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Eine Woche nach Pfingsten

gesendet am 3. Juni 2012 von Dr. Hans Frisch
 

Eine Woche nach Pfingsten - was könnte da Thema sein?
„Der Geist“ dachte ich - doch was kann zum Geist gesagt werden?

 

Dann sahen wir einen Film: „Der Junge im gestreiften Pyjama“ - der war wie eine Antwort

Film: „Der Junge im gestreiften Pyjama“

Mit ausgebreiteten Armen rennen Schüler durch Berliner Straßen - es ist Anfang des Krieges und sie spielen „Jagdflugzeuge“. Einer von ihnen zweigt ab, er ist zuhause. Eine große Altbauvilla, komfortabel eingerichtet - die Frage, ob es ein arisiertes jüdisches Haus war, wird nicht gestellt.
Bruno wohnt hier mit Mutter, älterer Schwester und dem Vater, einem hohen SS Offizier. Die Handlung beginnt eigentlich erst richtig mit einer Feier zu seiner Beförderung. Er wird Leiter eines KZ. Die Familie zieht um in eine völlig schmuck- und reizlose Villa neben dem Lager, fast wie ein Bunker - hinter Mauern und einem bewachten Tor.

Bruno ist einsam. Die Schwester flirtet mit einem jungen Offiziere der als Adjutant im Haus ist. Sie ist begeistert von Hitler, dem Nationalsozialismus und von der Beseitigung schädlicher Elemente aus dem deutschen Volk, vor allem der Juden. Bruno hat keine Ahnung. Er wundert sich über die seltsamen Bauern auf dem Gelände hinter dem Haus, er kann es von seinem Zimmer aus sehen. Auch einzelne Häftlinge, die im Haus und Garten arbeiten, erscheinen ihm nur eigenartig. Die Mutter erkennt erst spät, dass es in dem Lager um die Vernichtung von Menschen geht, und ist entsetzt.

Eines Tages entdeckt Bruno ein Schlupfloch, durch das er das Grundstück unbemerkt verlassen kann, und erforscht die Gegend. So kommt er an den Lagerzaun. Dahinter sitzt ein Junge in einem gestreiften Schlafanzug, mit aufgenähter Nummer. Durch den Zaun hindurch werden die beiden Achtjährigen Freunde - dass der andere ein Jude ist hat für Bruno keine Bedeutung. Von den Schrecken im Lager ist am Zaun nichts zu erkennen, nur dass aus zwei hohen Schornsteinen manchmal starker Rauch kommt, der sehr übel riecht.

Als der Freund erzählt, dass sein Vater im Lager verschwunden ist, beschließt Bruno ihm bei der Suche zu helfen. Er bekommt auch einen Häftlingsanzug, mit Mütze, damit nicht auffällt, dass sein Kopf nicht geschoren ist, und gräbt sich unter den Zaun durch. Doch gerade, während der Vater in seinem Büro anderen Offizieren erklärt, dass die Gaskammern jetzt fertig sind und im Betrieb gehen, geraten die Jungen mit in eine Menge von Häftlingen, die zusammengetrieben werden, sich alle in einem Raum ausziehen müssen, und dann nackt in die Dusche gehen - die Jungen unter ihnen. Sie frösteln, sie halten sich fest bei der Hand, das letzte was sie sehen sind Soldatenköpfe mit Gasmasken oben in geöffneten Luken. Die werfen eine graue Substanz in den Raum, dann wird die Leinwand schwarz.Als letztes sind die verzweifelten Eltern zu sehen, die zu spät kommen, um ihren Sohn aus der Vernichtung zu retten. Diese Verweigerung eines glücklichen Endes gibt dem Film eine erschreckende Wucht, er erschüttert bis in unsere Tiefe. Ja, tatsächlich sind viele, sehr viele Menschen in solchen Gaskammern so umgebracht worden - und viele waren Kinder.

Kann uns das etwas über den Geist mitteilen?
Leicht wird das sicher nicht.

Musik

Der Ungeist des 20. Jahrhunderts

6 Millionen Menschen wurden in unserer Zeit in unserem Land von Menschen unseres Volkes umgebracht, um sie zu vernichten. Das verlangte eine funktionierende Tötungstechnik, gute Organisation (noch erschwert durch die angestrebte Geheimhaltung), leistungsfähige Logistik und engagiertes Personal - und das alles war vorhanden, trotz der zunehmenden Belastung und der Zerstörungen durch den Krieg.

Das Funktionieren dieser Tötungsmaschinerie verlangte Intelligenz, Zuverlässigkeit, Fleiß und Treue (so wie auch der Einsatz im Krieg). Dies alles blieb erhalten bis in die Katastrophe des Kriegsendes. Verständlich wird das nur, wenn man die Begeisterung des Anfangs im Blick behält. Ein gut maskierter Ungeist hatte Massen erfasst, hatte Erfolg, Größe, Sieg und Heil verheißen - und dann Opfer dafür verlangt, und es ist erstaunlich, wie lange der Glaube erhalten blieb. Begeisterung, Geist (besser Un-Geist), Verheißung, Opfer, Glaube - nicht zufällig ergeben sich religiöse Begriffe bei der Beschreibung. „Unsere Ehre heißt Treue“, dieser Glaubenssatz hat wohl viele Regungen des Gewissens und der Vernunft verdrängt.

