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Jahreslosung 2013

gesendet am 13. Januar 2013 von Dr. Hans Frisch
 

Seit 1998 habe ich siebenmal über die jeweilige Jahreslosung gesprochen – in diesem Jahr gehe ich nur zögernd daran:

„Wir haben hier keine bleibende Stadt,
sondern die zukünftige suchen wir.“

Hebräer 13, 14

ist der Text. Er stammt aus dem Hebräerbrief, ganz am Ende.

Gerade in dem Moment wo ich anfangen will kommt ein Anruf von einem Kollegen, mit dem ich zusammen im Klinikum gearbeitet habe: es geht um die Adressen der Kollegen und Kolleginnen und Mitarbeiter – „man könnte sich ja wieder einmal treffen“. Die Liste ist noch auf der Festplatte, es sind 60 Adressen – doch von einer ganzen Reihe weiß ich, dass sie gestorben sind, bei einigen vermute ich es und bei anderen dürfte der Zustand so sein, dass sie nicht zu einem Treffen kommen könnten.

Nein, wir haben hier keine bleibende Stadt! Diese Erkenntnis drängt sich geradezu auf, wenn man dem Vers begegnet – alle sehen es ein (müssen es einsehen!). Beim zweiten Teil: „sondern die zukünftige suchen wir“, gehen die Meinungen wahrscheinlich auseinander. Wer wird beim Tod noch von Zukunft reden?

Obwohl – die Vorstellung einer Zukunft über den Tod hinaus gehört wohl zu den ältesten Überzeugungen der Menschen – Grabbeigaben, von ganz klein bis ganz gewaltig, zeugen davon. „Damit hat der Mensch versucht, die Hoffnung auf ein Weiterleben nach dem Tod am Leben zu halten“ – so argumentieren wir heute, und meinen, wir haben das nicht mehr nötig.
Damit dürfte der zweite Teil, der von der „zukünftigen Stadt“, auch abgehakt sein.

Doch so einfach macht es uns der Schreiber des Hebräerbriefes nicht, dafür sorgt ein kleines Wort: „Denn“. Es ist bei der Jahreslosung einfach abgeschnitten.
„Denn wir haben hier keine bleibende Stadt!“
Dieses „denn“ verbindet unseren Text mit dem, was davor steht – und das hat es in sich.
So lasst uns nun zu ihm hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen. -
denn wir haben hier keine bleibende Stadt.

Aus welchem Lager hinaus? Zu wem? Und welche Schmach?
Der Brief ist an die Hebräer geschrieben – also an Juden, und offensichtlich von einem Juden, denn er kennt sich aus.
„Juden“ meint hier jüdische Christen (sonst könnte der Schreiber nicht sagen „wir“).
Und der Abschnitt beginnt einige Verse vorher:“ Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.“
Also: Wir (wenn wir uns denn zu den Christen zählen und den Brief auf uns beziehen) sollen „aus dem Lager“ hinausgehen zu Jesus und dessen Schmach auf uns nehmen, weil wir hier, wo wir sind, keine endgültige Heimat haben sondern auf dem Weg sind.

Nach der Musik wird es noch schwieriger.

* * * Musik * * *

„Wir haben hier keine bleibende Stadt“ – da wird, da muss wohl jeder zustimmen, auch wenn er (oder sie) meint: „Ich habe unvergänglichen Ruhm errungen.“
Doch dass wir deshalb hinausgehen „aus dem Lager“ und „seine Schmach“ tragen, das ist schwer zu verstehen - selbst wenn wir die Erklärung im Hebräerbrief lesen – denn es ist eine jüdische Erklärung.

Modell der Stiftshütte in Israel im Timna Park - Originalgetreu nachgebaut und begehbar.
Modell der Stiftshütte in Israel im Timna Park - Originalgetreu nachgebaut und begehbar. Quelle: wikipedia.de unter GNU-Lizenz von Ruk7

Wir haben einen Altar, von dem zu essen kein Recht haben, die der Stiftshütte dienen. Denn die Leiber der Tiere, deren Blut durch den Hohenpriester als Sündopfer in das Heilige getragen wird, werden außerhalb des Lagers verbrannt. Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. So lasst uns nun zu ihm hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen. Altar, Stiftshütte, Opfertiere (verbrannt außerhalb des Lagers), Blut, das ins Heilige getragen wird für die Sünde - das muss wohl für manchen erklärt werden. Die Hebräer haben es verstanden!

