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Calling All Nations

Alle Nationen waren gerufen und ca. 20.000 Leute kamen ins Berliner Olympia-Stadion

15. Juli 2006: Calling All Nations im Berliner Olympia-Station (ohne Fußball-WM-Rasen) Foto: Steph Leisten Quelle: callingallnations.com

21.07.: Ein bisschen erinnerte es das Event "Calling All Nations" im Berliner Olympiastadium am Samstag, 15. Juli 2006 an die Fußball-WM, nur der Rasen fehlte: Viele begeisterte Leute, darunter sehr viele Jungendliche. Es wurde geklatscht, gesungen, gefeiert, getanzt. Aber es wurde auch vor allem gebetet. Um die 20.000 Menschen kamen ins Berliner Olympia-Station, die anderen waren bei der Love-Parade.

Die Veranstalter von "Calling All Nations" hatten 70 Jahre nach den Olympischen Spielen im Jahr 1936 eingeladen, "um an diesem historischen Ort den einen wahren König Jesus Christus mit Musik, Gebet und neuer Hingabe zu ehren und dazu aufzufordern, "das christliche Zeugnis und das Evangelium in unserer Welt zu leben und es in alle Nationen der Welt zu tragen."

Leitungskreis zieht positive Bilanz

In einem ersten Fazit des Leitungskreises von "Calling All Nations" heißt es, die Atmosphäre sei „sehr entspannt und fröhlich“ gewesen. Trotzdem sei unter den Teilnehmern sei eine „große Ernsthaftigkeit und Konzentration zu spüren gewesen“. Die drei Kurzpredigten hätten zu einem „glaubwürdigen Leben als Christ in der Gesellschaft, zu neuer Hingabe und zur Verfügbarkeit als Boten des Evangeliums“ aufgerufen. 70 Prozent der Besucher seien unter 30 Jahre alt gewesen.

„Sehr positive Reaktionen“ habe auch der multi-nationale Charakter des Programms und die Begleitung der Musik durch Tänzer und Fahnenträger hervorgerufen. Der Leitungskreis äußerte die Hoffnung, dass von diesem „Tag der Anbetung und der Motivation zu Gebet und Mission anhaltende Wirkungen im Leben der vorwiegend jungen Christen“ ausgehen.

Panorama auf ARD machte daraus : "Kampf den Dämonen – Radikale Christen in Deutschland"

Die Panorama-Redaktion des NDR machte über "Calling all nations" den Beitrag "Kampf den Dämonen – Radikale Christen in Deutschland" und strahlte ihn am Donnerstag, 20. Juli 2006, in der ARD aus. Von Anbetung sah und hörte man in dem Beitrag nichts. Bereits in der Anmoderation wurde deutlich, worauf der Beitrag abzielte :

"25.000 Menschen schrieen sich den Teufel aus dem Leib. Bei vielen ist das wörtlich zu nehmen. Denn die meisten sind Anhänger der sogenannten Charismatischen Glaubensbewegung, die alles Böse auf die Anwesenheit von Dämonen zurückführt, von denen es sich zu befreien gilt".

15. Juli 2006: Worship ("Lobpreis") bei "Calling All Nations" im Berliner Olympia-Station Foto: Steph Leisten Quelle: callingallnations.com

Da bleibt einem erst einmal die Luft weg. Von der eigentlichen Veranstaltung sieht man in dem Panorama-Beitrag fast nichts. Statt dessen berichten Tamara Anthony, Christian Baars, Oda Lambrecht und Tina Roth sehr ausführlich von anderen sogenannten "charismatischen" Veranstaltungen mit Krankenheilung und Befreiungsdienst: "Sie nennen es Befreiungsdienst, ein verharmlosendes Wort für Exorzismus", heißt es in dem Beitrag. Eine "Aussteigerin" erzählt ihre Erfahrungen in einer solchen Gemeinde.

"Aussteigerin"

"Eine Frau, die früher einer charismatischen Gemeinde angehörte, berichtet von ihren Erfahrungen":

"Einer hat richtig gebetet und den Dämon beschworen, er soll ausfahren. Und die anderen haben in Zungen geredet, also unverständliches Zeug. Das ist wie Babysprache und so lange, bis irgendeine Reaktion kam", erzählt die Frau. Später berichtet sie von "psychischem Druck" durch "Kontrollanrufe und Vorschriften", dem sie in ihrer ehemaligen Gemeinde ausgesetzt gewesen sei – und der sie zum Austritt bewogen habe.

