Bekehrungsversuche
Menschen bei Maischberger diskutierten über BW-Bildungsplan
12.02.2014: Angekündigt
hatte die ARD für den Polit-Talk "Menschen
bei Maischberger" unter dem Titel Droht die moralische
Umerziehung? eine Bildungsplan-Diskussion.
"Menschen bei Maischberger
ist meines Erachtens die beste Polit-Talk-Sendung die wir im Deutschen
Fernsehen haben, aber diese Ausgabe war eine der schwächsten.
Was am Dienstag, 11. Februar, 23.10 Uhr geliefert wurde, waren 75
Minuten, einen Studiogast von der Gleichwertigkeit gleichgeschlechtlichen
Lebenspartnerschaften zu überzeugen. Schnell war klar, wer
in dem Polittalk "die Guten" und wer "die Bösen"
sind.
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Di.,
11.02.2014, in der ARD - Studiogäste von links: Jens Spahn
(Gesundheitspolitischer Sprecher der CDU), Hartmut Steeb (Generalsekretär
der Deutschen Evangelischen Allianz), Oliver Knöbel (Travestikünstler
unter seinem Pseudonym Olivia Jones), Birgit Kelle (Journalistin
und Buchautorin) und Hera Lind (Schriftstellerin) |
Titel: "Homosexualität auf dem Lehrplan: Droht die moralische
Umerziehung?"
Anlass für die Sendung
war der Bildungsplan der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg,
der die Akzeptanz sexueller Vielfalt fächerübergreifend
als Lernziel definiert und die starken Proteste dagegen.
Lesben, Schwule,
Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle: Sollen
Kinder und Jugendliche über die "sexuelle Vielfalt"
im Unterricht aufgeklärt werden? Das plant die grün-rote
Landesregierung in Baden-Württemberg und erntete dafür
in konservativen Kreisen erbitterte Proteste. Fürchten die
Eltern um die sexuelle Orientierung ihrer Kinder? Und sind traditionelle
Werte unserer Gesellschaft in Gefahr (Senderinfo)
Studiogäste waren
Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz Hartmut
Steeb, der gesundheitspolitischen Sprecher der CDU Jens Spahn, der
sich seit 2012 öffentlich zu seiner Homosexualität bekennt,
die Schriftstellerin Hera Lind, die Journalistin und Buchautorin
Birgit Kelle und der Travestikünstler Oliver Knöbel unter
seinem Pseudonym Olivia Jones.
"Droht die Umerziehung?"
"Droht die Umerziehung?",
fragte Sandra Maischberger zu Beginn Hartmut Steeb. Der wich aus
und sagte: "Wir müssen nicht über die einzelnen Worte
so viel nachdenken", es ginge viel mehr um "das Gefühl,
dass das Stichwort sexuelle Vielfalt ein Übergewicht bekommt".
Dem widersprach Jens
Spahn, es komme eben doch auf die Worte an, denn: "Worte tun
weh." Die Petition tue so, als würden die Kinder in der
Schule durch den Bildungsplan "schwul gemacht" - und das
sei erstens nicht sein Inhalt und zweitens auch gar nicht möglich.
Hartmut Steeb gelang es nicht, die Gefahren, die er sieht, auch
aufzuzeigen
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Hartmut
Steeb, Generalsekretär der Evangelischen Allianz, zu Gast
bei "Menschen bei Maischberger" zum Thema "Homosexualität
auf dem Lehrplan ..." Rechts im Bild der Travestiekünstler
"Olivia Jones, der vor allem durch Provokation glänzte.
Screenshot: AREF |
Obwohl Moderatorin Sandra
Maischberger immer wieder nachfragte, gelang es dem zehnfachen Familienvater
Hartmut Steeb nicht darzulegen, warum die Aufklärung über
die Vielfalt sexueller Identitäten eine Gefahr für jene
traditionelle Form von Ehe und Familie darstelle, die er als privates
und gesellschaftliches Ideal betrachtet. Dies lag vielleicht auch
daran, dass er in seinen Ausführungen immer wieder unterbrochen
wurde.
Steeb versuchte mehrfach
aufzuzeigen, dass Homosexualität nicht gleichwertig sein kann,
weil sie "nicht natürlich" sei. Außerdem argumentierte
er, dass Homosexalität wegen der niedrigeren Lebenserwartung
nicht erstrebenswert sei.
Auch sein Argument, die
Suizidrate sei bei homosexuellen Jugendlichen höher als bei
heterosexuellen Altersgenossen überzeugte nicht. Im Gegenteil:
Es drängte sich die Frage auf, ob sich junge Leute das Leben
nehmen, weil sie ihren sexuellen Empfindungen nicht zurecht kommen
oder mit den Reaktionen ihres Umfeldes.
Ansonsten war Hartmut
Steeb das "Bekehrungsobjekt". Mit Ausnahme von Birgit
Kelle versuchten alle Anwesenden immer wieder, ihn von der Gleichwertigkeit
von Hero- und Home-Beziehungen zu überzeugen.
Der Generalsekretär
der Evangelischen Allianz äußerte sich bereits am 24.
Januar im Nachtcafé des SWR als Unterstützer der Petition
Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens.
Birgit Kelle erinnerte an das Elternrecht und kritisierte Auswüchse
des Sexualkundeunterrichts
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Birgit
Kelle, Journalistin, Buchautorin und Mutter von vier Kindern
zu Gast bei "Menschen bei Maischberger" zum Thema
"Homosexualität auf dem Lehrplan ..." Screenshot:
AREF |
Birgit Kelle, Journalistin,
Buchautorin und Mutter von vier Kindern, stellte zu Beginn klar,
dass ihr Antrieb keinesfalls sei eine Schwulenfeindlichkeit sei:
"Niemand möchte Homosexualität aus der Schule verbannen".
