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Ökumene

gesendet am 23.09.2012 von Dr. Hans Frisch
 

„Ökumene jetzt!“

Vor knapp drei Wochen haben 23 Prominente, unter ihnen Günther Jauch, Annette Schavan, Frank-Walter Steinmeier und Richard Weizsäcker eine Aktion gestartet: „Ökumene jetzt: Ein Gott, ein Glaube, eine Kirche.“

50 Jahre nach dem Zweiten vatikanischen Konzil und 500 Jahre nach der Reformation appellieren sie an die Kirchenleitungen, die ökumenischen Aktivitäten in den Gemeinden vor Ort fördernd zu begleiten, und an die Gemeinden, die Ökumene weiter voranzutreiben. Am ersten Tag haben fast 2.000 „Unterstützer“ im Internet unterschrieben, am zweiten Tag noch fast 1.000, jetzt sind es noch etwas über 100 pro Tag.

Man kann weder an den Unterschriften noch an den Namen der Prominenten des Anfangs erkennen, zu welcher der beiden Kirchen sie gehören, auch nicht, ob zu den weniger als 10 % der getauften katholischen und evangelischen Christen, die am Sonntag in ihre Kirche gehen.

Um die Jahrtausendwende war die Hoffnung lebendig, die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung" wäre ein echter Schritt in Richtung Ökumene, doch Kardinal Ratzinger als damaliger Chef der Glaubenskongregation machte ein Jahr später klar, dass dem nicht so ist - und vor fünf Jahren wiederholte sein Nachfolger in diesem Amt die Feststellung, dass nur die katholische Kirche echte Kirche ist, allenfalls noch die orthodoxe. Der inzwischen Papst gewordene Vorgänger bestätigte das ausdrücklich.

Wir haben damals in AREF dazu etwas gesagt – und unverändert kann der Beitrag zur Ökumene auch heute wiederholt werden.

Ökumene? - Gesendet am 2. Septenber 2007

Rom hat gesprochen - sein Urteil über die Protestanten - und ein Rauschen ging durch den Blätterwald. Es hat sich bald gelegt, nach einem Monat ist schon fast wieder alles beim alten.
Der neue Chef der „Glaubenskongregation“ (besser bekannt und leichter auszusprechen mit dem alten Namen: Inquisition) gab „Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche“ - so der offizielle Titel.

Er hat nichts Neues gesagt, allenfalls ist neu, dass es wirklich nichts Neues gibt. Wirklich „Kirche“ ist nur die katholische, deren sichtbares Haupt der Bischof von Rom und Nachfolger des Petrus ist. Aber halt: Sie ist nicht die einzige Kirche sondern: nur in ihr „subsistiert“ die einzige Kirche Christi, weil „nur in ihr allein alle von Christus eingesetzten Elemente jetzt und in Zukunft erhalten bleiben“.

Das klingt dir zu kompliziert und zu theoretisch? - Mir auch! Nun brauche ich das ja nicht zu verstehen, denn es richtet sich eigentlich nur an die Adresse der orthodoxen Kirchen (die wirklich Kirchen sind), und „die Gemeinschaften, die aus der Reformation des 16. Jahrhunderts hervorgegangen sind“ - also die evangelischen Kirchen - die den Titel „Kirchen“ nicht verdienen.

Wir gehören aber zu den Freikirchen, und die kommen weder in der Verlautbarung von Rom noch in den Protesten der Protestanten vor. Wir könnten uns eigentlich zurücklehnen und ruhig zuschauen bei dem Schattenboxen, in dem beruhigenden Wissen, dass ein dreißigjähriger Krieg nicht noch einmal ausbrechen wird (obwohl die Fronten fast unverändert sind).

„Ja“, sagt die Glaubenskongregation, und der Papst bestätigt es, „auch in diesen Gemeinschaften sind vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden, wie sie in ihrer Fülle der katholischen Kirche anvertraut sind“. Zu Deutsch: Da, wo in der evangelischen Kirche katholische Elemente sind, da ist auch sie etwas kirchlich.

Die „Elemente“ - das sind die Sakramente. Sakramente sind dem Priester anvertraut, und der eigentliche Mangel der Protestanten ist: es fehlen die vom Nachfolger des Petrus geweihten Priester - deshalb ist die Eucharistie (ihr Abendmahl) ungültig, Absolution kann nicht gegeben werden und auch die evangelische Eheschließung ist kein gültiges Sakrament. Das einzige „Element“, das ich in der evangelischen Kirche erkenne, und das die katholische Kirche anerkennt, ist das Sakrament der Taufe - genauer die Kindertaufe. Und da wird es für Freikirchen, in unserem Falle für Baptisten, interessant!

