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Wo sind die Grenzen der "Meinungsfreiheit"?

Deutsche Gerichte tun sich schwer mit der Verfolgung von islamistischen Flüchen und indirekten Mordaufrufen im Internet

16.08.: Verfassungsschützer stufen einen Fluch in einem Internet-Portal für Moslems als eine Lizenz zum Töten ein. Deutsche Richter wollen ihn nicht einmal als Beleidigung ahnden.

Fluch im Internet gegen Islamkritiker ist nicht einmal eine Beleidigung

Wie subtil muss ein mutmaßlicher Aufruf zum Mord an einem Islam-Kritiker formuliert sein, damit deutsche Richter in ihm nicht einmal mehr eine Beleidigung des Betroffenen erkennen können? Der Streit, über den das Oberlandesgericht Oldenburg in den nächsten Wochen entscheiden soll, verspricht ein Lehrstück über Grenzen der Meinungsfreiheit zu werden.

Yavuz Özoguz aus Delmenhorst betreibt eines der meistfrequentierten Internet-Portale für Moslems in Deutschland. 50.000 bis 70.000 Gäste besuchen seinen Angaben zufolge pro Woche den „Muslim-Markt“. 2005 hatte er in einem seiner Internet-Foren ein Gebet formuliert, in dem er den Buchautor und Islamkritiker Hans-Peter Raddatz verwünschte. Die umstrittenen Zeilen lauten: „Und wenn Herr Raddatz ein Hassprediger und Lügner ist, dann möge der allmächtige Schöpfer ihn für seine Verbrechen bestrafen ...“

Raddatz verstand den als Gebetsformel deklarierten Satz als Mordaufruf und zeigte Özoguz an. Das Landgericht Oldenburg lehnte es jetzt ab, das Hauptverfahren gegen Özoguz zu eröffnen. Eine Aufforderung, Hans-Peter Raddatz zu töten, gebe das „Gebet“ nicht her. Zwar sei von „bestrafen“ die Rede, doch dies solle Gott im Jenseits übernehmen. Immerhin führen die Richter dafür eine kurze Stellungnahme aus dem Bundeskriminalamt an. Einen Appell an andere Internetsurfer, Straftaten zu begehen, sahen die Richter nicht.

Staatsanwalt legt Beschwerde ein

Wären die Adressaten nur westeuropäisch geprägte Menschen, dann sei dieser Internet-Fluch kein Problem, glaubt dagegen der Oldenburger Staatsanwalt Rainer du Mesnil de Rochemont. „Aktive Islamisten aber verstehen das als Aufruf“. Er hat sofortige Beschwerde gegen den Beschluss beim Oberlandesgericht erhoben.

Ähnlich argumentierte einer der profiliertesten Islamismus-Experten in Deutschland, Herbert Landolin Müller vom baden-württembergischem Landesamt für Verfassungsschutz. Für einen Mordaufruf genüge eine intensive Mahnung an das Gewissen und das Pflichtbewusstsein von Moslems.

Verfassungsschützer: „Verantwortungslos und gefährlich“

Der Karikaturenstreit lässt grüßen. Gerade in einer Zeit, in der diverse Formen schriftstellerischer und künstlerischer Freiheit in Europa durch Moslems als Blasphemie und Kulturkampf wahrgenommen würden, „sind solche Verbalattacken ad personam verantwortungslos und gefährlich,“ warnt der Verfassungsschützer in einem 19-seitigen Gutachten, das auch den Oldenburger Richtern vorlag. Der Portal-Betreiber nehme in Kauf, dass der Islam-Kritiker „nicht nur eingeschüchtert wird, sondern als personifizierter Feind zum Objekt von ‚Bestrafungsaktionen’ werden könnte, deren Folgen nicht abzusehen sind“.

Erinnerung an ein historisches Muster reicht, um das Täterpotential zu inspirieren

Die Sprache verrate Özoguz, meint Müller, der Leiter der Kompetenzgruppe Islamismus der Stuttgarter Verfassungschützer ist. Für den deutschen Autoren gebrauche er ähnliches Vokabular („Lügner“, „Verbrecher“), wie für den von einer Todes-Fatwa bedrohten Schriftsteller Salman Rushdie oder den von einem Islamisten ermordeten niederländischen Regisseur Theo van Gogh. Auch der „Kalif von Köln“ habe nicht ausdrücklich zur Tötung seines Kontrahenten Dr. Sofu aufrufen müssen. Offenbar reiche die Erinnerung an ein historisches Muster aus, „um ein Täterpotential zu inspirieren“.

Islam-Kritiker Raddatz steht unter Personenschutz

Raddatz steht seit der Internet-Drohung unter Personenschutz und muss der Polizei Reisen melden. Kurioserweise berichtet er, es gebe seitdem keine weiteren Drohungen mehr, anders als noch vor dieser Auseinandersetzung. Der studierte Orientalist und langjährige Vertreter der Deutschen Bank im Nahen Osten lässt sich aber nicht beindrucken. In seinem jüngsten Buch „Iran. Persische Hochkultur und irrationale Macht“ spricht er davon, dass der Koran „eine Praxisanleitung für den Massenmord“ enthalte.

http://focus.msn.de/politik/deutschland/justiz_nid_33739.html

| 16.08.06, 12:12 |

Autor: Uwe Schütz