Pfingsten erwartet man wohl Rede vom Heiligen Geist, und wir sind dem Ungeist begegnet.
Nur selten wird der Heilige Geist sich so massiv offenbaren wie dieser Geist, der Massen in Deutschland ergriffen und verführt hatte, verführt zu unvorstellbaren Verbrechen.

Das ist 70 Jahre her - doch in der Zeit danach erreichten uns die Nachrichten aus Russland unter Stalin, aus China unter Mao, aus Kambodscha unter Pol Pot und aus Afrika, Nachrichten die zeigen: dieser unheimlich böse Geist ist noch in der Welt und hat Macht - er liegt auch bei uns auf der Lauer.
Und immer wieder gelingt sein Trick: er zeigt uns Andere, die schuldig sind an unserem Unglück, an unseren Schwierigkeiten, an unserer Unterlegenheit. „Weltjudentum“, „Kapitalisten“, „bürgerliche Kräfte“, Hutu und Tutsi oder andere Stämme, Moslems oder Christen - und kaum etwas vereint so, wie ein gemeinsamer Feind.

Wir in Nürnberg können der Mächtigkeit dieses Geistes immer noch begegnen. Er hatte seinen Tempel auf dem Zeppelinfeld, feierte Heilige Feste im Luitpold-Hain und wollte sich verewigen in der Kongresshalle und im deutschen Stadion, dessen Grundstein Hitler gelegt hatte und dessen Steine KZ-Häftlinge aus Flossenbürg und Mauthausen brechen mussten. Viele haben die Qualen nicht überlebt. Im Dokumentationszentrum, aber auch in Filmen bei YouTube, wird vieles davon sichtbar.

Nürnberg, September 1936: Reichsparteitag der NSDAP im , "Reichsparteitag der Ehre", "Lichtdom" mit Flak-Scheinwerfern über Zeppelinfeld und Zeppelinhaupttribüne Foto: Bundesarchiv Bild 183-1982-1130-502

Wer die Religiosität nacherleben will, der sollte sich Bilder vom Lichtdom über dem Zeppelinfeld ansehen oder den Filmausschnitt vom Abschluss der Olympiade 1936 in Berlin von Leni Riefenstahl.
Goebels hatte in seinem Tagebuch zum Reichsparteitag 1933 geschrieben: „Ein großer Tag. Ein Hochamt unserer Partei.“
Dieser Parteitag stand unter dem Motto „Sieg des Glaubens“.
Viel wäre zu dem Ungeist des 20. Jahrhunderts (und vieler anderer Jahrhunderte) zu sagen - welche Macht ein solcher Geist bekommen kann, das ist wohl sichtbar geworden.
Es wird nicht leicht sein, von hier aus zu unserem Thema: „Heiliger Geist“ zu kommen.

Musik

Heute ist das Nürnberger Zeppelinfeld wieder voll begeisterter Menschen

Der Ungeist, der auf dem Zeppelinfeld sein „Hochamt“ feierte, der ist verschwunden. Heute, wenn um 12:00 Uhr unsere Sendung zu Ende geht, beginnt dort die letzte Runde von“ Rock im Park“.

Wieder ist der Platz voller begeisterter Menschen - die 70.000 Karten sind schon seit einem Vierteljahr ausverkauft - und alle sind freiwillig gekommen, keiner steht stramm oder marschiert im Gleichschritt. Trotz der absoluten Unterschiede bleibt eine Gemeinsamkeit: damals und heute bringt ein Einzelner auf der Tribüne (oder auf der Bühne) die Vielen in Begeisterung - so dass aus vielen Einzelnen eine Masse wird. Der Zustrom zu solchen Events zeigt: Es muss ein großes Bedürfnis danach in uns vorhanden sein - das Rockfestival am Nürburgring geht auch heute zu Ende, es war ebenfalls seit langem ausverkauft; das Song-Contest-Finale in Baku hatte bestimmt viele Millionen Zuschauer; die EM in Kiew wird hoffentlich auch begeisterte Massen erleben. Seit Urzeiten gibt es solche begeisterten Massenereignisse – wie die dionysischen Feste bei den alten Griechen und die Saturnalien in Rom.

Der Heilige Geist ist von anderer Art

Der Heilige Geist ist von anderer Art. Er spricht jeden an als den Einen. So konnten damals Einzelne der Faszination und der Verführung durch den Ungeist der Nazizeit widerstehen - selbst unter Gefahr, unter Folter und bis in den Tod. Einige bekannte Namen sind darunter, wie Bonhoeffer und Graf Moltke, und noch viel mehr Namenlose.

