Betrieb).
Es muss etwas wirklich wichtiges sein, nicht nur für Teilnehmer und Besucher.
Doch zurück ins Stadion.
In die eingetretene völlige
Stille fällt ein Schuss, und acht Männer schießen auf die Bahn.
Mit ungeheurer Kraft, Konzentration und Anstrengung rasen sie auf eine Linie
zu, und der erste erreicht sie 12 hundertstel Sekunden vor dem zweiten und 16
vor dem dritten. noch nie hat eine Dreiergruppe die Distanz von 100 m so schnell
durchlaufen.
Das war's! Sonst nichts! Die übrigen waren auch sehr, sehr schnell, bis
auf einen alle unter 10 Sekunden. Doch von denen spricht kaum jemand. Die totale
Begeisterung gilt eigentlich dem einen, und der zeigt seinen Triumph eindrucksvoll.
Wahrscheinlich habt ihr das alle miterlebt am Fernsehen, und keiner von uns
allen könnte sich auch nur die Andeutung einer Chance ausrechnen, da mitzuhalten.
Warum sind wir alle so begeistert? Was haben wir bekommen? Das war
unsere Frage, und das ist die Frage bei so vielen Höchstleistungen die
wir miterleben, nicht nur im Sport.
Immer wieder fällt mir der Satz von Friedrich Nietzsche ein: Welche
Heiligen Spiele werden wir erfinden müssen?
Ja, es sind heilige Spiele. Das wunderbare olympische Feuer erinnert ständig
an die große Eröffnungsfeier und an den erschütternden Moment,
als sich die 204 Flammen vereinten. Hoffentlich haben auch die Teilnehmer im
Stadion die faszinierende Perspektive von unten in den Flammenkranz auf einem
Bildschirm gesehen.
Was für ein Symbol: die Flammen aller Nationen vereinen sich zur Fackel
der Hoffnung für eine friedliche, glückliche und starke Welt.
Und jetzt, nach vielen Wettkämpfen, vielen Sportarten und nach vielen Siegerehrungen
dieser Augenblick. Innerhalb einer Sekunde erreichen sieben Läufer die
Linie, nach 9 s Lauf - und Milliarden Menschen auf der Welt erleben diese Sekunde
mit. Zwischen Gold und Bronze liegen nur hundertstel Sekunden.
Hier und jetzt! ist die Entscheidung gefallen. Der Sieger jubelt
den jubelnden Menschen zu, berührt die ausgestreckten Hände der ersten
Reihe und steht schließlich wie eine Statue in der Pose eines Bogenschützen,
der seinen Pfeil noch weit über die Ziellinie hinausschießen will,
in Bereiche, die er durch seinen Sieg eröffnet hat.
Lassen wir ihn eine Weile in dieser Stellung.
Musik
Wer mich kennt, der weiß es,
und die anderen haben es sicher gemerkt: von Sport verstehe ich nicht viel.
Doch über das Sportliche bei Olympia ist ja sehr viel gezeigt, gesprochen
und geschrieben worden.
Unsere Frage war: Was bekommen die Besucher für den doch recht hohen
Preis der Tickets, der Reise und des Hotels?
Ich war dabei! - wird er wohl noch seinem Enkel erzählen, und
das starke Empfinden dieses Augenblicks wird in ihm wieder wach werden. Als
einer von 80.000, doch, Er ist für mich gelaufen!
Das sind heilige Momente im Leben und gerade, wenn sie in Gemeinschaft mit vielen
erlebt werden. Archetypisch nennt die Psychologie von C. G. Jung
solche Ereignisse. Sie begleiten die Menschheit seit Urzeiten.
Wintersonnenwende, Sommersonnenwende, Frühlingsanfang (als neues Jahr im
Alten Orient), auch Olympiaden in Griechenland - heilige Zeitpunkte wurden geweiht
mit heiligen Spielen (das neue Jahr in Babylon mit der Heiligen Hochzeit des
Königs mit der hohen Priesterin).
Hic et nunc, hier und jetzt ist die Heilige Zeit am
heiligen Ort - und in frühen Zeiten war dies die eigentlich gültige
Zeit, zu der hin und von der her das Leben ging, und der zentrale Ort, an dem
man zusammenkam und Einheit erlebte - ja, an dem Einheit entstand, die gültig
blieb auch nach dem Fest.
Ohne solche Zeitpunkte und ohne solche Orte ist die Entwicklung der Menschen
zur Menschheit nicht denkbar.
Die Zeiten haben sich geändert, heilige Feste gehören zur Mythologie
oder allenfalls zum Brauchtum (vielleicht mit Ausnahme von Weihnachten). Wer
die alten Filme der Olympiade 1936 in Berlin sieht, erkennt, wie makaber der
Versuch ist, den Mythos wieder aufzurufen.
Doch, das archetypische Verlangen nach gültiger Zeit und zentralen Orten,
wo Gemeinschaft entsteht und erlebt wird, das gehört unverändert zum
Menschen. Wer in London dabei war, der hat es erlebt, und auch am Fernsehen
war es zu spüren.
Ich glaube, hier liegt die eigentliche Berechtigung für den gewaltigen
Aufwand, den die Welt sich leistet für Olympiaden, Weltmeisterschaften
und manche andere solche Feste.