40 Jahre zog das Volk Israel durch die Wüste, als Nomaden, Ihr Heiligtum war ein Zelt - die Stiftshütte. Immer wenn sie lagerten wurde ein Bereich umgrenzt von einem Zaun als heilig. Drinnen stand ein Altar und ein Zelt mit der Bundeslade, dem heiligsten Mittelpunkt des Volkes.
Das ganze Volk war umgeben vom Gesetz, wie von einem Zaun. Wer das heilige Gesetz übertrat, der war draußen, er gehörte nicht mehr zum heiligen Volk Gottes. Wenn er das erkannte und das Gesetz, das Volk, die Stiftshütte als heilig anerkannte, dann konnte er umkehren („Buße tun“ nennen wir es), und konnte mit einem Opfertier an den Zaun des Heiligtums kommen. Dort schlachtete er das Tier - draußen!
Der Priester fing das Blut in einer Schale auf, brachte es zum Altar und strich etwas von dem Blut an die Hörner des Altars – vier hornartige Vorsprünge an den Ecken. „Und ihm wird vergeben!“ So steht es in der Thora, dem jüdischen Gesetz - er gehört wieder zu dem Volk Gottes.

Viele Opfer wurden auf dem Altar verbrannt - das Tier des Sündopfers aber draußen vor dem Lager – denn es war mit der Schuld des Sünders beladen und durfte nicht ins Heiligtum.

Zu Jesu Zeit geschah das alles im Tempel, doch das Prinzip war das gleiche wie bei der Stiftshütte.

Jerusalem Modell, herodianischer Tempel. Das Modell befindet sich im Israel Museum beim Schrein des Buches.
Jerusalem Modell, herodianischer Tempel. Das Modell befindet sich im Israel Museum beim Schrein des Buches. Quelle: wikipedia.de, gemeinfrei

Das große Thema des ganzen Hebräerbriefes ist Jesus Christus, der - völlig ohne Sünde - sich selbst geopfert hat für alle Sünder. Er wurde getötet durch die Heiden, die Römer, draußen vor dem Tor auf dem Hinrichtungshügel Golgatha.

Für jeden, der dieses Opfer für sich gelten lässt, ist Jesus zugleich der Hohepriester, der ihm zuspricht: „Dir ist vergeben.“ Sein Opferblut ist „gestrichen“ an die vier Arme des Kreuzes, und das ist dadurch der Altar.
Für die jüdischen Leser des Hebräerbriefes war das sicher einleuchtend – vor allem wenn sie den ganzen Brief gelesen hatten. Ob es auch uns gilt, das bleibt zu klären.

* * * Musik * * *

Wer die Arbeit auf sich nimmt und den ganzen Hebräerbrief liest, dem dürfte das letzte Kapitel vorkommen wie das Finale einer langen Symphonie. Thema und Gegenthema werden durchmusiziert in mehreren Sätzen - und schließlich kommt alles zusammen in Klarheit und Kraft beim Finale.
Wer die Geschichte des jüdischen Volkes betrachtet, mit Aufbruch und Ankunft, mit Abfall und Rückkehr, mit Schuld und Vergebung, der kann die Geschichte, das Schicksal, die Sendung von Jesus sehen wie ein Finale, in dem der Alte Bund ans Ziel kommt.

Der Tempel wurde zerstört, 40 Jahre nach Jesu Tod. Doch das Volk Gottes lebt weiter (trotz aller Verfolgung und Katastrophen) - und es wartet auf Gottes Finale, auf die Ankunft des Messias, denn in Jesus können sie ihn nicht erkennen. An die Stelle der Opfer sind die Gebete getreten.

