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Jesu Weg in die Passion
gesendet am 1. April 2001 von Dr. Hans Frisch
 

Es ist der letzte Sonntag der Fastenzeit - nächste Woche kommt schon Palmsonntag und dann Karfreitag.

Im Rhythmus des Kirchenjahres treten die einzelnen Stationen im Leben von Jesus nacheinander ins Blickfeld - wir könnten heute einmal versuchen, einen Überblick zu bekommen, über den Weg, der in der Passionszeit zu Ende geht - besser gesagt, ans Ziel kommt. Das ist kein langer Weg, er beginnt im Spätherbst des Jahres 30 und endet am Karfreitag 32. Nur 1 1/2 Jahre.

Als nun Jesus hörte, dass Johannes gefangengesetzt worden war, zog er sich nach Galiläa zurück. Seit der Zeit fing er an zu predigen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!

Also: Johannes der Täufer tritt ab - das heißt, er wird beseitigt - Jesus tritt auf. Sie waren zusammengetroffen am Jordan, als Jesus sich taufen ließ. Johannes hatte bezeugt: "Dieser ist das Lamm Gottes" - und die Stimme vom Himmel hatte Jesus zugesprochen: "Du bist mein lieber Sohn." Nun saß Johannes im Kerker. Das war wie ein Signal für Jesus, seinen Auftrag auszuführen.

Eigentlich müßte man eine Landkarte vor sich haben, um den Überblick zu bekommen. Wir sind gewohnt, als Hauptstadt des jüdischen Landes Jerusalem zu sehen - das stimmt auch, nur ist "jüdisches Land" nicht präzise. Zur Zeit, als Jesus geboren war, da reichte das von Herodes dem Großen regierte Land vom Hermonmassiv (also heute Libanon und Syrien) bis in die Wüste südlich von Hebron. Als Herodes starb wurde es aufgeteilt unter seine Söhne - und jetzt herrschte im Norden, in Galiläa, Herodes-Antipas, der König, der Johannes gefangen gesetzt hatte.

Im Süden hatten die Römer den zweiten Herodes Sohn bald abgesetzt - dort herrschte Pilatus als römischer Statthalter der Provinz Judäa mit seinen Truppen. Für jüdische Fragen, besonders für die wichtigen Angelegenheiten der Religion war der Hohe Priester Kaiphas zuständig und der Hohe Rat, dass "Synhedrium" - das höchste Gericht für alle Juden der Welt, also auch für die Galiläer.

Zwischen Galiläa im Norden und Judäa mit Jerusalem im Süden liegt Samaria, von frommen Juden gemieden wegen der heidnisch-jüdischen Mischreligion der Bewohner. Die Pilgerwege von Galiläa nach Jerusalem gehen an Samarien vorbei - an der Mittelmeerküste entlang oder durch den Jordangraben. Denn, zum Tempel in Jerusalem pilgerten die Galiläer zu den hohen Festen. Doch von Jerusalem aus wurden sie kritisch und etwas mißtrauisch beobachtet. "Kampflustig, mit einer Leidenschaft für Freiheit, Umsturz und Rebellion" - so beschreibt Josephus, der damalige Historiker, die Galiläer.

"Den Galiläern geht es zuerst um die Ehre, den Juden zuerst ums Geld."
Das klingt alles noch relativ stabil - war es aber nicht. Die Römer waren Besatzungsmacht, und wie aus ihrem ganzen Weltreich, so zogen sie auch aus Palästina die Mittel für das steuerfreie Luxusleben in Rom. Das gab natürlich böses Blut, und endete für manchen Römer blutig, wenn Dolchmänner, die "Sikkarier" ihm allein begegneten. Größere Aktionen wagten die Untergrundkämpfer, die Zeloten. Ganze Trupps der Römer wurden in Hinterhalte gelockt oder nachts überfallen. Sympathie fanden diese Römerfeinde auch bei den Frommen, denen aus religiösen Gründen das Römische nicht paßte - obwohl Pilatus da schon sehr zurück gesteckt hatte. Der Hohe Priester Kaiphas hatte sich mit Pilatus arrangiert - und gute Geschäfte dabei gemacht. Bei den frommen Juden brachte ihm das keine Sympathien. Viele von denen warteten auf einen Umbruch - eigentlich auf einen Anbruch.