Für die Sportler gilt die Devise Dabei sein ist alles, und
viele haben den langen, schweren Weg bis zur Olympiateilnahme auf sich genommen,
obwohl sie wussten, zu Gold, Silber oder Bronze wird es nicht reichen. Doch
erst mit ihnen sind die Spiele möglich!
Wenn wir die Spiele als heilig bezeichnen, dann dürfen wir ihren Einsatz
als Priesterdienst ansehen - und ich bin sicher, die Kirchenlandschaft würde
anders aussehen, wenn alle Priester ihren Dienst mit solchem Einsatz tun würden.
Die Besucher dürfen ihren Einsatz an Zeit und Geld als Opfer ansehen, ohne
das alles nicht möglich wäre - auch wir am Fernseher haben durch die
massive Erhöhung der Einschaltquote die Gebühren für Senderechte
in die Höhe getrieben und damit auch zum Gelingen beigetragen. Wir dürfen
uns also alle als eine große weltweite Gemeinde empfinden - und hoffen,
dass es keine flüchtige Täuschung ist.
Musik
Sie haben für uns gesiegt - das spüren wir, wenn unsere deutschen Sportler auf dem Siegerpodest stehen und unsere Nationalhymne erklingt. Doch auch bei einem solchen Sieg, wie beim 100 m Finale, haben wir das Gefühl: Er ist für mich gelaufen, auch wenn es die Nationalhymne von Jamaika ist.
Ja, ich weiß, der Sieg bedeutet
für den Sieger einen Millionengewinn, doch wäre der mit auf der Anzeigetafel,
die Bewunderung würde bleiben aber die Begeisterung wäre sehr gedämpft.
Ja, ich weiß, die Heiligkeit der Spiele ist eine Illusion, auch die weltweite
Olympiagemeinde. Doch womit wollte man die Sehnsucht danach, die archetypisch
in uns lebt, stillen?
So werden die Spiele wiederholt werden alle vier Jahre, die überbrückt werden mit Fußball- und anderen Weltmeisterschaften. So kommen wir über die Runden in einer unheiligen Welt voller Kampf, Hunger, Angst und Elend, denn auch das gilt, was Nietzsche als Grund für heilige Spiele genannt hat: Gott ist tot für diese Welt, und die Lücke, der Abgrund der da entsteht, muss überbrückt werden, auch wenn es teuer wird.
Ja, wenn da wirklich etwas Heiliges
wäre, wenn Gott nicht tot ist und Beziehung zu uns will, wenn wir Beziehung
zu ihm finden könnten - das wär's!
Doch was für ein Athlet müsste da an den Start gehen um für uns
zu laufen? Für uns, denen die Kraft und der Mut fehlt, nach dem Heiligen
zu fragen; die belastet sind mit Sorgen, Ängsten, Zweifeln und Schuld;
uns, die die Hoffnung schon aufgegeben haben und viel zu arm sind um ein Ticket
zu kaufen.
Da müsste einer laufen, der
keinen Gewinn erwartet, keinen Beifall, keinen Ruhm, der nicht denen die Hand
berührt, die auf den 900 Euro Plätzen ganz vorn sitzen, sondern denen
in den letzten Reihen sich zuwendet, ja, denen die gar nicht ins Stadion der
Gesellschaft hinein dürfen. Zu diesem Lauf ist Jesus angetreten. So sehr
hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle
die an ihn glauben ewiges Leben haben (Johannes 3, 16) sagt er beim Start
zu einem Mitglied des Hohen Rates, der wissen wollte, wer er ist.
Vier Jahre arbeiten die Athleten auf Olympia zu - sein Lauf dauerte drei Jahre.
Der anfängliche Beifall flaute bald ab und besonders aus den ersten Reihen,
von den Mächtigen, den Frommen und Gebildeten, den Selbstgerechten kam
Widerstand und Feindschaft.
Dann waren nur noch seine zwölf Jünger um ihn, doch als es in die
letzte Runde ging, als blutiger Angstschweiß auf seiner Stirn stand, als
mit der Verhaftung der freie Lauf zu Ende war, da verließen auch sie ihn.
Petrus leugnete sogar mit einer Selbstverfluchung, dass er ihn kennt.
Was für ein Sieg! Der Rücken
von Geiseln blutig zerfetzt, eine Dornenkrone auf dem Kopf, nackt ans Kreuz
genagelt, verspottet und verhöhnt spricht er: Es ist vollbracht!
Und stirbt - für uns, für mich. Wenn ein Gott ist, hat er sich hier
offenbart in seiner abgrundtiefen Liebe.
Du kannst es ignorieren, du kannst es ablehnen als absurd, du kannst dich einreihen
unter die Spötter, die am Kreuz standen - doch du kannst es nicht ungeschehen
machen. Und - du darfst es glauben: Für mich!. selbst wenn
du es nicht verstehst - es ist nicht zu verstehen, so wie Liebe nicht zu verstehen
ist. Du kannst sie nur im Glauben annehmen.
Was es dir bringt? Sag Ja dazu, und du wirst es erleben - so wie Milliarden Menschen es erlebt haben in der weltweiten Gemeinde des Christus.
Dr. Hans Frisch