„Am grünen Holz“

„Am grünen Holz“, was soll denn das sein? Also los und das elektronische Bürgerlexikon aufgeschlagen, da gibt es den grünen Holztrieb, im Spanischen „verdugo“, und daraus ist der Verdugado entstanden, ein Reifrockgestell aus Schilf, fünfzehntes Jahrhundert, - das ist es wohl eher nicht.

Nächster Eintrag: Gewitterhexen die man durch Verbrennen von grünem Holz während eines Gewitters vertreiben können soll. Auch komisch. - Hier: „Dürr Holz wärmt besser als grünes.“ - Da sind wir schon nah dran. Luther hat im Lukasevangelium übersetzt:

„Denn so man das tut am grünen Holz,
was will am dürren werden?“
Lukas 23, 31

Jesus soll das gesagt haben bei seiner Abführung zur Hinrichtung. Erklärt hat er das nicht, aber es deutet wohl auf ihn selbst hin. Gerade mal Anfang 30 und voller frischer Ideen und revolutionärer Auslegungen. Das Volk war begeistert von ihm, dem grünen Holz, das so ganz anders war als das dürre, also die verstaubten Lehren der alten Pharisäer mit ihren Gesetzen, die sie über jedes Leben und über jede Liebe stellten. Vielleicht spricht er im Vorbeigehen gerade sie an: Wenn ihr mich jetzt umbringt, was meint ihr, was erst mit euch geschehen wird?

Bis zum Palmsonntag sind es noch zwei Wochen. Damals haben die Menschen begeistert grüne Palmzweige auf dem Boden als Teppich ausgebreitet. Doch genauso schnell, wie die Zweige verdorrt waren, wich auch ihre Begeisterung, angestachelt vom „dürren Holz“. - Ich wünsche mir, dass ich immer merken kann, wenn mich „dürres Holz“ stur machen möchte.

Heiko Müller