"Heilung allein durch Glaube"

"Die Prediger versprechen Heilung von jeder Krankheit", heißt es in dem Bericht weiter. Auf einem der Mitschnitte eines Heilungsgottesdienstes sprechen die Teilnehmer ein gemeinsames Gebet: "...und dass ich einfach zu den Ärzten gegangenen bin, ohne dass ich Jesus jemals eine wahre Chance gegeben habe... Es tut mir Leid, dass ich immer nur Medizin genommen habe." Der Kommentar der Reporterin: "Heilung durch Glaube, wer nicht geheilt wird, ist selbst schuld."

"dämonisch"

Einer der Referenten von Calling All Nations wird in dem Panorama-Beitrag etwas genauer vorgestellt. Die "Panorama"-Reporter zeigen Wolfhard Margies bei seinem Auftritt im Berliner Olympiastation. Zu den Bildern werden Zitate aus seinem Buch eingeblendet, in dem er "Lust, Faulheit, intellektuelle Strebsamkeit, Depressionen, Selbstmordgedanken, Asthma, Krebs, Homosexualität" als "dämonisch" bezeichnet.

Geld ist keine Sünde

"Geld ist keine Sünde. Bei der Kollekte sind auch Einzugsermächtigungen willkommen, die Vordrucke dazu gibt’s im Programmheft." heißt es in dem Bericht zum Thema Geld. „Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“ Und einen großzügigen Geber hat Gott besonders lieb. Diese Erfahrung hat auch sie gemacht. Ständig sei es ums Geld gegangen":

O-Ton einer Aussteigerin:

„Nachher hat es halt immer geheißen, wenn du viel sähst, dann erntest du auch. Und ich hab immer ein bisschen mehr gegeben, ein bisschen mehr…“

O-Ton von Sektenbeauftragter ev. Kirche Ingolf Christiansen:

„Gefährlich wird’s dann, wenn die Geldgaben mit dem Heil verbunden werden. Also man sagt ‚gib ordentlich’, dann wird das, was dir positiv in Zukunft wiederfahren wird umso größer sein.“

"Totenauferweckungen in Afrika"

Calling-all-nations-Teilnehmer berichten vor laufender Kamera von ihren Erlebnissen. "Wir haben zu mehreren gebetet, mit Handauflegung, und sie wurde geheilt an dem Abend", erzählt ein junger Mann. Ein anderer: "Ich war in Afrika, und wir haben für Leute gebetet. Da habe ich Totenauferweckungen und Dämonenaustreibungen alles live gesehen und deshalb weiß ich, dass Gott groß ist."

Zum Abschluss haut die "Panorama"-Reporterin zu Bildern aus dem Stadion nochmal richtig 'rauf :

"Voller Einsatz für Jesus. So feiern sie ihren Glauben, der auf Angst, Intoleranz und Einschüchterung beruht."

Kommentar

Früher hab ich mich über solche Berichte furchbar aufgeregt und hätte vielleicht sogar für ein Sendeverbot gekämpft. Heute finde ich es zunächst einmal positiv, dass sich ein ARD-Fernsehteam überhaupt mit einer christlichen Großveranstaltung wie "Calling All Nations" auseinandergesetzt und darüber berichtet hat. Schwach ist natürlich, dass man in dem Bericht überhaupt nichts von dem Tagesprogramm erfahren hat. Statt dessen serviert die ARD eine Generalabrechnung mit einer freien christlichen Bewegung.

Kaum Kritik in Insider-Kreisen

Solche kritischen Töne sind Insider nicht gewohnt. Wer motzt wird gemobbt oder fliegt. Entsprechend fallen die Reaktionen auf den Panorama-Beitrag aus. Innerhalb weniger Stunden kommen bei jesus.de 25 Kommentare zusammen, die kein gutes Haar an dem sehr kritischen ARD-Beitrag lassen.