Als Jesus rief am Kreuz: „es ist vollbracht!“, da zerriss der Vorhang im Tempel, der das Allerheiligste abgrenzt von allen. Außer dem Hohen Priester einmal im Jahr beim Jom Kippur, dem „großen Versöhnungstag“, durfte niemand hinter diesen Vorhang.
Dieser Vorhang zerriss, „von oben an bis unten aus“. Der Zugang zum heiligen Gott Israels wurde frei für alle, die das Opfer Jesu am Kreuz annehmen.
Juden, die das taten, mussten das Lager, das umgrenzt wird von dem Gesetz der Thora, verlassen (sie wurden und werden aus der Synagoge ausgeschlossen) – doch sie wussten (und wissen) sich auf dem Weg zur bleibenden Stadt die kommt. Und wir, die niemals drinnen waren im Lager des jüdischen Gesetzes, die nichts zu tun hatten mit der Stiftshütte und dem Tempel?
Wir brauchen erst mal eine Pause um etwas Abstand zu gewinnen.

* * * Musik * * *

„Lasst uns zu ihm hinausgehen aus dem Lager – seine Schmach tragend“ (so ist die wörtliche Übersetzung) – „denn wir haben hier keine bleibende Stadt“ – griechisch „polis“.
Selbstverständlich leben wir in einer Stadt und sind eingebunden in eine Polis mit ihrer politischen, gesellschaftlichen, kulturellen Struktur (selbst die Dörfer gehören dazu) – und unser Nürnberg hat schon eine Geschichte von fast 1000 Jahren.

Kaiser, Patrizier, Architekten, Künstler, Handwerker haben viel Bleibendes und Bedeutendes hinterlassen. Politiker haben auch manche Zerstörung angerichtet, deren Spuren bleiben. Wir haben unseren Platz gefunden, erarbeitet, aufgebaut und arbeiten weiter daran - mancher sehr erfolgreich. Der 1. FCN war sogar schon Deutscher Meister!

Doch gerade bei denen, die ganz nach oben gekommen sind, können wir oft sehen, wie vergänglich ihr Glanz, ihr Ruhm, ihr Glück ist - und sie hatten so viel investiert: Kraft, Lebenszeit, auch Freiheit - oft wurde selbst die Liebe geopfert.

Mehr oder weniger sind wir alle in diesem Spiel des Lebens gefangen, wir suchen Anerkennung (am liebsten Bewunderung), Erfolg, auch Macht - unser Heil werden wir darinnen nicht finden.

Lasst uns hinausgehen aus diesem Gefängnis, zu ihm, auch wenn es uns Anerkennung kostet oder den Erfolg mindert und unsere Macht verringert. Er hat die Schmach, eigentlich unsere Schmach, getragen und sich ganz geopfert - nicht, damit wir es nachmachen, aber damit wir frei werden von vergänglichen Zwängen und Verführungen, frei von Versagensängsten und Lebensgier, frei für den Weg in eine bleibende Zukunft - denn die „zukünftige Stadt“ ist die, welche auf uns zukommt und uns aufnehmen will.

Wir sollten versuchen, sie im Blick zu behalten, trotz aller Angebote, Verführungen, Täuschungen an unserem Weg. Nicht, weil wir das Scheitern der Siegreichen als Mahnung sehen, sondern weil der Sieg des am Kreuz gescheiterten uns bleibende Zukunft gibt.

Vielleicht lässt sich dafür noch ein moderneres Bild finden als Altar und Stiftshütte. Wenn du nach China willst und dich auf dem Weg machst - dann ist hoffentlich der Visumstempel in deinem Pass. Vielleicht bist du so berühmt, dass dich auch dort alle kennen – wie Michael Jackson es war - doch auch er musste zum Konsulat und um ein Visum bitten.

In die Stadt am Ziel unserer Reise wird keiner kommen wegen seines Ruhmes, wegen seiner guten Taten, oder Verdienste – jeder braucht das Siegel des Botschafters von dort, der es mit seinem eigenen Blut einträgt auf der Urkunde, auf der steht: „Ich nehme die gnadenvolle Einladung dankbar an.“

Du kannst dich ohne dieses Siegel auf den Weg machen, vielleicht in der Hoffnung, es noch dicht vor der Grenze zu bekommen. Du kannst auch das Siegel einst bekommen haben, bist aber in die falsche Richtung gefahren - in der Zuversicht, ich kann immer noch umkehren.

Mir wäre das zu riskant. – Ich würde sagen: „Komm zu Jesus und bleib auf dem Weg.“
Wenn Du meinst: „Das alles ist Unsinn“ – dann kannst Du es vergessen!

Dr. Hans Frisch

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