So ein heroischer Widerstand wird uns nicht abverlangt - Gott sei Dank - und wir können uns ohne Bedenken der Begeisterung in der Menge hingeben (wenn wir denn Karten für Rock im Park rechtzeitig besorgt haben). Wenn allerdings in drei Stunden dort „Lamb of God“ das „Lamm Gottes“ auftritt, eine Gruppe, auf deren Homepage der Titel „Spaziere mit mir in der Hölle“ zu hören ist, dann ist die Grenzzone zum Ungeist erreicht.

Doch die ungelösten Fragen, mit denen wir dorthin gingen, die bleiben ungelöst. Die betäubte Angst und die verdrängten quälenden Zweifel, die warten auf uns. Gerade dort, wo wir mit ihnen allein sind, da will der Heilige Geist uns begegnen, jedem Einzelnen persönlich. So fing es damals vor 1980 Jahren an in Jerusalem. Eine Hoffnung und eine Erwartung auf Befreiung vom Joch der römischen Besatzung hatte sich festgesetzt und ausgebreitet - die Propheten hatten es ja verheißen, dass einer kommen soll, der auf Davids Thron sitzt und herrscht, nicht nur über Jerusalem sondern über die Welt, als Messias, als „Gesalbter Gottes“. Als Jesus am Palmsonntag auf dem Esel in Jerusalem einritt, entsprechend dem Prophetenwort: „Siehe dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel“, da hatten sie „Heil“ geschrien „Gelobt sei der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel“. Doch die Hoffnung und die Begeisterung waren gestorben am Kreuz, auch die der Jünger. So wie 1945 die Hoffnung und die Begeisterung für Hitler tot war.

Doch Jesus hatte nicht einen ungeheuerlichen Berg von Schuld aufgetürmt, das Volk (und die Welt) ins Unheil gestürzt und sich der Verantwortung im Selbstmord entzogen, - ER sich ließ sich töten, völlig unschuldig. Er hat die Schuld der Welt auf sich genommen und Heil gebracht. Du kannst das nicht verstehen?

40 Tage lang, bis zur Himmelfahrt, hat Jesus nach Ostern es den Jüngern erklären müssen, ehe die es verstanden. Doch zu Pfingsten, da waren sie so begeistert, dass die Leute meinten: „Die sind besoffen“ (einzelne Filmausschnitte vom „Rock im Park“ würden ohne Musik durchaus auch so aussehen). Als Petrus dann erklärt - den Pilgern, die da zusammen waren zum Fest der Gesetzgebung und des Bundesschlusses Gottes mit seinem Volk - dass diese flammende Begeisterung von Gott kommt, vom Heiligen Geist, den die Propheten verheißen hatten und der sie jetzt ergriffen hat, da sind die Zuhörer innerlich getroffen.

So wisse nun das ganze Haus Israel gewiss, dass Gott diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zum Herrn und Christus gemacht hat. schließt er seine Rede.
Als sie aber das hörten, ging's ihnen durchs Herz und sie sprachen zu Petrus und den andern Aposteln: Ihr Männer, liebe Brüder, was sollen wir tun? geht der Bericht weiter.
Petrus antwortet: Tut Buße und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des Heiligen Geistes. Denn euch und euren Kindern gilt diese Verheißung und allen, die fern sind, so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird.
3000 ließen sich damals taufen, seitdem viele Milliarden - und auch heute gilt diese Verheißung allen, „die der Herr unser Gott dazu ruft“.
Doch das geschieht nicht in einem Massenrausch oder einem Massentaumel - jeder Einzelne muss sich selbst finden, damit er umkehren kann von seinen Irrwegen (das meint „Buße tun“), sich dem zuwenden, der voller Liebe auf ihn wartet.

Und er kann gewiss sein, dass nichts ihn hindert, in die geöffneten Arme zu kommen (wie der verlorene Sohn beim Vater) - denn alles, was dagegen spricht oder dazwischen steht, das hat Jesus erledigt dort am Kreuz.
Einen anderen Weg, den Heiligen Geist kennen zu lernen, seine Begeisterung zu erfahren, gibt es nicht - er wäre wohl auch zu billig.
Doch, es lohnt sich, denn dieser Geist berauscht und betäubt uns nicht, er macht uns wach und wird zur Kraft aus uns. Er stiftet Gemeinschaft - im Lied, im Gespräch, in der Kunst, in vielen gemeinsamen Werken - und die Zeichen seines Wirkens in der abendländischen Kultur durch zwei Jahrtausende überstrahlen alle Zeugnisse des Ungeistes bei Weitem.
Auch die Kirche braucht und kennt Massenbegeisterung - da wo sie echt ist kommt sie aus der Beziehung zu Jesus Christus, dem Gekreuzigten, den Petrus damals am Anfang bezeugt hat, auf dessen Namen jeder Einzelne getauft ist und mit dem er im Abendmahl immer wieder in Gemeinschaft kommt.

Bei den großen Papstmessen auf dem Petersplatz oder im Stadion wird das deutlich sichtbar - bei den Megagottesdiensten in Amerika oder anderswo, mit der Musik von Bands, die auch bei Rock im Park auftreten könnten (und wie sie bei AREF zu hören sind), da hoffe ich, dass der Heilige Geist seine Kraft entfaltet.