Das Reich Gottes mußte endlich anbrechen und dem Volk Gottes Freiheit und Heil bringen. Nicht nur die Leute in dem Wüstenkloster von Qumran erwarteten das mit Ungeduld. Es brodelte überall - und so wie heute ein Funken in Palästina und Israel zur Explosion führen könnte, so war es auch damals. Keine leichte Aufgabe, dort für Ruhe und Ordnung zu sorgen. In dieser unruhigen, gespannten Situation tritt Jesus auf und verkündet: "Das Reich Gottes ist angebrochen, mit mir!"

In Galiläa, in seiner Heimat predigt Jesus das Evangelium - die "frohe Botschaft" von der Ankunft des Gottesreiches, und sammelt eine Jüngerschar um sich. Er ist kein Theologe - Geschichten, Gleichnisse und Parabeln erzählt er, die vom Volk verstanden werden. Er ist kein besonders Frommer, wie die Pharisäer - vom Fasten hält er nichts, die Sabbat Gebote legt er sehr locker aus, mit Zöllnern und Sündern hat er Tischgemeinschaft, seine Jünger waschen sich nicht die Hände vor dem Essen - was doch jeder anständige Jude macht - und er vermahnt sie nicht einmal.

Die Pharisäer sind empört. Sicher, mancher nimmt die Gebote nicht ganz ernst und bekommt ein schlechtes Gewissen, wenn er erwischt wird. Aber dieser Jesus, er macht es öffentlich und verteidigt es nicht nur - nein, er greift sie, "die Reinen", an: "Heuchler" nennt er sie. "Ihr Pharisäer, ihr haltet die Becher und Schüsseln außen rein; aber euer Inneres ist voll Raubgier und Bosheit."
Noch schlimmer: "Ich, der Menschen Sohn, bin Herr über den Sabbat." Nur wer die Bedeutung des Ruhegebotes für den Sabbat kennt, kann ermessen, was das bedeutet - es ist eine Gotteslästerung! Die Todesstrafe steht darauf - doch im Reich des Herodes können die Pharisäer Jesus nicht umbringen. Seine Sympathien steigen beim Volk, denn die Pharisäer, die eingebildeten Superfrommen, sind nicht beliebt.

Der Zulauf zu Jesus steigert sich, erst recht, als viele Kranke geheilt werden. Natürlich bleibt das in Jerusalem nicht verborgen. Überall haben Agenten des Synhedriums Augen und Ohren offen. Gezielt werden Beobachter nach Galiläa geschickt, die das prüfen sollen, was da geschieht - und, als klar ist, wie gefährlich dieser Mann ist, auch Hinterhaltzeugen, die ihn mit Fangfragen entlarven sollen.

Sie tun sich schwer - nicht weil Jesus sich zurück hält, sondern weil er zurückschlägt, mit scharfen Argumenten und einer profunden Kenntnis des Gesetzes und der Propheten. Die vielen Krankenheilungen lassen sich nicht leugnen . "Im Bund mit dem Teufel vollbringt er seine Wunder" ist das Urteil der Schriftgelehrten aus Jerusalem.

Schließlich haben sie ihn in Jerusalem - er ist zum Laubhüttenfest gekommen mit den Pilgern aus Galiläa, im Herbst des Jahres 31. Er versteckt sich nicht in der Menschenmenge, er redet öffentlich im Tempel. Auch hier gewinnt er nicht nur Sympathien sondern auch Anhänger im Volk. Die Priesterschaft schickt ein Verhaftungskommando, das Jesus greifen soll - aber sie kommen ohne ihn zurück, teils aus Angst vor der Menge, teils beeindruckt von seiner Autorität.

