Jeder Zweite in Deutschland
weiß nicht, was Pfingsten für ein
Fest ist ich wette, bei Fronleichnam sieht es nicht besser aus.
Nun brauchten alle evangelischen
und alle Freikirchler
und viele andere es nicht zu wissen, denn es ist ein rein katholisches
Fest. Ich gebe zu, ich wusste es auch nicht, bis vor zwölf Jahren
unser AREF-Team am Fronleichnam auf Sendung war vor drei Jahren
habe ich den Beitrag wiederholt, und weil sich seitdem nichts daran geändert
hat und selbst die, welche damals zugehört haben wohl das meiste
vergessen haben, erzähle ich noch einmal dasselbe.
Warum es nicht geht
1. AREF - das heißt "Arbeitsgemeinschaft
Rundfunk Evangelischer Freikirchen" - also bestimmt kein katholisches
Team - und Fronleichnam ist ein katholischer Feiertag. Was sollen wir
dazu sagen?
2. Nirgends in der Bibel ist
ein Ereignis oder ein Ansatz für dieses Fest zu finden.
3. Zur Zeit der Gegenreformation
wurde der Fronleichnamstag als "Triumph der Wahrheit über die Häresie"
gefeiert, zu deutsch: Als Sieg der katholischen Kirche über die Reformation.
Damit wäre mein Beitrag
schon zu Ende - wenn es nicht doch ein recht interessantes Fest wäre.
Wie es begann
Es begann im Jahr 1193, da
wurde eine Juliane geboren, nahe bei Lüttich in Belgien. Als sie
fünf Jahre alt war, starben ihre Eltern - so kam sie als Waisenkind
ins Kloster. In Küche und Keller mußte sie mithelfen, so eine
Hilfskraft brauchte keine Schule.
Aber in ihrer freien Zeit schlich
sich Juliane in die Bibliothek. Die Bücher hatten es ihr angetan.
Bald konnte sie lesen und schreiben, lernte sogar Latein. Wahrscheinlich
lag es nicht an der vielen Freizeit, sondern an ihrer Begabung. Die Nonnen
merkten bald, was für eine Perle sie da hatten und nahmen sie in
ihre Gemeinschaft auf.
Die junge Schwester zeigte
eine ganz besondere Frömmigkeit. Stunde um Stunde kniete sie in der
Klosterkirche vor dem Tabernakel - dem kostbaren Behältnis der geweihten
Hostie. "Der Leib Christi" ist diese für katholische Christen.
Am liebsten hätte Juliane nur von der Heiligen Hostie gelebt, es
wurde ihr aber nur gestattet, täglich bis zum Abendbrot nüchtern
zu bleiben.
Als die 16 Jahre alt
war, da hatte sie zum ersten Mal einen Vision, die sich mehrmals wiederholte:
Sie sah einen leuchtenden Mond an dessen Rand eine dunkle Stelle war -
Christus selbst offenbarte ihr: der Mond ist das Kirchenjahr und die dunkle
Stelle zeigt, daß da noch ein Fest zu Ehren des heiligen Altarsakraments
fehlt. Sie sei berufen, dieses Fest einzuführen.
Bis zu ihrem 37 Lebensjahr
behielt Juliane dieses Gesicht für sich - dann wurde sie zur Oberin
des Klosters gewählt - und jetzt verkündete sie den Auftrag
ihrer Jugendzeit. Sie stieß überall auf Widerstand, wurde verspottet
und verleumdet, so daß sie schließlich mit einigen ihr treuen
Schwestern das Kloster verließ und unstet umherzog - weiter verfolgt
von Verleumdungen und Feindschaft.
Nur ihr Beichtvater und der
Erzdiakon von Lüttich, Jakob von Troyes, hielten zu ihr. Völlig
verarmt lebte sie schließlich noch zehn Jahre in einer kleinen Hütte
- bis sie mit 67 Jahren starb.