Vielmehr kritisierte sie in Sachen Sexualpädagogik den Eingriff
des Staats in Kompetenzfelder der Familie. Den Schritt von der Toleranz
zur Akzeptanz, also von der Duldung zur Befürwortung gleichgeschlechtlicher
Beziehungen, wollte sie dennoch nicht gehen.
Man kann daran vielleicht
ein überraschend weit verbreitetes Unbehagen darüber ablesen,
dass sich Familien mit ihren Anliegen auch und gerade vom
Thema Homosexualität an den Rand gedrängt fühlen.
Kelle kritisierte beispielsweise die überflüssige "Omnipräsenz"
von Outings.
Sie betonte, dass es
weiterhin legitim sein müsse zu sagen, dass man die Ehe von
Mann und Frau für erstrebenswerter hält.
Birgit Kelle kritisierte,
dass der Staat zu sehr in die Erziehung hineinreden wolle, die ja
das Recht der Eltern sei. Außerdem wehrte sie sich gegen die
im Bildungsplan geforderte "Akzeptanz" von nicht-heterosexuellen
Lebensweisen. Während nämlich die bloße Toleranz,
also die schlichte Duldung der anders Liebenden, völlig unproblematisch
sei, bedeute Akzeptanz eine Zustimmung. Und das ist Kelle zuviel:
"Sie können nicht Akzeptanz von mir erwarten."
Darüber hinaus kritisierte
sie Auwüchse im Sexualkundeunterricht von Grundschulkindern.
So wurde ihnen unter anderem beigebracht, wie Lesben sich gegenseitig
befriedigen. Angesichts solcher Entwicklungen könne man als
Eltern nur hoffen, einen Lehrer zu bekommen, der "das vernünftig
und sensibel macht".
Birgit Kelles plädierte
dafür, die Aufklärung selbst in der Hand zu haben und
verwies auf das Elternrecht.
Travestie-Künstler trat für mehr Toleranz ein
Für mehr Toleranz
anderer sexueller Lebensformen trat Oliver Knöbel unter seinem
Pseudonym Olivia Jones ein. Es wundere ihn immer wieder, so der
Travestie-Künstler, "dass Homosexuelle als Bedrohung angesehen
werden.Es geht um eine ganz normale Veranlagung, die es auch überall
gibt." Ansonsten glänzte er vor allem mit seiner Lust
an Provokation.
Schriftstellerin Hera Lind verstand die ganze Aufregung überhaupt
nicht
Hera Lind, Schriftstellerin
und Mutter von vier Kindern, setzte auf zeitige Aufklärung
der Kinder. So würden sie lernen, dass schwul kein
Schimpfwort sei: "Ich bin überrascht, dass man sich so
aufregt,und ich denke, das erledigt sich."
Jens Spahn zeigte als Betroffener, dass Homo-Diskussion auch sachlich
geht
Der CDU-Abgeordnete Jens
Spahn, selbst schwul, demonstrierte in der Auseinandersetzung mit
Steeb anschaulich, wie man die Debatte um homosexueller Partnerschaften
souverän führen kann. Mehrfach warnte er vor dem Übereifer,
mit dem beide Seiten in den Konflikt einstiegen und versucht zu
beruhigen:"Niemand wird in der Schule schwul gemacht".
Jens Spahn wollte von
Hartmut Steeb wissen, was ein schwuler Jugendlicher denken soll,
wenn Steeb im Fernsehinterview darüber frohlockt, dass keines
seiner Kinder homosexuell ist. Dass es schlechter ist als andere?
"Meine Eltern freuen sich übrigens, dass sie einen schwulen
Sohn haben", sagte Spahn.
Im Übrigen habe
er jedoch nichts gegen die Diskussion über den (so viel Parteipolitik
muss dann doch sein) "überdrehten" Bildungsplan der
"grün-roten Ideologen": "Ich bin froh über
die Meinungsfreiheit", sodann an Steeb gerichtet, der auffällig
um das Wohlwollen des CDU-Mannes bemüht scheint: "Und
im Zweifel begegnen wir uns nach der Sendung nie wieder."
Jens Spahn bekennt sich
seit 2012 öffentlich zu seiner Homosexualität.
Kurz vor Schluss der
Sendung kam noch schnell eine Geschichte aus dem richtigen Leben:
Ein Kita-Kind hat zwei Mamas. Die Moderatorin war am Ende offenbar
überrascht, dass sich ein Konsens über die Gleichwertigkeit
gleichgeschlechtlicher Beziehungen ließ. Sie verwies darauf,
dass dies in der Gesellschaft ja auch nicht der Fall sei.
Sendung sorgte schon im Vorfeld für Zoff
Die von Maischberger-Redaktion
mit "Homosexualität auf dem Lehrplan: Droht die moralische
Umerziehung?" betitelte Sendung sorgte schon im Voreld für
Entrüstung.
Das Schwulen- und Lesbenmagazin
Queer empörte sich am Samstag vorher bereits über
den Titel der Sendung und bezeichnete Hartmut Steeb und Birgit Kelle
als notorische Homo-Hasser. Der schwule Theologe David
Berger schreibt darüber hinaus in der deutschen Huffington
Post sogenannte Homophobe dürften nicht in Talkshows
auftreten, da sie menschenverachtendes, diffamierendes Gedankengut
vor einem großen Publikum streuten.
Autor dieser
Webseite: Uwe Schütz
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