Die Situation spitzt sich zu. Die Gleichnisse werden kämpferisch. Die Priester nennt er "falsche Hirten" und "Teufelskinder". Die Selbstaussagen werden immer vermessener: "Ich bin der gute Hirte", "Ich bin das Licht der Welt", "Ich bin der Weg die Wahrheit und das Leben", "Ich und der Vater sind eins". Als er sich im Streitgespräch schließlich versteigt zu der Behauptung: "Ehe denn Abraham war - bin ich!", da fliegen die Steine. Wie furchtbar die Gotteslästerung dabei war, ist erst bei näherem Hinsehen zu erkennen. Und ein Gotteslästerer ist des Todes, er muß gesteinigt werden. Doch Jesus entkommt!

Wirklich kurz haben wir hin geschaut auf das erste Jahr, in dem Jesus öffentlich auftrat und die Situation, in die er kam. Eigentlich sollte jeder die Geschichten, die über Jesus aufgeschrieben sind, einmal durchlesen - das sind an die 140 Seiten, weniger als ein "Spiegel" oder ein "Stern" (allerdings ohne Bilder und ohne Reklame).

Die Dramatik dieser kurzen Lebensspanne wird dabei aber von den vielen Geschichten, den Gleichnissen und den Reden überdeckt. Deshalb wollen wir nach der Musik versuchen, einen Überblick zu bekommen, über den letzten Abschnitt des Weges, den Jesus in die Passion geht.

Dem Steinigungsversuch in Jerusalem war Jesus entkommen. Er ging ins Jordantal. Dort, wo er von Johannes getauft worden war, setzt er über den Fluß, und ist in Sicherheit. Das Gebiet, im heutigen Jordanien gelegen, gehört zum Herrschaftsbereich des Königs Herodes, seines Landesherren. Da kann die Tempelpolizei nicht zugreifen.

Es ist, als ob er in Startposition gegangen ist zu seinem letzten Weg - an der Stelle, wo Johannes ihn getauft hatte. Und hier erreicht ihn der Ruf: "Komm schnell, dein Freund Lazarus ist todkrank!"
Er wartet noch zwei Tage, dann bricht er auf, Richtung Jerusalem. Die Jünger wollen ihn abhalten, sie haben noch nicht begriffen, auf welchem Weg sich ihr Meister befindet.

Jetzt geschieht das Wunder im Leben von Jesus. Der Freund ist gestorben, er ruft ihn aus dem Grab.
Die Geschichte wäre Thema für eine ganze Sendung - unglaublich! Ich glaube sie trotzdem. Sie steht präzise an der richtigen Stelle - aus zwei Blickrichtungen: Da ist einer auf den Weg zum Kreuz - um das zu wissen brauchte er keine prophetische Gabe. Dreimal hatte er seinen Jüngern sein Leiden und Sterben angekündigt.

Was er gesagt und getan hatte, das reichte juristisch mehrfach zum Todesurteil. Auch aus politischen Gründen mußte er beseitigt werden, schon weil sich um ihn rebellische galiläische Anhängermassen sammelten. Und, ganz konsequent folgt nach diesem Wunder der amtliche Todesbeschluß des Synhedriums. Kurz und knapp steht die Begründung im Johannes Evangelium: "Lassen wir ihn, so werden sie alle an ihn glauben, und dann kommen die Römer und nehmen uns Land und Leute". Beides ist richtig.

Eine Totenauferweckung am Ölberg, das war ein messianisches Zeichen. "Der Messias wird über den Ölberg kommen an einem Passahfest, dann werden die Toten auferstehen" - diese Erwartung ist lebendig geblieben - auch heute noch wünschen Juden aus der ganzen Welt dort auf dem großen Friedhof am Ölberg zu liegen bis zu dem Tag des Messias.

