Kein "Kirchensteuer-Austritt"
Verwaltungsgericht Mannheim: Wer Kirchenmitglied sein will, muss
Kirchensteuer zahlen
04.05.2010: Wer Mitglied
einer der beiden großen Kirchen in Deutschland bleiben will,
muss weiter Kirchensteuer zahlen, entschied heute der baden-württembergische
Verwaltungsgerichtshof in Mannheim.
Ein Austritt allein aus
der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts und
damit aus der Kirchensteuerpflicht sei nicht statthaft,. so das
Gericht. Entsprechende Zusatzerklärungen auf dem Austrittsformular
seien nicht zulässig. Das Erzbistum Freiburg und das Zentralkomitee
der deutschen Katholiken begrüßten die Entscheidung des
Verwaltungsgerichtshofs, der eine Revision nicht zuließ. (AZ:
1 S 1953/09)
Austrittserklärung mit Zusatz "Körperschaft des
öffentlichen Rechts" ungültig
Damit ist der Austritt
des Freiburger Kirchenrechtlers Hartmut Zapp ungültig. Der
pensionierte Hochschulprofessor hatte in seinem Austrittsformular
die Kirche mit dem schriftlichen Zusatz «römisch-katholisch,
Körperschaft des öffentlichen Rechts» versehen.
Wegen dieser Ergänzung ist der von der südbadischen Stadt
Staufen bescheinigte Austritt nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
ungültig. Es gab der Erzdiözese Freiburg recht, die die
Gültigkeit des Austritts bestritten hatte.
Katholische Kirche ist erleichtert
Nach Ansicht des Erzbistums
Freiburg sichert das Urteil «Steuergerechtigkeit und Rechtsklarheit».
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs schütze «alle
Frauen und Männer, die katholisch sind und mit ihren Beiträgen
die Arbeit der katholischen Kirche mitfinanzieren, vor Steuerungerechtigkeit».
Auch das Zentralkomitee
der deutschen Katholiken begrüßte die Entscheidung, mit
der die Sichtweise der katholischen Kirche in Deutschland erkannt
werde. Die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche als Körperschaft
des öffentlichen Rechts und die Mitgliedschaft in der katholischen
Kirche als Religionsgemeinschaft seien in Deutschland untrennbar,
sagte der Präsdent des Zentralkomitees, Alois Glück.
Der Staatsrechtler Gerhard
Robbers wandte sich dagegen, innerkirchliche Folgen eines Kirchenaustritts
vom Staat klären zu lassen. «Was ein Kirchenaustritt
nach staatlichem Recht innerkirchlich bedeutet, sollte in der Kirche
selbst und nicht mit Hilfe staatlicher Behörden ausgetragen
werden», sagte der in Trier lehrende Rechtswissenschaftler
in einem epd-Gespräch.
Kirchenrechtler wollte katholisch bleiben, aber nicht mehr Mitglied
der Körperschaft sein
In dem Fall des emeritierten
Kirchenrechtsprofessors Hartmut Zapp, der zwar katholisch, aber
nicht mehr Mitglied der Kirche als Körperschaft des öffentlichen
Rechts bleiben wolle, werde der Staat eingespannt, um eine theologische
Frage auszufechten. «Das ist ein Missbrauch des Staates und
eine Missachtung der Kirche», ergänzte Robbers, der auch
dem Präsidiumsvorstand des Deutschen Evangelischen Kirchentages
angehört.
Die Mannheimer Richter
unter Vorsitz von Gerichtspräsident Karl-Heinz Weingärtner
entschieden, Austrittserklärungen vor dem Standesamt müssten
nach dem Kirchensteuergesetz Baden-Württemberg eindeutig und
ohne Bedingungen und Zusätze sein. Ein Kirchenaustritt sei
unwirksam, wenn er isoliert nur diejenigen Rechtsfolgen beseitigen
soll, die eine Kirchenmitgliedschaft im Bereich des staatlichen
Rechts hat.
Kirchenrechtliche Auswirkungen eines Austritt sind nicht Aufgabe
des Staates
Bei einem Kirchenaustritt
müsse der Staat nur die rechtliche Gültigkeit des Austritts
prüfen. Welche kirchenrechtlichen Auswirkungen dies nach sich
zieht, sei nicht Aufgabe staatlicher Gerichte. Ob es eine Kirchenmitgliedschaft
ohne Kirchensteuerpflicht geben könne, sei «allein eine
innerkirchliche Angelegenheit», hieß es weiter.
Die Erklärung vor
dem Standesamt müsse erkennen lassen, dass sich der Betroffene
ernsthaft und vollständig von der Religionsgemeinschaft lossagen
wolle, hieß es weiter. Wer den Kirchenaustritt auf die «Körperschaft
des öffentlichen Rechts» beschränke, aber gleichwohl
in einer auch für den Staat erkennbaren Weise aktives Mitglied
seiner Kirche bleiben wolle, erfülle die Anforderungen des
Gesetzes nicht.
Würde der Staat
dem einzelnen Gläubigen die Möglichkeit eines bloßen
«Kirchensteueraustritts» eröffnen, verstieße
er gegen das Grundgesetz.
Danach sind diejenigen Religionsgesellschaften, die Körperschaften
des öffentlichen Rechtes sind, dazu berechtigt, Kirchensteuer
auf der Grundlage der staatlichen Steuerlisten zu erheben.
Der Kirchenrechtler hofft auf innerkirchliche Klärung
Dagegen ist Zapp der
Auffassung, der Kirchenaustritt sei nur ein staatlicher Akt. «Ich
bin gläubiger Katholik und das ist Tatsache», hatte er
bei der mündlichen Verhandlung gesagt. Er sei lediglich aus
der Körperschaft, nicht aus der Glaubensgemeinschaft ausgetreten.
Der Kirchenrechtler hofft, dass auf das Gerichtsurteil eine innerkirchliche
Klärung erfolgt.
Quelle: jesus.de-Newsletter
vom 04.05.2010 / epd
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