Fronleichnam
wird ein Fest
Und doch konnte sie noch erleben,
wie ihr Fest - Fronleichnam - in Lüttich vom Bischof eingeführt
wurde. Der Diakon Jakob von Troyes wurde später Papst Urban IV, er
legte den Festtermin auf den zweiten Donnerstag nach Pfingsten. Und 50
Jahre später wurde das Fest verbindlich für die ganze Kirche
durch Papst Johannes XXII. Noch später kamen Fronleichnamsprozessionen
auf, die sich immer mehr durchsetzten und bald das zentrale Ereignis des
Festes wurden. In feierlichem Umzug wird die Hostie in einer prächtigen
Monstranz durch die Fluren getragen, mit Gottesdiensten im Freien - auch
auf dem Marktplatz in Nürnberg.
( Musik )
Vielleicht hat dieser
oder jene schon so eine Fronleichnamsprozessionen schon mitgemacht - ich
stelle mir es schön vor: In Gemeinschaft, mit frommen Liedern und
heiligen Gefühlen durch die Frühlingsfluren ziehen - ein festlicher
Gottesdienst in der blühenden Landschaft.
Es ist nicht verwunderlich,
daß diese Art, das Fest zu feiern, sich durchgesetzt hat. Der Frühling
verlockt doch zum Hinausgehen. Osterspaziergang, Vatertagausflug, Pfingstpartie
zeugen auch davon. Daß früher dabei auch eine Art von Flursegen
erhofft und erwartet wurde, können wir heute kaum noch nachfühlen.
Aber schon im alten Griechenland gab es so etwas in den eleusischen
Mysterien - aber das wäre eine eigene Geschichte.
Woher kommt der Name des
Festes?
Es wird also die heilige Hostie
- "Leib des Herrn" - festlich geehrt.
"Fron" heißt mittelhochdeutsch "Herr", und "lichnam" "der Leib",
der lebendige Leib!
So kam das Fest zu seinem Namen.
Was sagte der "Reformator" Luther zu dem Fest?
Das klingt ja alles recht schön
und friedlich. Warum - frage ich - hat Martin Luther dieses schöne
Fest für die protestantische Kirche abgeschafft - und warum hat er
dagegen gewettert? Eine Predigt zum zweiten Sonntag nach Trinitatis, dem
ersten Sonntag nach Fronleichnam, beginnt so:
Weil nun das junge Volk nichts
von diesem Fest und dem Prunk weiß, und die Alten es auch vergessen
haben, ist es gut, dass man davon predigt. Denn wenn unsere Jugend in
die Kirchen kommt oder solch ein abgöttisches Wesen sieht, sie sich
nicht daran ärgern und sagen können, daß dieses nicht
richtig ist, daß man solch einen falschen Gottesdienst anrichtet
und dabei soviel Geld ausgibt, und nicht nach der Meinung kommen, daß
man den Sakrament gedenkt und ehrt. Die Katholiken aber tragen nicht
das ganze Sakrament in Brot und Wein herum, sondern durch das Brot allein
machen sie es zu einer Schmach und Schande. Sie selbst aber kommen dabei
zu den höchsten Ehren, denn diesen Unterschied wollen sie damit erhalten,
daß der Pfaffenstand ein besonders hoher und schöner Stand
sei vor Gott. Denn den einfachen und gemeinen Christen dürfe man
nicht das ganze Sakrament geben, sie müssen sich mit dem Brot alleine
begnügen lassen.
Und so geht es weiter - sogar
noch schlimmer mit: "Greuliche Abgötterei", "Greuel", "Teufelswerk"
Warum der Zorn?
Der Konflikt
Unversehens sind wir in einen
tiefen, ernsthaften Konflikt geraten - eigentlich den Konflikt zwischen
evangelisch und katholisch:
Die heilige Hostie, der "Leib
des Herrn", wird da verehrt, wird herumgetragen und Luther meint - auch
angebetet. Vom Kelch ist nicht die Rede.
"Nehmt hin meinen Leib - eßt
alle davon. Nehmt hin mein Blut - trinkt alle daraus." So hatte Jesus
das Abendmahl gestiftet - zu seinem Gedächtnis.
