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AREF-Medien-News

Fernsehen ohne Grenzen?

Extrem-Shows wie "I want a famous face" in der Diskussion

20.09.2004: Brustpiercing, Schafsaugen essen, den Körper voller Kakerlaken - das sind die angesagten Formate in der kommerziellen Fernsehunterhaltung. Ist das das wahre Leben oder ein Fernsehen, das keine Grenzen mehr kennt ?

Extremshows oder "Reality"-Formate wie "Ich bin ein Star! Holt mich hier raus" und "Big Brother" bedienen laut Medienpsychologe Dr. Mario Gmür voyeuristische, ja sogar sadistische Bedürfnisse der Zuschauer, belasten sie aber auch.

 

Thema der 4. Augsburger Mediengesprächen:
Fernsehen ohne Grenzen? - Extrem-Shows in der Diskussion

Wo sind die Grenzen für das Fernsehen zu setzen ? Darüber diskutierten bei den 4. Augsburger Mediengesprächen am 16. September 2004 im voll besetzten Rathaussaal Experten aus TV-Sendern, Medienpolitik und Jugendschutz.

Auf Einladung der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und der Augsburger Radio- und TV-Sender stellten sich Dr. Mario Gmür, RTL-Generalsekretärin Ingrid M. Haas, RTL2-Unterhaltungschefin Katja Hofem-Best, BLM-Präsident und KJM-Vorsitzender Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring und CSU-Generalsekretär Dr. Markus Söder den Fragen von TV-Moderatorin Astrid Frohloff.

Geschmacksfrage oder Dekadenz ?

Diese Sendungen seien nicht Ursache, sondern Symptom für eine gesellschaftliche Entwicklung, die sich unter anderem dadurch auszeichne, dass sich Menschen hemmungslos zur Schau stellten und junge Leute mit Hilfe des Starkults die erfolgreiche Flucht vor ihrer eigenen Durchschnittlichkeit begehen würden, betonte Oberbürgermeister Dr. Paul Wengert in seinem Grußwort. Über die Konsequenzen aus dieser Entwicklung waren sich die Diskutanten jedoch nicht einig.

BLM-Präsident Prof. Dr. und CSU-Generalsekretär Dr. Söder appellierten an die Fernsehunternehmen, endlich Verantwortung für die Folgewirkungen (Werteverlust) zu übernehmen und nicht immer nur die Aufsicht "austricksen" zu wollen.

RTL-Generalsekretärin Haas und RTL2-Unterhaltungschefin Hofem-Best betonten, die Sender könnten nicht für Geschmacksfragen verantwortlich gemacht werden. Man müsse genau zwischen Geschmacksfragen und jugendschutzrelevanten Fragen unterscheiden, so Haas. Die Jugendschutzverstöße hätten sich in den letzten Jahren nicht gehäuft. Hofem-Best wehrte sich vor allem gegen den Vorwurf der "Unmoral": "In den Sendern sitzen keine verantwortungslosen Fernsehredakteure!" Es werde schon vor der Ausstrahlung vieles "ausgesiebt".

Söder kritisierte die endlosen wirkungslosen Diskussionen über Reality-Formate und deren Auswüchse: "Richtig schlimme Formate werden doch nur dann abgesetzt, wenn sich kein Zuschauer mehr dafür interessiert", nachdem sich erst die Aufsicht mahnend zu Wort gemeldet und dann der Blätterwald gerauscht hätte. Die langwierigen rechtlichen Verfahren ließen kein schnelles wirkungsvolles Handeln zu, beklagte Söder. Statt immer nur darüber zu reden, müsste jetzt endlich gehandelt werden. Wenn es anders nicht funktioniere, müsste die KJM eben mit effektiveren Mitteln ausgestattet werden. Er wurde unterstützt von Ring, der "Zeichen setzen" will und im Fall der MTV-Schönheits-OP-Reihe (Folge 4-6 von "I want a famous face") vorbehaltlich der Entscheidung der KJM Bußgeld wegen Jugendschutzverstößen ankündigte.

Provokation gehört zum RTL-Image

Mit Blick auf Folgewirkungen und die künftige Entwicklung - vor allem im Privatfernsehen - äußerte Gmür, er finde es bedenklich, wenn ein ganzes Volk diese vulgären Sendungen an die erste Stelle seiner Aufmerksamkeit setze. Wenn es nach der Prognose der Sendervertreterinnen geht (Haas: "Auch Provokation gehört zum Image von RTL"), wird sich die Spirale aber noch etwas weiter drehen. Über künftige Formate wie "Sperm Race" wird bereits heftig diskutiert und geschrieben.

Landesmedienanstalten verbannten Schönheits-OPs ins Spätabendprogramm

In Deutschland sind die „Skalpell-Shows“ nicht wie geplant anlaufen. Wer die Verwandlungsshows miterleben will, muss lange aufbleiben. Zum Schutz der Jugend haben die Medienwächter der „Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten“ (KJM) Schönheitsoperationen im Fernsehen erst ab 23 Uhr genehmigt und den Plänen der Privatsender einen Dämpfer erteilt.

Zur Begründung heißt es in der Jugendschutzformel: „Schönheitsoperationen sowie das Vorher und Nachher dürfen im Fernsehen nicht vorher ausgestrahlt werden, da sie reinen Unterhaltungszwecken dienen und auf Kinder und Jugendliche und ihre Entwicklung eine beeinträchtigende Wirkung haben können.“

"Sie könnten den Eindruck gewinnen, dass sich Probleme der Selbstakzeptanz durch Wegschneiden, beliebiges Verkleinern und Vergrößern von Körperteilen, Absaugen oder Einspritzungen lösen lassen", sagte der KJM-Vorsitzende Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring.

Die Folgen der Maßgabe hat zuerst der Musik-Sender MTV zu spüren bekommen, der seit Anfang Juli die amerikanische Show „I want a famous face“ sendet und die Show umgehend auf einen Sendeplatz nach 23 Uhr verschieben musste. In der Show werden Jugendliche per Schönheitsoperation in ihre Idole „verwandelt“. Vorher lief die Sendung sonntags um 21.30 Uhr und donnerstags um 22 Uhr.

Die entsprechenden Produkte von Pro7 (“The Swan“), RTL („Alles ist möglich“) und RTL2 („Schönheit um jeden Preis – letzte Hoffnung: Skalpell“) laufen gemäß Vorgabe der Jugendschutzkommission (KJM) erst nach 23 Uhr.

Jährlich werden in Deutschland 660.000 Schönheitsoperationen vorgenommen, das sind 600% mehr als im Jahr 1990. Ein Viertel der Patientinnen ist unter 25 Jahre alt.

Quellen: Jesus.de- und blm.de-Newsletter

Autor: Uwe Schütz

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