Album
des Monats September 2015
Anomaly
von Lecrae
ist AREF-Album des Monats
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Lecrae
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Was kann nach
dem vielleicht wichtigsten und besten christlichen Rap-Album Gravity
noch kommen? Lecrae legt nach und bringt mit Anomaly sein
nunmehr siebtes Album heraus. Ihm gelang damit etwas, das noch keinem
anderen christlichen Künstler gelungen ist. Er besetzte gleichzeitig
die Top-Position der Billboard 200 Charts und Gospel Album Charts.
Dazu wurde Anomaly die #1 der Top Rap Alben. Die der christlichen
Alben sowieso. Für den Song "Messengers" gab's einen
Grammy und für "All I Need Is You" eine Grammy-Nominierung.
Die erste Single "Nuthin" wurde mit einem BET Hip Hop
Award ausgezeichnet.
Wie schon im
Vorgängeralbum ist auch bei Anomaly der Name Programm.
Dazu Lecrae: "Konzeptionell geht es darum, wie ich von der
Norm abweiche. Einerseits ein Hip-Hop Produkt zu sein, aber gleichzeitig
mir treu zu bleiben, obwohl die Kultur ihren eigenen Weg geht."
Seine Antwort auf den Umstand für die Welt bzw. Radiostationen
zu fromm zu sein und für viele Fromme zu sehr in der Welt.
Unter dem Hashtag #Anomaly ermutigt Lecrae jeden Außenseiter
seine eigene Geschichte und Individualität auszudrücken.
Als Veränderung
zum Vorgängeralbum ist Anomaly viel experimenteller
und auch emotionaler. Fette Bässe gibt es nur vereinzelt, dafür
sind Club-Sound und elektronische Effekte eingearbeitet. Bezeichnend
ist der nachdenkliche Einstieg ins Album, im Gegensatz zu den früheren
Bombast-Intros. Trotzdem verfügt jeder Song über eine
eingängige Melodie oder eine mitreißende Dynamik. Zu
Recht platziert sich das Album ganz oben im Hip-Hop Genre.
Die Anomalie
zu üblichen Rap-Alben zeigt sich erst in den völlig anderen
Inhalten: Viel Kritik am Normalen steckt in "Welcome To America".
Hier zeigt Lecrae sein Land aus unterschiedlichen Perspektiven.
Aus Sicht eines Drogendealers, dann eines Veteranen und zuletzt
aus Sicht eines Einwanderers. Eine regelrechte Ermutigung zur Anomalie
steckt in den folgenden "Say I Wont" und "Nuthin".
Wobei letzterer die fehlende Substanz vieler Radiostationen anspricht.
In "Fear" und "Anomaly" setzt sich Lecrae noch
mehr mit seinen Kritikern auseinander, um schließlich in "Timepiece"
und "Dirty Water" das Besitzstandsdenken und Komfortstreben
der "Ersten Welt" anzusprechen. In "Wish" reflektiert
er Fehler in seinem Leben, um dann in "Runners" mit viel
Humor davor zu warnen, allem Verlangen nachzujagen. Der Familienvater
plädiert ganz offen für die Ehe in "All I Need Is
You".
Nach "Give
In", einem Pop-Song mit der ebenfalls mehrfach Grammy nominierten
Crystal Nicole, kommt die wohl größte Überraschung
auf dem Album. Ungemein persönlich wird Lecrae in "Good,
Bad, Ugly". Er beschreibt, wie er von seinem Babysitter einst
missbraucht wurde und später dann seine Freundin zur Abtreibung
ermutigte, aus Angst in jungen Jahren Vater sein zu müssen.
Mit "Broken" folgt wiederum ein sehr radiogenes Duett
mit der aufstrebenden
Kari Jobe. Etwas überraschend ist der abschließende
Song "Messenger" zusammen mit "For King & Country".
Er passt kaum ins Album, brachte aber einen Grammy. Aber was erwartet
man von einem Album mit dem Titel "Anomaly"?
Auch wenn Lecrae
einen sehr breiten Fächer aufspannt, ist das Album sehr rund
und dabei exzellent arrangiert. Der offensive Umgang als Außenseiter
des Genres ist bestimmt sehr ermutigend für seine Hörer,
die selber kaum angepasst sein dürften.
Jens R. Göbel
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