"Mein Blut, das vergossen wird
zur Vergebung der Sünden" - dieser Kelch ist nicht dabei, bei Fronleichnam.
Er ist für die Gläubigen auch nicht dabei in der Eucharistie;
den Priestern ist er vorbehalten.
"Na und?" wird mancher denken,
"der eine Schluck Wein!" Wir können uns kaum hineindenken in
die Menschen vor 700 und 800 Jahren. Heute bedrängt die Angst vor
Krebs oder Aids viele Menschen - damals war die Angst vor der ewigen Verdammnis
allgegenwärtig.
"Von dieser Angst seid ihr
befreit durch das Blut Jesu Christi" - so verkündet das Evangelium.
"Nehmt hin, trinkt alle daraus" hatte Jesus beim Abendmahl über den
Kelch gesagt.
"Von dieser Angst könnt
ihr befreit werden, durch die Vermittlung der Kirche - denn der geweihte
Priester hat Vollmacht zur Sündenvergebung - durch das Blut Christi
im Kelch des Abendmahls". So verkündet die katholische Kirche. Stellt
euch vor: da hätte jemand ein Mittel gefunden, das Krebs und Aids
zuverlässig verhindert, zumindest würden es die Menschen glauben.
Er würde es patentieren lassen - und mit dem Geheimrezept sein Geschäft
machen. Was für ein Geschäft! Wenn er dann noch auf der anderen
Seite mit großer wissenschaftlicher Autorität die Angst schüren
könnte - das wär´s!
So ging es den Menschen mit
ihrer Angst vor der Verdammnis - und mit der Kirche. Das Patent
war die Vermittlung der Vergebung nur durch die Priester. Was für
ein Geschäft! Lest die Kirchengeschichte und lest die Weltgeschichte.
Selbst Kaiser mußten da zu Kreuze kriechen auf ihrem Gang nach Canossa!
Auch das wäre eine eigene Geschichte. Und als Meister in diesem Geschäft
steht am Anfang Papst Johannes XXII, der Fronleichnam für die ganze
Kirche verbindlich machte.
Luther selbst war nur knapp
dem Schicksal entkommen, daß viele getroffen hat, die das Geschäft
störten. Jan
Huss wurde verbrannt - hätte nicht ein Freund ihn versteckt auf
der Wartburg, hätte Luther wohl das gleiche Schicksal getroffen.
Er kannte die Macht der Kirche, auch den Mißbrauch des Evangeliums
- und deshalb war er so zornig. Denn in der festlichen öffentlichen
Feier der Hostie sah er die böse heimliche Aneignung des Kelches
durch die Priesterschaft.
( Musik )
Machtmissbrauch
Nicht nur katholische Hörer
könnten jetzt nervös geworden sein bei der Aufdeckung des alten
Konfliktes. Auch sie bedauern wohl jeden Missbrauch der geistlichen Macht
in der Geschichte ihrer Kirche. Sollte nicht lieber das ökumenische,
das Gemeinsame betont werden?
Und hat sich das nicht von
selbst erledigt, in einer Zeit, wo - sicher mit verursacht durch die Reformation
Luthers - nur noch wenige Angst vor der ewigen Verdammnis haben ?
Hatte nicht diese Angst die
Menschen an die Kirche gebunden und damit im Glauben an Gott gehalten
? Ist vielleicht der Mißbrauch der freien Gnade am Ende schlimmer
als der Missbrauch der Angst?
Zurück zu den Wurzeln
Wir müssen noch tiefer
eintauchen in die Geschichte, um da eine Antwort zu finden: Ganz am Anfang
der Kirchengeschichte ist etwas Wichtiges geschehen: Da hatten sich viele
Juden in Jerusalem und später auch an anderen Orten bekehrt zum christlichen
Glauben. Petrus war ihr Bischof..
