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Pilatus gesendet am 08. August 2004
von Dr. Hans Frisch
 

Wer ist der meist genannte Römer ?

Nicht ein Kaiser, nicht ein Dichter, nicht ein Philosoph - ein Ritter: Pontius Pilatus.

Schon die Redensart "Von Pontius zu Pilatus schicken" macht ihn bekannt. Aber - auf der ganzen Welt, wenn Christen gemeinsam das Glaubensbekenntnis sprechen, da sagen sie: "Gelitten unter Pontius Pilatus" - und das sind jeden Sonntag viele Tausende auf der ganzen Welt, schon über Tausend Jahre. Woher stammt der meist genannte Römer? Aus Forchheim - erzählt eine Sage (drum gibt es dort auch ein Hotel "Zum Pilatus").

Mit Sicherheit war er in Jerusalem zur Zeit Jesu, das steht nicht nur in den Evangelien. Er war "Prokurator", Statthalter, in der Provinz Judäa, wie die Römer das besetzte Land nannten. Seine Residenz stand in Caesarea am Mittelmeer - doch zu den Zeiten der großen Feste, da war er in Jerusalem. Direkt neben dem Tempel, mit Blick in den Tempelhof stand die römische Festung Antonia.

Über die Herkunft des Ritters wurde viel spekuliert, auch Romane gibt es über ihn. Noch blühender sind die Fantasien über sein Ende. "Pilatus" heißt ein Felsen bei Luzern, von dem er sich in der See gestürzt haben soll. Doch ins Credo, ins Glaubensbekenntnis, kam er durch einen Tag seiner Amtszeit und durch eine Amtshandlung: Der römische Prozess gegen Jesus.

Wenn Richter aus der Nazizeit behaupten, sie könnten sich an dieses oder jenes Todesurteil nicht erinnern - bei hunderten solcher Urteile ist das sogar glaubhaft. Der Auftritt von Graf Moltke oder einigen anderen Widerstandskämpfern vor dem Volksgerichtshof dürfte aber in der Erinnerung des Blutrichters Freißler nicht verblasst sein.

So hat wohl auch Pilatus diesen Prozess nicht vergessen. Nicht alle Tage wird einer angeklagt, der behauptet: "Ich bin ein König". Das war ein schwerwiegender Anklagepunkt. Judäa war eine Provinz des römischen Reiches, und Herr dieses Reiches war Kaiser Tiberius. Pilatus ist sein Mann. Er hat für Ruhe und Ordnung zu sorgen - und für den geregelten Strom von Steuergeldern aus der Provinz nach Rom. Er kann es. Kein Prokurator hat so lange und so erfolgreich sein Amt in Judäa ausgeübt wie er - vielleicht waren wenige so brutal im Kampf gegen Aufsässige und Aufständische, und vielleicht hatten sich wenige so gut mit der mächtigen Priesterschaft arrangiert. Die meisten seiner Vorgänger sorgten hauptsächlich dafür, dass sie schnell reich wurden.

An diesem aufregenden Freitag brachten die Juden wieder einmal einen Angeklagten vor seinen Richterstuhl - er sollte das Todesurteil bestätigen, das der Hohe Rat, das jüdische Gericht, gefällt hatte. Eigentlich eine Routineangelegenheit. Doch als er die Anklage hört: "Er hat sich zum König gemacht", da wird er neugierig und will den Angeklagten selbst hören. Es wurde eine interessante, aufregende, zunehmend schwierige und schließlich katastrophale Begegnung. Mit dem ersten Blick wird Pilatus erkannt haben, dass dieser Mann nicht gefährlich ist. "Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Ich bin gekommen, dass ich für die Wahrheit zeuge".

"Was ist Wahrheit?" antwortet der Ritter, der in seiner Laufbahn viele Kompromisse, Halbwahrheiten, Lügen und Verbrechen angesammelt hatte, und empfindet Sympathien (was bei Jesus wahrscheinlich nicht schwer war). Seine Versuche, ihn freizusprechen, scheitern. Auch als er Jesus geißeln lässt, um wenigstens sein Leben zu retten - er hoffte auf das Mitleid der aufgehetzten Massen - verstummt nicht der Ruf: "Kreuzige ihn!".

Und dann spielen die Priester ihren Trumpf aus: "Lässt du diesen frei, so bist du des Kaisers Freund nicht" Da weiß er: "Wenn die mich beim Kaiser denunzieren, dann bin ich geliefert". Denn in Rom lief eine Hetzjagd gegen die Mitverschwörer und Freunde des gestürzten Sejanus, des Chefs der Praetorianer Garde. Er, Pilatus, gehörte zu seinen Freunden. Zum Glück war er hier in Judäa weit ab vom Schuss, aber das konnte sich schnell ändern! So "wäscht er seine Hände in Unschuld" und lässt Jesus kreuzigen - und so kommt er ins Credo.

Eine schwache Genugtuung leistet er sich: "Jesus von Nazareth, König der Juden" lässt er auf die Tafel oben am Kreuz schreiben. "Jesus Nazarenus, Rex Judaeorum" - abgekürzt INRI - und das lässt er sich von den Priestern nicht ausreden. So kam sein Zeugnis über diesen sympathischen Angeklagten auf zahllose Bilder und Kruzifixe auf der ganzen Welt.

Einen guten Ruf hat Pilatus trotzdem nicht bekommen, und wohl auch nicht verdient. Da, wo er Charakter hätte zeigen können, ist er eingeknickt, sonstige Ruhmestaten sind von ihm nicht bekannt - wohl aber einige Grausamkeiten. So auch zwei Jahre nach diesem Prozess. Da hatte er einen nur vermuteten Aufstand der Samaritaner in der Nähe des Jakobsbrunnens niedergeschlagen, so brutal, dass er aus seinem Amt entfernt wurde. Kaiser Tiberius, den er zu fürchten hatte, war gerade gestorben als er in Rom eintraf, um sich zu verantworten. Doch Weiteres weiß nur die Sage von ihm zu berichten, und da ist sein Ende in Luzern ebenso unsicher wie seine Geburt in Forchheim.

Dr. Hans Frisch

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