Musik

„Evangelische Kirche empört über den Vatikan“ - so ist die Reaktion des evangelischen Bischofs Huber in der FAZ überschrieben, unmittelbar nach der Veröffentlichung der katholischen Antworten. „Ökumenisch brüskierend“ seien die, Äußerungen - und die Hoffnung auf einen Wandel der ökumenischen Situation sei damit „erneut in die Ferne gerückt“.

„Martin Luther würde sich im Grabe umdrehen, wenn er das erfährt“, war mein erster Gedanke. Er hatte den Papst als „Antichristen“ bezeichnet. Die „Elemente“ - um die es bei der katholischen Kirche geht in ihrer Argumentation - genau die waren der Grund zur Trennung. Er hatte der „alleingültigen“ Priesterweihe durch den Petrusnachfolger das „allgemeine Priestertum“ aller Gläubigen entgegengesetzt, hatte der Wirksamkeit der Sakramente widersprochen mit dem Hinweis auf Gottes Gnade, die das Heil schenkt, und hielt die Kindertaufe für „Alfanzen“, für närrische Albernheit, mit der wir die Majestät Gottes nicht beleidigen dürfen. Das Heil kommt „allein aus der Schrift, allein aus Glauben, allein aus Gnade“. Annäherung an die Papstkirche wäre ihm absurd erschienen, eine Ablehnung durch sie als Kompliment.

Sicher, mit den Päpsten zu Luthers Zeit haben die in unserer Zeit kaum etwas gemein - bis auf das Amtsverständnis mit allem was daraus folgt. Da ist alles beim Alten! „Außerhalb der Kirche kein Heil“, das war damals die Devise - die wird jetzt andersrum gelesen: „Überall wo Heil ist, kommt dies nur durch die katholisch-kirchlichen Elemente“.
Wie gesagt: Das einzige „Element“ das ich da in der evangelischen Kirche erkenne, ist die Taufe.
Aber Luther braucht sich nicht im Grabe umzudrehen, denn er hat die Drehung schon zu Lebzeiten vollzogen - gründlich!
Als Menschen, ermutigt durch die Reformation, in der Bibel lasen, die Luther ihnen durch die Übersetzung geöffnet hatte, und entdeckten, dass die Kindertaufe darin nicht vorkommt sondern die Taufe auf Grund des Glaubens, als sie vielleicht sogar die frühen Äußerungen des Reformators zu Kindertaufe kennen lernten, und sie sich gegenseitig tauften auf Grund ihres Glaubens - was natürlich eine „Wiedertaufe“ war, weil alle die Kindertaufe bekommen hatten - da waren die Reaktionen furchtbar. In katholischen Ländern wurden sie verbrannt (wenn sie widerriefen, begnadigte man sie zur Enthauptung), in evangelischen Ländern wurden sie gehenkt oder geköpft.
Die Ausrottung der Wiedertäufer war eine frühe Übereinkunft zwischen Protestanten und Katholiken, 1529 auf dem Reichstag zu Speyer. Und Luther war voll dabei - und es wurde furchtbar.
Wer mich kennt, der weiß um meine Verehrung für Luther und um meine Sympathie für den jetzigen Papst und seinen Vorgänger, doch ehe ich da weiter rede, brauche ich erst eine Pause.
Musik
Wer den Endpunkt einer Entwicklung verstehen will, der muss die Weichenstellung am Anfang erkennen.
Anfang der Kirchengeschichte ist Pfingsten - damals in Jerusalem. Da wurden an einem Tag 3000 fromme Juden zu Christen. Sie hatten Jesus als den Erlöser erkannt; am Kreuz war er als Sündopfer für sie gestorben. Der Tempelgottesdienst, die Sabbatruhe, die Speisegebote, die Beschneidung der Söhne wurden davon nicht berührt.

Dann erkannten Heiden Jesus Christus als ihren Erlöser und nahmen ihn an. Sie wurden nicht zu Juden, sie hielten nicht die Gebote der Thora - ihr Leben wurde verändert durch die Beziehung zu Christus dem Gekreuzigten, durch die Gnade, die sich in ihm offenbart.
Sie waren herausgerufen aus ihrer heidnischen Umwelt - „Ekklesia“, „die Herausgerufene“ hieß diese Gemeinde.
Natürlich kam es zum Konflikt. Dass Christen nicht die heiligen Gebote Gottes halten, das war für Judenchristen nicht zu akzeptieren.
Petrus als Chef in Jerusalem und Paulus als Heidenmissionar konnten diesen Konflikt auch nicht auflösen. Sie trennten sich und „gaben sich die Hand darauf“, dass dem Petrus das Evangelium für die Juden und dem Paulus das Evangelium für die Heiden anvertraut ist.