Aber von dem ARD-Magazin war auch nichts anderes zu erwarten, oder ? Der Beitrag war gleich darauf angelegt, auf die christliche "Fundi"-Gefahr hinzuweisen. Trotzdem sollten wir, so meine ich, das Beste daraus machen und alles prüfen und schauen, was man aus dem "Verriss" der ARD noch verwerten kann.

Die Welt in Gute und Böse einteilen ?

Ich habe mir die Mühe gemacht, die 24 Kommentare durchzulesen, die bis gestern Abend zu dem Panorama-Beitrag bei jesus.de durchzulesen. In vielen Kommentaren finde ich genau das wieder, was in der Panorama-Sendung anprangert, nämlich die Welt in Gute und Böse einzuteilen. Leider ist kaum ein Schreiber dabei, der sich hinterfragen lässt.

Gut recherchiert

Auch wenn manches von den Teilnehmern gesagte in die Rubrik „Ungeschickter Umgang mit den Medien“ fällt, so bleibt vieles, was von den CAN-Teilnehmern gesagt wurde, doch sehr bedenklich.

Natürlich haben die ARD-Leute ordentlich „draufgehauen“, aber sie haben über so manchen „geistlichen Leiter“ auch gut recherchiert. Zitate aus Büchern von „Calling-all-Nations“-Referenten müssen doch erlaubt sein, oder ?

Hinterfragt, was in den einschlägigen Gemeinde „abgeht“

Ich war nicht in Berlin, aber ich kenne diese Bewegung, die sich „charismatisch“ nennt, nun auch schon ziemlich lange und habe bei gemeinsamen Einsätzen auch schon so manche gute Erfahrung gemacht. Aber hinterfragt doch bitte mal, was in den einschlägigen Gemeinden „abgeht“.

Geld

Mit dem Thema "Geld" haben die Panorama-TV-Journalisten ein sensibles Thema angesprochen. In "charismatischen" Kreisen geht es schnell um größere Summen, so auch bei "Calling All Nations". Die dort aufgetretenen Künstler verzichteten auf ihre Gage. Die Höhe der Eintrittspreise wurde auf den Betreiber des Olympiastadions geschoben. Der billigste Platz bei "Calling all Nations" kostete 45 €! Das ist also wesentlich teurer als ein Bundesliga-Spiel von Hertha-BSC, obwohl z.B. das Aufgebot an Sicherheitskräften dort wesentlich höher sein dürfte. Trotzdem heißt es zum Thema "Kostendeckung" unter www.callingallnations.com : "Der alleinige Verkauf der Tickets kann das Event nicht finanzieren. Unser Budget ist eine Mischkalkulation, in der eine Kostendeckung durch die Ticketverkäufe in Kombination mit Spenden von den Freunden von Calling All Nations erziehlt wird." Da kann man schon ins Grübeln kommen, oder?

Kritik kam zu dem Thema dann auch im Vorfeld von dem bekannten Evangelisten Theo Lehmann aus Chemnitz, der in seinem Newsletter dazu aufrief, die hohen Eintrittsgelder lieber in die Mission zu geben. Die könnten es dringend gebrauchen mehr

Geistlicher Missbrauch

Diese Bewegnung, durch die viele Menschen an Seele oder Leib geheilt wurden, hat nach meiner Einschätzung mindestens genau so viele Opfer. Die Zeit ist dank des World Wide Web vorbei, in der geistlicher Missbrauch eher ein Tabu-Thema war. Wer dafür noch kein Bewusstsein hat, dem empfehle ich, bei google.de "Geistlicher Missbrauch“ als Suchbegriff einzugeben.

Fester Glaube

Einen Satz in dem Panorama-Beitrag fand ich besonders bemerkenswert:

"Ihr fester Glaube: Sie befinden sich in einem ständigen Kampf gegen den Teufel und seine Dämonen."

Wo das stimmt, wird es schwierig, ein für Jesus brauchbares Werkzeug zu sein.

Wer nun bereit ist, sich hinterfragen zu lassen, der kann ja bei unter www.ndrtv.de/panorama/archiv/2006/0720/sektenchristen.html den Videobeitrag nochmal anschauen. Prüfet alles und das Gute behaltet.

Autor: Uwe Schütz, AREF, 21.07.2006

mehr bei uns :
EZW: Wie weit reicht die Koalition von Evangelikalen und Charismatikern ?
Calling All Nations - Vorbericht