Wenn aber die Volksmassen glauben, dass dieser der Messias ist, dann bricht der Aufstand los, den die Priesterschaft hätte verhindern können. Er muß beseitigt werden! Eventuelle rechtliche Bedenken wischt der Hohe Priester Kaiphas beiseite mit seinem prophetischen Wort: "Es ist besser für euch, ein Mensch stirbt für das Volk als dass das ganze Volk verdirbt." Das ist die geschichtlich-politische Blickrichtung.

Noch dramatischer ist für mich die biographisch-persönliche Bedeutung dieses Wunders: Da ist einer auf dem Weg zum Kreuz weil er glaubt: "Mein Tod wird ein erlösendes Opfer für die ganze Menschheit sein." Da will ein Mensch sich ans Kreuz nageln lassen, und glaubt dabei in Gottes Händen zu bleiben.

Sicher, der Glaube an seine Sendung durch Gott, seinen Vater, war durch manches Wunder bestätigt worden bisher - aber wer schon wunderbare Gebetserhörungen erlebt hat, der weiß, wie bald ihre Beweiskraft für den Glauben nachläßt.

Jetzt steht Jesus vor dem Grab seines Freundes. Er nimmt alle seine Glaubenskraft zusammen, seinen Glauben an den Gott, dem er selbst sich am Kreuz anvertrauen will. Er ruft: "Lazarus, kommen heraus!" Und Lazarus kommt heraus, in Grabtücher gewickelt. "Löst die Binden und laßt ihn gehen" - das ist alles was Jesus dazu sagt.

Er hat das Siegel für seinen Glauben erhalten - jetzt kann er sich Gott im Tode anvertrauen. Wahrscheinlich war das 40 Tage vor Ostern, und irgendwo hat sich Jesus noch verborgen gehalten in der Gegend, wo er nach der Taufe 40 Tage in den Bergen der judäischen Wüste allein gewesen war und die Versuchung erlebte.

Als zum Passahfest die galiläischen Pilger aus dem Jordangraben hinaufziehen über den Ölberg nach Jerusalem, da ist er bei ihnen. Nahe der Taufstelle, in Jericho, ist er zu ihnen gestoßen. Die Menge ist begeistert, sie schreit: "Hosianna!" Wirft Palmenzweige vor ihm auf den Weg - das ist mehr als den roten Teppich vor einen König aus rollen - und messianische Prophetenworte werden skandiert - eine Woche vor dem Passahfest. Da schrillen bei der Priesterschaft die Alarmglocken - zu Recht!

Nicht dass Jesus sich zum Führer des Aufstands hätte machen wollen - aber, was wußte die Menge schon von seiner wirklichen Sendung, und wer kann eine fanatische Masse steuern oder stoppen. Jetzt, mit dem Einzug in Jerusalem am Palmsonntag, da beginnt der letzte Akt, überschrieben mit "Passion". Fünf Tage später stirbt Jesus am Kreuz - es sind fünf dramatische Tage. Wenigstens diese Berichte sollte man in der Passionszeit einmal durchlesen.

Ist dir das zu menschlich, so von Gottes Sohn zu reden ?
Wenn Gott wirklich Mensch geworden ist, dann war er wirklich Mensch. Es ist schon wichtig das zu sehen.
 

Ist dir das zu göttlich, was da von Jesus berichtet wird ?

Er glaubte, sein Tod bringt Heil für alle Menschen - auch für dich. Wenn das wirklich Gottes Wille war, dann ist dort das wichtigste Ereignis der Menschheitsgeschichte geschehen - auch für dich.

Du brauchst das nicht anzunehmen und kannst an der größten Chance deines Lebens vorbei gehen. Du kannst aber das Experiment wagen und sagen: "Das hast Du für mich getan" - dann wirst Du erleben, ob dort Gottes Wille für dich geschehen ist.

Die Passionszeit wäre eine gute Gelegenheit dafür.

Dr. Hans Frisch

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