In Rom steht der Stuhl des Petrus und es ist verständlich, dass in Rom die Elemente der judenchristlichen Kirche erhalten sind:
Ein zentrales Heiligtum - mindestens so groß wie der Tempel in Jerusalem -, Heilsvermittlung durch eine Priesterschaft mit einem Hohen Priester, eine verbindliche gesetzliche Ordnung, ein Messopfer im Gottesdienst. Sogar die Beschneidung, mit der ein jüdischer Junge in das Volk Gottes aufgenommen wird, lebt weiter in der Kindertaufe.
Ich glaube, diese Elemente sind dieser Kirche anvertraut, und sie hat sie treu zu bewahren. Zentrum auch dieser Kirche ist Christus der Gekreuzigte.
In der Geschichte hat diese Kirche nicht nur Bestand gehabt, sie hat die Geschichte durch mehr als ein Jahrtausend mitgeprägt - und ohne sie wäre die Botschaft von Christus wohl verstummt.
Luther hat unter den Verkrustungen, in welchen die Kirche des Petrus fast erstickte, das Evangelium der Freiheit, der Gnade, der Erlösung bei Paulus wieder entdeckt und es unter Einsatz seines Lebens verkündet. Ohne ihn wäre dieses Evangelium wohl verschüttet geblieben.
Tragisch war, dass die geschichtliche Situation ihm nur die Wahl ließ:
„Verbinde dich mit den Mächtigen, und überlebe - oder baue nur auf das Evangelium, und lass dich verbrennen“ (wie Jan Huss verbrannt wurde).

Die Entscheidung wurde ihm aus der Hand genommen, denn die Mächtigen bemächtigten sich seiner, zunächst zum Schutz. Bald aber merkten sie, welche Chancen die Reformation ihnen brachte. Praktisch zum Nulltarif - sie brauchten nur das Abendmahl in beiderlei Gestalt, also mit Brot und Kelch zu feiern - konnten sie Klostergüter kassieren, Abgaben an Rom streichen, sich zu Kirchenherren machen und Pfarrer nach ihrem Wunsch einstellen. So entstanden „Landeskirchen“ und der Landesherr bestimmte, welche Religion das Volk hat.
Doch die Sakramente waren tief verankert in der Frömmigkeit des Volkes - wären sie abgeschafft worden, die Menschen wären ausgewandert. Also mussten Sakramente bleiben, besonders das der Kindertaufe. Und gerade dieses Sakrament musste gegen die Infragestellung durch die evangelikalen Gemeinden mit ihrer Glaubenstaufe verteidigt werden - zunächst mit Feuer und Schwert.

Die ersten Baptisten in Deutschland im 19 Jahrhundert mussten noch erleben, wie Neugeborene von der Polizei in Begleitung einer Hebamme abgeholt wurden zur Zwangstaufe in der Kirche - denn das sakramentale Heil der Taufe darf doch keinem Kind vorenthalten werden!

Die Feindschaft ist zu Ende, Gott sei Dank!
Evangelische, katholische und baptistische Christen feiern zusammen Gottesdienst. Aber noch immer müssen wir uns, immer wieder neu, besinnen auf die Wahrheit, die uns anvertraut ist, und unseren Brüdern und Schwestern mit der andern anvertrauten Wahrheit die Hand reichen. Mit einer Auflösung der Spannung, die Petrus und Paulus nicht auflösen konnten, ist der „einen Gemeinde Jesu Christi in der Welt“ nicht gedient.
Diese eine Gemeinde ist die Gemeinschaft derer, die Jesus Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen im Glauben als ihren Erlöser angenommen haben.
Den als Kind getauften ist zu wünschen, dass sie in diesen Glauben finden und in ihm wachsen - die Sakramente können da helfen.
Den gläubig Getauften ist zu wünschen, dass sie in diesem Glauben bleiben und wachsen, auch ohne Sakramente

Die katholische Kirche hat den Namenstag von Petrus und von Paulus auf einen Tag gelegt. Dass in Rom jetzt der Text über die Spannung zwischen den Kirchen gerade am 29. Juni veröffentlicht wurde, an „Peter und Paul“, das möchte ich als hoffnungsvolles Zeichen ansehen.

Dr. Hans Frisch