Warum Nigeria nicht zur Ruhe kommt?
Immer wieder wird Nigeria
von Bombenanschlägen erschüttert. Will man die Hintergründe
der Anschläge in der jüngeren Vergangenheit verstehen,
muss man zunächst einen Blick in die Geschichte Nigerias werfen.
In vorkolonialer Zeit existierten auf dem Gebiet des heutigen Nigeria
verschiedene Kleinstaaten, Königreiche, sowie muslimische Kalifate
und Sultanate mit 500 verschiedenen Sprachen. All diese religiös,
ethnisch und sprachlich heterogenen Gebiete wurden ab Mitte des
19. Jahrhunderts zu einer einzigen britischen Kolonie, die 1960
in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Bis in die 90er Jahre
hinein wurde Nigeria durch innere Unruhen, Militärregierungen
aber auch den Öl-Boom geprägt. Seit 1999 ist Nigeria eine
demokratische Bundesrepublik. Von Stabilität ist das westafrikanische
Land allerdings nach wie vor weit entfernt.
Etwas mehr als die Hälfte
der rund 150 Millionen Einwohner Nigerias sind Muslime. Sie leben,
wie schon vor Beginn der Kolonialisierung, hauptsächlich in
den nördlichen Landesteilen. Obwohl die meisten Muslime in
dem westafrikanischen Staat als eher gemäßigt gelten,
lässt sich seit der Demokratisierung eine zunehmende Radikalisierung
beobachten, die durch islamistische Gruppierungen wie zum Beispiel
die Boko Haram geschürt wird. So wurde auf Druck
islamistischer Gruppierungen in den nördlichen Bundesstaaten
ab 1999 die islamische Scharia als Rechtsgrundlage eingeführt.
Seitdem kam es dort und auch in der Mitte des Landes immer wieder
zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Muslimen
und Christen trotz der Friedensbemühungen christlicher
und muslimischer Verbände.
Obwohl die Scharia
laut Verfassung in zivilen und strafrechtlichen Angelegenheiten
bei Christen und anderen Nicht-Muslimen nicht zur Anwendung kommen
darf, werden Christen in Nordnigeria laut dem Hilfswerk Open
Doors vor Gericht damit immer wieder konfrontiert. Darüber
hinaus sind Benachteiligungen oder Diskriminierungen am Arbeitsplatz
und im privaten Umfeld an der Tagesordnung. So sollen zum Beispiel
christliche Mädchen in einigen staatlichen Schulen zum Tragen
eines Ganzkörperschleiers gezwungen worden sein. Der Zugang
zu muslimischen Krankenhäusern wird christlichen Nordnigerianern
oft verweigert. Bibeln oder andere christliche Bücher sind
praktisch nicht zu bekommen.
Die Konflikte in Nigeria
entstehen jedoch nicht nur entlang religiöser Trennlinien.
Ethnische, wirtschaftliche, soziale und religiöse Probleme
überschneiden sich und bilden so eine explosive Mischung. Die
jüngste Eskalation der Gewalt hat laut einer Studie der US-amerikanischen
Organisation "The Fund for Peace" auch politische Gründe.
Nach einem ungeschriebenen Gesetz nominiert die nigerianische Regierungspartei
PDP abwechselnd einen Präsidentschaftskandidaten aus dem muslimischen
Norden und dem christlichen Süden. Jeder Präsident sollte
dann nach Möglichkeit zwei Amtsperioden lang
regieren. Der Vorgänger des amtierenden Staatspräsidenten
Goodluck Jonathan, der Muslim Umaru YarAdua, starb jedoch während
seiner ersten Amtszeit. So kam nach drei Jahren wieder ein Christ
an die Macht und viele Muslime fühlten sich "betrogen".
Die Folge, so die Studie, sei eine wachsende Unzufriedenheit der
muslimischen Bevölkerung. Baldige Stabilität bleibt angesichts
solcher Entwicklungen nur ein Traum.
Quelle: jesus.de-Newsletter
vom 21.November 2011
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