Angst - Ursachen und Sinn gesendet am 27.01.2002 von Wilfried Brunner |
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Angst gehört zum Leben
Der Psychotherapeut und Eheberater Reinhold Ruthe nennt Angst eine Grundbefindlichkeit des Menschen. Sie gehört zu uns wie Augen, Haar und Ohren. Angst gehört zum normalen Leben. Das klingt zunächst wie ein Widerspruch. Aber ein bestimmtes Quantum Angst ist menschlich. Gott hat zum Überleben einen notwendigen Angstmechanismus in jedes Leben eingebaut, ohne den Menschen und besonders Tiere umkommen würden.
- Ohne Angst wären wir unvorsichtig, leichtsinnig, blind für tausend Gefahren
- Ohne Angst würden wir unbeherrscht und unkontrolliert Auto fahren.
- Ohne Angst würden wir keine Vorsorgeuntersuchungen machen.
- Ohne Angst würden wir darauf los leben ohne Versicherung, ohne Plan, ohne Vorausschau, ohne Absicherung.
- Ohne Angst würden wir umkommen.
Aber es gibt normale Ängste und krankhafte Ängste.
Es gibt Ängste, die zum Alltag unseres Lebens gehören, die wir bewältigen
können, und es gibt Ängste, die uns aus der Bahn werfen, die uns lebensuntüchtig
machen, uns lahm legen, unser Denken blockieren und uns das Zusammenleben mit
anderen unmöglich machen. Die anomale Angst ist die Hauptursache für
seelische Krankheiten, Konflikte und Probleme des Menschen. Angst ist die Achillesferse
des Menschen. Sie ist der Schlüssel für sämtliche krankhaften
seelischen Störungen:
- für sexuelle Probleme, für alle Perversionen, für Kriminalität,
- für alle Psychosen, für alle psychosomatischen Krankheiten ( also für Krankheiten des Körpers, die seelisch bedingt sind ),
- für alle Phobien, das heißt für zwanghafte Ängste wie Platzangst, Höhenangst, Flugangst usw.
Die neurotische krankhafte Angst beinhaltet:
- ein Ausweichen vor den Aufgaben des Lebens,
- ein Nichtbejahen der eigenen Persönlichkeit,
- ein Gefühl der Minderwertigkeit, Unzulänglichkeit und Mangelhaftigkeit,
- ein krankhaftes Gefühl, in den Augen anderer Menschen an Wert zu verlieren.
Angst als Mittel zum Zweck
Angst ist, laut Reinhold Ruthe, nicht in erster Linie durch Daseinsbedrohung entstanden, sondern Angst ist vielmehr die Spiegelung, in den Augen anderer Menschen an Wert zu verlieren. Angst hat immer etwas mit dem Nachbarn, mit dem Partner, mit Kindern, mit Beziehungspersonen zu tun. Angst ist die Befürchtung, von den maßgeblichen Beziehungspersonen nicht genug geliebt, anerkannt und gemocht zu werden. Angst ist daher in erster Linie ein zwischenmenschliches Problem. Sie ist die Antwort auf Liebesverlust, sie ist beispielsweise das Signal des Kindes an die Eltern, an die Mutter: Du lässt mich allein.
Mit Angst will ein Kind den Erwachsenen signalisieren: Ich fühle mich
ungeborgen. Ich fühle mich unsicher. Angst hat daher einen Aufforderungscharakter.
Mit Angst will das Kind an die Erwachsenen appellieren. Angst wird dabei immer
unbewusst benutzt, um etwas zu erreichen. Angst wird schließlich als Mittel
zum Zweck eingesetzt.
Ein einfaches Beispiel kann das deutlich machen: Ein Kind benutzt Angst, damit
die Eltern zu Hause bleiben. Das Kind produziert diese Angst, um seinen Willen
durchzusetzen. Es macht die Erfahrung, dass es sich mit Angst gegenüber
seinen Eltern durchsetzen kann und terrorisiert mit seiner Angst die ganze Familie.
Eine andere Form der Angst ist Hilflosigkeit. Ich habe Angst, die Aufgaben
zu meistern. Ich habe Angst, den Anforderungen nicht gewachsen zu sein. Wir
produzieren Hilflosigkeit: "Ich kann das nicht". "Ich
verstehe das nicht". Ich weiß nicht, wie ich damit fertig werden
soll". Durch Hilflosigkeit und Angst wird der andere gezwungen. Hilflosigkeit
ist also ein Machtmittel, ein Kampfmittel.
Nehmen wir z. B. eine Frau, die ihre Eifersucht, eine besondere Form der Angst,
dazu benutzt, um den Partner ständig daran zu erinnern, dass er sich um
sie zu kümmern hat, den Partner zu ermahnen, in Gedanken, Worten und Taten
treu zu sein, den Partner zu klammern.
Mit Angst kann man also etwas erreichen, mit Angst wird ein anderer unter Druck
gesetzt, mit Angst kann man tyrannisieren, kann ich erpressen, kann ich jemanden
fesseln und an die Kette legen, kann ich Hilfeleistungen erbitten.
Hinter den Ängsten, Befürchtungen und negativen Erwartungen steht ein falsches Denken. Angst ist die Befürchtung, in den Augen anderer Menschen an Wert zu verlieren. Der Ängstliche fühlt sich abgewertet, fühlt sich nicht ernst genommen, fühlt sich nicht geliebt, glaubt, nicht zu genügen.
Hinter diesen Vorstellungen und Einbildungen steht eine gewaltige Kraft. Ein Mensch, der sich für unattraktiv, für hässlich, verklemmt oder schüchtern hält, gibt sich auch so. Sein Denken beeinflusst seine Haltung, seine Einstellung und seins Gebärden. Habe ich mir ängstliche und negative Augen zugelegt, reagiere ich mit Befürchtungen. Ich bin das, was ich befürchte. Wer Angst hat, etwas nicht zu schaffen, programmiert sich so, dass er es schließlich nicht schafft. Wer befürchtet, eine Niete zu sein, ist auch eine Niete.
Wilfried Brunner
mehr aus unserer Sendung über Angst :
Einleitung
Was sagt die Bibel dazu ?