Zugleich brachte Paulus das
Evangelium zu den Heiden in der griechischen Welt. Viele bekehrten sich
zu Jesus Christus und damit zum Gott Israels- ohne Juden zu werden. Und
Paulus verlangte auch nicht, daß sie das jüdische Gesetz halten
mit Beschneidung und mit den Speisegeboten. Das führte zu Spannungen.
Die jüdischen Christen wollten die Freiheit vom Gesetz nicht einsehen
- und Paulus verteidigte diese Freiheit mit aller Kraft.
Auch Paulus und Petrus konnten
bei ihren Zusammentreffen in Jerusalem den Konflikt nicht auflösen.
Sie gaben sich die Hand darauf, daß "dem Petrus das Evangelium für
die Juden und dem Paulus das Evangelium für die Heiden anvertraut
ist".
Petrus wurde später Bischof
von Rom und die Päpste sind seine Nachfolger. So kam das Evangelium
für die Juden nach Rom - und durchaus jüdisch ist die Entstehung
eines zentralen Heiligtums, ist die Etablierung eines Hohen Priesters,
ist die Betonung des Gesetzes, ist die Heilsvermittlung durch die Priester.
Ringen um die Wahrheit
Das Evangelium der Freiheit
blieb im Untergrund lebendig. Da es keine politische Macht bekam, spielt
es in der Weltgeschichte allenfalls die Opferrolle. Denn die etablierte
römische Kirche fühlte sich zu Recht bedroht durch die entgegengesetzte
Wahrheit und wehrte sich mit ihrer ganzen Macht.
Erst in der Reformation durch
Martin Luther trat das Evangelium des Paulus auf der Geschichtsbühne
öffentlich in Erscheinung - doch alle Hoffnung Luthers und seiner
Nachfolger, die Wahrheit des Paulus gegen die Wahrheit des Petrus durchzusetzen
waren vergeblich - bis heute.
Wenn wir ehrlich sind, finden
wir beide Wahrheiten auch in uns selbst, obwohl sie sich gegenseitig ausschließen:
Wer seines Heils sich gewiß
ist, weil Jesu Blut alle seine Sünden hinwegnimmt, der merkt: "Ich
brauche doch Regeln und Gesetze in meinem Leben, da müßte doch
jemand mit Vollmacht mir bestätigen, was ich glaube - und der Glaube
an den Heiligen Gott braucht doch auch heilige Räume und Feste."
Wer immer brav die Gebote der
Kirche einhält, wer regelmäßig zur Messe und zur Beichte
mit Absolution geht, der merkt: "Etwas ganz Wesentliches muß doch
in mir selbst geschehen - unabhängig von aller äußeren
Form und aller äußeren kirchlichen Autorität. Ich persönlich
muß doch Beziehungen aufnehmen zu dem der sein Blut für mich
vergossen hat."
Wer diese Spannungen in sich
nicht zuläßt und sich nur auf seine eine eigene Wahrheit beruft
- der muß den Vertreter der anderen Wahrheit verdammen - und
trägt bei zur Spaltung und Feindschaft. Wer wegen dieser Spannung
keine Wahrheit für sich gelten lassen will, der kann auch nicht das
Abenteuer erleben - wenn zwei Menschen mit gegensätzlicher Herkunft
im Gespräch und in der Auseinandersetzung ihre gemeinsame Wahrheit
entdecken.
Aufruf
Liebe evangelische, liebe freikirchliche
Zuhörer - freut euch, dass es so schöne katholische Prozessionen
und Gottesdienste gibt, auch wenn ihr es nicht verstehen und es eigentlich
nicht mitfeiern könnt.
Liebe katholische Zuhörer,
freut euch, dass es Christen gibt, die auch ohne eure phantastische Kirche
in der Gemeinschaft mit Jesus Christus leben und erlöst sind.
Und wenn ihr euch begegnet
- erzählt dem anderen von euch, von euer Freude, eurer Hoffnung,
eurem Glauben und euren Erfahrungen. Denn "Fronleichnam", der Leib des
Herrn, möchte immer wieder zur Einheit werden.
Dr. Hans Frisch
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